AW: Missing in action
Missing in Action
angeregt durch den "Zuletzt gesehen"-thread, hab ich mich mal berufen gefühlt, eine kleine KK zu verfassen, die diesmal wirklich (ich schwör') nur eine kleine ist
Mitte der 1980er stand der reaktionäre, politisch völlig unkorrekte Actionfilm in seiner vollkommensten Blüte. Mit „Rambo II“ hatte Sylvester Stallone mal eben das Trauma einer ganzen Generation aufgearbeitet und somit den Weg für eine kurze, produktive Heerschar an epigonenhaften Trittbrettfahrern geebnet, von denen „Missing in Action“ sicher zu den populärsten Vertretern gehört (auch wenn ich es zeitlich nicht ganz peile: „Rambo 2“ ist von 1985, „Missing in Action“ jedoch aus dem Orwell-Jahr ’84).
Die Story ist rasch erzählt: Colonel Braddock (Chuck Norris) ist seinerzeit die Flucht aus einem vietnamesischen Kriegsgefangenenlager gelungen. Nun kehrt er zehn Jahre später nach Vietnam zurück, um an einer Tagung teilzunehmen, auf der der ehemalige Feind verkündet, dass es keinerlei amerikanische Gefangene mehr im Lande gibt. Mr. Roundhouse Kick sieht das natürlich anders und macht sich mit einem alten Kumpel auf in den Dschungel, um ein dort noch existierendes Lager auszuheben.
Zitat Leatherface: "Wo Cannon drauf steht, ist auch Cannon drin." Heute, im Jahr 2012, sind die Filme aus der ehemaligen B-Film-Schmiede in vielen Dingen eher unfreiwillig komisch anzusehen: die Darsteller rangierten meist auf unterstem Niveau, die Drehbücher wurden offenbar auf öffentlichen Toiletten verfasst und strotzten nur mit reaktionären Gedankengut, und mit ordentlich Budget konnte man auch selten glänzen. Dafür war man allerdings ungemein produktiv und brachte seine ganz eigenen Stars hervor, von denen sich vor allem Chuck Norris und Kollege Michael Dudikoff hervortaten. Ersterer wurde als schweigsamer Draufgänger Kult und zum Internet-Phänomen, zweiterer ist mit dem Ende von Cannon total in der Versenkung verschwunden.
Wenn man diese Filme in der Blüte seiner Jugend zum ersten Mal gesehen hat und praktisch mit ihnen aufgewachsen ist, wird man sie vermutlich mit gewisser Verklärung betrachten. Da das bei mir aber nun mal der Fall ist, nehme ich mir die Freiheit, ganz durch die rosarote Jugendsündenbrille zu schauen (wobei ich eigentlich schon 15 oder 16 gewesen sein dürfte, als ich olle Chuck zum ersten Mal in den Dschungel aufbrechen sah) und „Missing in Action“ (dessen Handlung nun auch nicht blöder als die von z.B. „Rambo 2“ ist, den immerhin die heilige Filmkuh James Cameron erdacht hat) einen hohen Unterhaltungswert zu bescheinigen, der auch anno 2012 kaum etwas von seinem faszinierenden Gesamtbild verloren hat.
Chuck Norris ist kein Oscar-Verdächtiger, aber für die Rolle des Col. Braddock ist er einfach nur perfekt und durfte in selbige immerhin noch zweimal schlüpfen, da sich der Film bei den Fans großer Beliebtheit erfreute. Sein Filmkumpel M. Emmett Walsh wäre heute die nervende lustige Nebenrolle (und vermutlich schwarz), aber ist 1984 ein markiger, eigener Charakter, dessen Running Gag, auf keinen Fall an Land gehen zu wollen, gut funktioniert.
Die Musik von Cannon-Hauskomponist Jay Chattaway ist knackig, zackig und geht gut ins Ohr (und wurde von Chattaway in den folgenden Jahren bis zum Erbrechen in anderen Filmen wieder- und wiederverwendet), und Regisseur Joseph Zito („Red Scorpion“) lässt den Fuß nahezu permanent auf dem Gaspedal, so dass in „MIA“ keine Langeweile aufkommt.
Braddock ist kein Veteran mit einem Trauma, wie es Kollege John Rambo (zumindest in Teil 1 noch) ist und will sich als Film entsprechend auch keine Anklage an ein ganzes System verstanden wissen. Vielmehr soll das Schamgefühl über eine Niederlage filmisch umgekehrt werden, was vielleicht moralisch und politisch im Jahr 2012 verwerflich erscheinen mag, aber um solchen Kleinkram hat sich 1984 nunmal niemand geschert: die Guten sind gut (und meist weiß), die Bösen sind böse (und Asiaten). Und Bürokraten sind internationales, unnützes Geschmeiß, das kein Mensch braucht. So einfach ist das.
Glücklicherweise, denn so bleibt dem geneigten B-Action-Fan einer der interessantesten und bekanntesten Vertreter seiner Zunft, der auch 2012 noch viel Spaß macht, wenn man das Hirn abschaltet und seine Freude an handgemachter Action ohne irgendwelchen Firlefanz und technischen Schnickschnack haben will. Es wird geballert, geprügelt und gesprengt. Und das nicht zu knapp.
Mir gefällts, deshalb klare Empfehlung (auch für die Sequels, was das betrifft)