Total Recall
Wir schreiben das Jahr 1990: Nach dem Erfolg von
Paul Verhoevens ersten großen US-Film „
RoboCop" setzte sich
Arnold Schwarzenegger persönlich dafür ein, dass Verhoeven sein neuen Film „Total Recall" inszenieren soll. Der Film hat zu diesem Zeitpunkt bereits einen weiten Weg hinter sich, denn die Verfilmung der Kurzgeschichte „We Can Remember It for You Wholesale" von Philip K. Dick war bereits seit knapp 20 Jahren in der Vorproduktion und als Regisseure war u.a.
David Cronenberg und
Bruce Beresford im Gespräch und auch die Hauptrolle wäre anders besetzt worden; Im ersten Szenario mit
Richard Dreyfuss und bei Bruce Beresford wäre es
Patrick Swayze geworden. Doch als Arnold Schwarzenegger Interesse am Filmprojekt bekam, wurde kurzerhand aus dem sanftmütigen Buchhalter namens Quail (Dt. Wachtel) ein Bauarbeiter mit dem Namen Quaid, der im Gegensatz zu den Namen Quail eher Assoziationen an einen muskelbepackten Mann weckt.
Die neue Form des Urlaubs wird in der Zukunft von der Firma Rekall Incorporated angeboten, denn sie bieten einen vollkommen sorgenfrei und erholsamen Urlaub an -ohne überhaupt zu vereisen. Denn im Gehirn des Kunden werden einfach die gewünschten Erinnerungen implantiert, sodass es sich so anfühlt als hätte er zwei Wochen erholsamen Urlaub hinter sich. Was sich gleichzeitig wie eine Traumvorstellung eines jeden Arbeitgebers anhört, da seine Mitarbeiten dann keinen realen Urlaub mehr benötigten, kann sich sehr schnell ins Negative wenden. Vor allem bei den neuen Angeboten, wo der Konsument sogar die Möglichkeit bekommt seine Identität innerhalb seiner Erinnerungen zu verändern und einen regelrechten Egotrip vollziehen kann. Wie jede neue technische Entwicklung gibt es eine Kehrseite der Medaille, denn als Douglas Quaid zu Rekall geht, um sich neue Erinnerungen zu implantieren, läuft etwas schief und das ist die ideale Exposition für einen aufreibenden Science-Fiction-Action-Film von Regisseur Paul Verhoeven.
Die Geschichte wurde nicht exakt von Dicks Vorlage übernommen und lässt u.a. ein paar psychologische Dialoge über Wahrnehmung, Realität und Traum wegfallen, aber primär handelt es sich um einen Actionfilm (und so sollte er auch bewertet werden), der in einer durchdachten Geschichte gekleidet worden ist. Als Zuschauer ist man gespannt, wie sich das Geschehen entwickelt und bei jeder Wendung muss erwogen werden, um es vielleicht eine falsche Fährte ist oder vielleicht doch die Wahrheit offenbart. Die Ausweglosigkeit eines Einzelnen gegen einen ganzes System von Intrigen wurde von Arnold Schwarzenegger souverän verkörpert und vor allem sein Körper ist es, der von allen Tritten, Schlägen und Schüssen beinahe unversehrt bleibt. Die Unverletzlichkeit des Körperlichen auf der einen Seite und die schnelle Manipulation der Gedanken und Erinnerungen auf der anderen Seite, lässt sogar einen kleinen Spielraum zu dem Dualismus-Diskurs von Körper und Geist offen. Und der Geist und die innewohnenden Erinnerungen sind es, die Douglas Quaid zu einem ambivalenten Filmcharakter werden lässt, denn dem Zuschauer ist nicht gewiss, ob es sich um einen Helden oder einen Schurken handelt.
