Possession

Despair

Filmvisionaer
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
12.550
Ort
Somewhere in Hessen
Filmkritiken
61
AW: Possession

Possession

Es gibt sie noch. Die Momente, in denen man denkt: Was zur Hölle habe ich da gerade gesehen? Andrzej Zulawskis alptraumhafter Horrortrip über ein sich in der Trennungsphase befindendes Ehepaar gehört definitiv zu dieser Gattung Film. Dabei ist die Ausgangssituation relativ simpel und alltäglich.

Berlin, Achtziger Jahre: Nach längerer, beruflich bedingter Abwesenheit kehrt Mark heim zu seiner Frau Anna und seinem kleinen Sohn Bob. Doch die Atmosphäre zwischen den Eheleuten ist angespannt, Anna verhält sich Mark gegenüber abweisend und wirkt verändert. Schnell scheint der Grund für dieses Verhalten klar zu sein: Anna hat einen Liebhaber. Heinrich – so der Name des etwas seltsamen, scheinbar auf einem Drogentrip hängengebliebenen älteren Herrn, der mit seiner Mutter eine Wohnung teilt – ist aber selbst nicht sicher, was mit Anna los ist; wie Mark nach dem ersten, für ihn etwas schmerzhaften Zusammentreffen feststellen muss. Also beauftragt Mark einen Privatdetektiv, der sich an Annas Fersen heftet. Er folgt ihr zu einer heruntergekommenen Wohnung in der Sebastianstraße und findet das Grauen...

Was nach einem konventionellen Drama klingt, entwickelt sich zu einem extrem abgedrehten Trip durch die Psyche der beiden Eheleute - oder zu SciFi-Horror der Marke „Body Snatchers“. Es bleibt dem Zuschauer überlassen, wie er das Geschehen interpretieren möchte. Was sich vor seinen Augen abspielt, ist jedenfalls der pure Wahnsinn. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn sowohl Isabelle Adjani als auch Sam Neill spielen (passend zum Filmtitel) wie besessen auf. Es wird minutenlang geschrien, getobt und durchgedreht, dass es eine wahre Freude ist. Mehr Schauspielkunst geht einfach nicht. Insbesondere Isabelle Adjani agiert wie von Sinnen und schleudert derart wahnsinnige Blicke um sich, dass man ernsthaft um ihre geistige Gesundheit besorgt ist. Auch Sam Neill und Heinz Bennent geben ihr absolut Bestes, um Zulawskis geisteskranke Fantasie noch intensiver zu gestalten. Das trist aussehende, geteilte Berlin der Achtziger Jahre als Kulisse setzt dem ganzen die Krone auf.

Was sich letztendlich in der verranzten Wohnung in der Sebastianstraße befindet – man weiß es nicht so genau. Man weiß ehrlich gesagt nichtmal, ob sich da überhaupt was befindet. Das blutige Ende der Geschichte beantwortet jedenfalls nichts – eher im Gegenteil. Und wer bis hierher gelesen hat, dürfte bereits selbst zur Erkenntnis gelangt sein, dass Freunde des gepflegten Mainstreamkinos einen ganz weiten Bogen um diesen Film machen sollten. Wer hingegen die heftigeren Werke eines David Cronenberg oder Lars von Trier schätzt, sollte unbedingt „Possession“ auf seinen Einkaufszettel packen. Eine intensive Filmerfahrung ist garantiert.

10/10 Punkte
 

Russel Faraday

Filmvisionaer
Registriert
23 Juni 2008
Beiträge
11.419
Ort
Gilead
Filmkritiken
35
AW: Possession

als der film seinerzeit von Bildstörung veröffentlicht wurde, habe ich die DVD als blindkauf eingesackt und vor allem beim hysterischen totalausfall der Adjani im tunnel einfach nur so vor'm TV gehockt: :eek: die frau spielt, als würde es um ihr leben gehen.

der film ist in der tat keine leichte kost und wirft mehr fragen auf, als er tatsächlich beantwortet, aber man wird von dem, was man sieht, wie von einem sog gefangen, dem man nicht mehr entrinnen kann.

eine schande übrigens, daß arte "Possession" ausgerechnet in ihrer wiederbelebten "arte Trash"-reihe gezeigt hat. :motz:
 

Despair

Filmvisionaer
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
12.550
Ort
Somewhere in Hessen
Filmkritiken
61
AW: Possession

der film ist in der tat keine leichte kost und wirft mehr fragen auf, als er tatsächlich beantwortet, aber man wird von dem, was man sieht, wie von einem sog gefangen, dem man nicht mehr entrinnen kann.

