AW: Der Pianist
Vielleicht war Pathos das falsche Wort, aber ich hatte es auch nur im Konjunktiv angewendet. Ich meinte damit eher die Gefühlsmanipulation. Aber du wirst die Rezi dazu bestimmt schon entdeckt haben.
Natürlich! Das kann ich völlig nachvollziehen, da hier wohl jeder seine Grenzen selbst definiert. Aber wie gesagt war das eher eine unglückliche Wortwahl von mir.
Da rennst du bei mir offene Türen ein. Vor allem deshalb weil die Geschichte niemals aufgearbeitet wurde und viel zu viele Fragezeichen offen sind. Besonders was die wirkliche Geschichte der Deutschen in dieser Zeit betrifft. Die wurde aber, wie so oft zitiert, von den Siegern geschrieben. Allerdings gibt es da eben wesentlich mehr zu wissen als in den Schulbüchern steht. Denn auch hier herrschte bestmögliche Manipulation und Propaganda.
hatte deine Kritik und die Diskussion bei Schindler gelesen, kann aber grad nicht wirklich mitreden, da mir der Film einfach dazu nicht mehr präsent genug ist.
Letztendlich ist aber das, was bei unserer jüngeren Geschichte hängenbleibt. "Die bösen Deutschen" Meine Schulzeit ist ja auch schon lange her. Weiß daher nicht mehr genau, wie das Thema in der Schule aufbereitet wurde. Kann mich aber daran erinnern, daß mein damaliger Deutsch/Geschichtslehrer uns wie er sagte, verbotenerweise, Bilder aus einem Buch gezeigt hat, die man so nicht in den üblichen Schulbüchern findet. Die Bilder zeigten dann was man den Menschen in den KZs angetan hat. Was man für grausame Experimente damals durchgeführt hat. Und das was mein Lehrer da tat, war einfach prägend und sagte glaub ich mehr aus, als man den Schulbüchern entnehmen konnte.
Für mich war auch ein Urlaub mit meinen Eltern sehr prägend. Kann mich nur noch vage erinnern, aber in einem Urlaub, ich war noch ein kleines Kind, haben wir ein KZ besichtigt. Und ich weiß nicht, ob es so war aber ich meine, daß in der Gaskammer Kratzspuren an den Wänden waren. Vielleicht habe ich es fantasiert, ich weiß es nicht, vielleicht war es auch in dem Alter einfach zu früh, so einen Ort zu besuchen.
Ich weiß auch nicht, wie man "richtig" dieses Thema aufbereiten soll/muß oder kann. Aber mir hat zumindest die KZ-Besichtigung Dachau vor einigen Wochen sehr viel gebracht. Mein Kumpel und ich hatten uns für eine Führung entschieden und unsere Führerin (hm grad nicht wirklich passend, mir fällt aber grade nicht ein, wie ich sie anders nennen soll) hat uns die Geschichte sehr sachlich nahe gebracht. Sie selbst war Sprachtherapeutin oder so etwas in diese Richtung und italienischer Abstammung. Manchmal war sie mir von ihrer Art her zwar ein wenig zu "locker", hat aber in den entsprechenden Momenten den nötigen, sachlichen Ton angeschlagen.