„Total Recall“ zählt zu den letzten großen Filmen, bevor durch die Computeranimation ein neuer Evolutionsschritt in Hollywood vollzogen worden ist. Bei der analogen Tricktechnik waren die Gegenstände am Set noch physisch vorhanden und Mutationen oder hervorquellenden Augen wurden mithilfe von Masken, Make-up und mechanischen Vorrichtungen erzeugt. Miniaturbauten wurden verwendet um die Größe des Mars zu illustrieren und in jeder Sekunde ist der chaotische und dreckige Look der später 1980er Jahre Filme zu spüren. Doch dieser Aufwand kostet Geld und daher wurde das Budget sogar um fünf Millionen US-Dollar überzogen, sodass der Film mit Kosten von ca. 60 Millionen US-Dollar zu den teuersten Filmen seiner Zeit zählt. Belohnt wurde es durch fabelhafte Einspielergebnisse, denn in den USA spielte er 120 Millionen US-Dollar ein und im Rest der Welt noch zusätzliche 270 Millionen US-Dollar (Bei diesen Zahlen kann sogar das aktuelle Remake von Len Wiseman nicht mithalten) und die Effektkünstler wurden im Jahre 1991 mit einem Sonderoscar für die besten visuellen Effekte ausgezeichnet.
Nach 22 Jahren wirken die Effekte nicht mehr so beeindruckend wie zur Entstehungszeit und erscheinen zuweilen sogar ein wenig comichaft. Die Vorstellung von der Welt von Morgen ist immer gekoppelt mit den technischen Gegebenheiten der Gegenwart und daher wirken viele technischen Geräte antiquiert und würde heute nicht mehr in dieser Form Eingang in einen Science-Ficiton-Film finden, da sie sogar zum Teil in einer anderen Form bereits existieren. Doch die Optik und Ausstattung des Films kann nach 22 Jahren noch immer begeistern und wenn es nur der Tatsache geschuldet ist, dass die Optik des Films in der heutigen digitalen Filmproduktion gar nicht mehr in dieser Form möglich ist. Es ist handelt sich um keine sterile und kühle Welt von Morgen, sondern diese Welt von Morgen ist von Schmutz und Dreck gekennzeichnet. Innerhalb des phantastischen Films sorgt die Brutalität für einen harten Realismus, denn nach Kämpfen und Schusswechseln verlieren die Menschen ihre Gliedmaßen oder ihr Leben und Verhoeven ist dafür bekannt, dass er die Gewaltszenen detailliert bebildert und nichts weichspült. (Der Film musste vor dem Kinostart in den USA sogar noch einmal geschnitten werden, da er sonst nicht die Freigabe R-Ratetd bekommen hätte). Diese harte physische Gewalt durchzieht den gesamten Film und fast die komplette Filmographie von Verhoeven. Oft wurde ihm vorgeworfen, dass die Brutalität nur Effekthascherei sei und das Gewalt nur als ein unterhaltsames Spektakel dargestellt werde, welcher zur Trivialisierung und zur Abstumpfung führe. Dieser Vorwurf wird im Film darüber hinaus noch durch die lakonischen Sprüche von Arnold Schwarzenegger genährt.
Entkräften kann man diesen Vorwurf nicht und es wird vermutlich immer zwei Lager geben, die die übermäßige Gewalt im Film kritisieren und diejenigen, die diesen harten Realismus zu schätzen wissen. Wobei die erste Fraktion sich vermutlich prinzipiell im Genre des Actionfilms nicht Zuhause fühlen wird.
Fazit:
Das Spiel mit den Erinnerungen wurde gekonnt in einem großartigen Actionfilm eingebettet und lassen den Zuschauer in einer wendungsreichen Geschichte mitfiebern. Das Alter des Films bleibt stets spürbar und während manche Szenen antiquiert wirken mögen und selbst der zynische Humor manchmal ein wenig albern wirken mag (elektronischer Taxifahrer), lebt der Film von der Atmosphäre und dem Zeitgeist der 1980er und 1990er Jahre und kann mit einem souverän agierenden Arnold Schwarzenegger, harter physischer Gewalt und einem großartigen Finale zu überzeugen wissen.