Ging mir ganz genauso. Der Film wird nicht zu unrecht von vielen Seiten als kafkaesk beschrieben. Ein Film gewordener Alptraum.

eine schande übrigens, daß arte "Possession" ausgerechnet in ihrer wiederbelebten "arte Trash"-reihe gezeigt hat. :motz:

Ich bin schon froh, dass überhaupt ein Sender die Eier hat, den Film zu zeigen, sonst wäre er an mir glatt vorbeigegangen. Ich dachte zuerst an den Film von Ole Bornedal.
 

SAB

Filmgott
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
7.359
Ort
Mönchengladbach
Filmkritiken
43
AW: Possession

Gute Kritik zu einem super Film!
Folgend mal meine Worte nach der damaligen Erstsichtung...

Possession (9,5 / 10 Punkte) -> ein Meisterwerk! Adjani,Neill und Bennent spielen sich die Seele aus dem Leib! Absolut eindringlich! Super Drehorte, tolle Farbgebung!
Wie sagt ein Kritiker im beigefügten Booklet: "Wenn Tarantino mit Death Proof Grindhouse ins Arthouse gebracht hat, so tut es Possesion genau umgekehrt!"
 

Vince

Filmstar
Registriert
21 Juni 2008
Beiträge
1.743
Filmkritiken
37
AW: Possession

Jup. Seh ich auch so. Mein damaliger Kommentar nach Sichtung:

Meisterhaftes Berlin-Drama über den inneren Zerfall ehelicher und kleinfamiliärer Strukturen beim Versuch, diese Strukturen um jeden Preis zu retten, eingekleidet in die Metaphorik eines Tentakelmonsters, das sexuelle Bedürfnisse und den damit verbundenen Selbsthass versinnbildlicht. Isabelle Adjani ist bei der Verkörperung ihrer schizophrenen Figur im totalen Exzess. Zulawski inszeniert ohnehin alles karg wie in einem Theaterstück und inszeniert die Rollen auch dementsprechend, aber Adjani steigert sich in ihre eigene Kategorie und kreischt und zetert und scheint sich praktisch vor der Kamera zu häuten. Im filmischen Sinn ist dieses Overacting nahezu unerträglich, aber es macht im Kontext der Inszenierung durch und durch Sinn. Einer der besten Filme, die ich seit langer Zeit gesehen habe. (9.5/10)
 

Despair

Filmvisionaer
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
12.550
Ort
Somewhere in Hessen
Filmkritiken
61
AW: Possession

[...] aber Adjani steigert sich in ihre eigene Kategorie und kreischt und zetert und scheint sich praktisch vor der Kamera zu häuten. Im filmischen Sinn ist dieses Overacting nahezu unerträglich, aber es macht im Kontext der Inszenierung durch und durch Sinn.

Sehe ich genauso. Wobei sie in diesem surrealen Setting quasi einen Freibrief zum Übertreiben hat. Durch ihr Overacting wirkt sie auf den Zuschauer real wahnsinnig und nicht wie eine den Wahnsinn spielende Schauspielerin. Oftmals tritt ja durch Overacting das Gekünstelte so richtig (meist negativ) in den Vordergrund, hier ist es andersherum. Was auch auf Neill und Bennent zutrifft.

Man müsste mal einen Thread zum Thema Overacting aufmachen: wann passt es, wo nervt es, wo geschieht es unfreiwillig. Da würden bestimmt unterschiedlichste Meinungen aufeinandertreffen. :D
 

Der müde Joe

Filmstar
Registriert
20 Juni 2008
Beiträge
1.991
Ort
Daheim
Filmkritiken
0
AW: Possession

Nach den ganzen überschwänglichen Kritiken hier, habe ich mir gestern den Film in der Videothek ausgeliehen... dachte ich.
Wie ich gerade herausgefunden habe, gibt es über 10 Filme mit diesem Titel :uff:. Ich habe "Possession - Das Dunkle in dir" angesehen. Das sollte wohl ein Remake sein, aber es war vor allem eines: Absoluter Mist! Null Spannung, Null Gänsehaut. Nur einmal bin ich erschrocken... und zwar als mir klar war dass das wohl der falsche Film war :o
 

Despair

Filmvisionaer
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
12.550
Ort
Somewhere in Hessen
Filmkritiken
61
AW: Possession

Nach den ganzen überschwänglichen Kritiken hier, habe ich mir gestern den Film in der Videothek ausgeliehen... dachte ich.
[...] Nur einmal bin ich erschrocken... und zwar als mir klar war dass das wohl der falsche Film war :o

Definitiv. :D Der Beschreibung nach ist der Bornedal-Film, den du erwischt hast, ein eher einfallsloser Vertreter der Exorzisten-Schiene. Zulawskis "Possession" habe ich bisher in keiner Videothek stehen sehen.
 
Oben