Auf jedenfalls kann ich die Emotionen, bestehend aus Wut, Trauer, Haß, Fassungslosigkeit, Leere gar nicht in Worte fassen, die ich während der Besichtigung hatte. Anfangs stand man an dem Ort, an dem die Züge einfuhren und hier schon die Menschen aussortiert wurden. Anschließend gings dann Richtung Tor "Arbeit macht Frei", welches mir dann durchschritten und dann buchstäblich in der Hölle auf Erden angekommen waren. Ich weiß es nicht mehr genau, aber dieses Areal des KZ war wohl nur ein kleiner Teil, wie die Führerin uns sagte, da das ganze Areal wohl 10 mal (ich weiß es nicht mehr genau) größer wahr. Es waren ja auch die Soldaten dort stationiert. Es gab Kräutergärten und so weiter. Nach dem durchschreiten des Tors gings dann in die ersten Räumlichkeiten. Weiß nicht mehr wie sie hießen. Auf jeden Fall wurde den Menschen hier
die letzte Menschlichkeit geraubt. Von Kleidern, Besitztümern, die sie evtl noch hatten befreit und dann mit einer Nummer versehen. Die Tätowierung, die man wohl kennt, ist aber nicht stellvertretend für alle KZs, da jedes die "Kennzeichnung" wohl anders abhielt. In Dachau wurden Nr. vergeben. Als wir dann zu einer Deutschland-Karte kamen, hatte ich für meinen Teil das erste Mal das ganze Ausmaß gesehen. Ich dachte bisher immer, es gäbe ein paar KZs. Aber es waren in so gut wie in jeder größeren Stadt Lager vorhanden. Frauen und ich glaub auch Kinder kamen in separate Lager. Bisher dachte ich auch immer, daß es "nur" diesen typischen Judenstern gab. Aber es gab weit mehr als das. Diese Wimpel gabs in unterschiedlichen Ausführungen. Auch Verbrecher, Nutten und Schwule wurden mit entsprechenden Farben gekennzeichnet, da diese ja nicht als Menschen galten. Je nach schwere gabs noch Streifen, die dann zusätzlich angebracht wurden. Besonders schwere Fälle (so auch hinsichtlich Fluchtgefahr) erhielten dann noch rote Punkte an der Kleidung. Diese waren für die Scharfschützen gedacht. Auf dem Appell-Platz gabs wohl morgens eine Zählung und Abends nach der Arbeit -und auch heute bekannte ortsansässige Firmen, bedienten sich dieser Arbeiter. Als Tot galt, wer abends nach der Arbeit nicht mehr stehen konnte. Weiterhin besichtigten wir den Bunker. War mir auch gar nicht so bewußt, daß es dort riesige Gefängnisse gab. Anschließend gings dann über einen riesigen Platz auf dem die Baracken standen. Ich glaub 22 waren es. Richtung Verbrennungsofen. Weil der erste später nicht mehr ausreichte wurde ein neuer dort gebaut. Zuerst mußten die Menschen in die Desinfektionskammer, was nichts anderes bedeutete, daß sie hier die Kleidung abgeben mußten, welche dann für die nächsten weiter verwendet wurden. Anschließend gings dann in den Warteraum von dem aus es dann ins Brausebad ging. Die Gaskammer in Dachau war aber nie in Betrieb. Warum konnte wohl nie geklärte werden. Im nächsten Raum wurden dann die Leichen gestapelt bevor sie verbrannt wurden. 4 Ofen (ich glaub je Ofen eine Kapazität von 3 Leichen) waren dort vorhanden. Unsere Führerin erzählte uns dann, das später sich die Leichen quasi überall stapelten, da keine Kohle für die Verbrennung mehr vorhanden war! Die, die nicht das "Glück" hatten, verbrannt zu werden, vegetierten und starben aufgrund der katastrophalen Bedingungen (Seuchen, durch die nicht verbrannten Leichen, Krankheiten etc). Eigentlich ein vollkommen absurder Gedanke, Teile des Areals durften nicht besichtigt werden, weil die Bundespolizei (oder welche grad auch immer das war) dort noch in den Original-Gebäuden ihre Büros und Trainingsplätze haben.
Dachau war, wie sie sagte, das erste KZ seiner Art und diente als "Vorbild" für alle anderen. Hier befand sich auch das Ausbildungslager für die SS bzw. Offiziere. Und Anfangs war es gar nicht für die Zwecke konzipiert, von dem man wohl im Allgemeinen ausgeht. Es wurden zunächst Deutsche dort eingesperrt. Politische Gegner und dergleichen.
Oh man, irgendwie bin ich total abgeschweift. Aber dies waren jetzt auch nur die negativen Seiten. Wie Du schriebst, wäre es auch wirklich mal interessant zu wissen, was um dieses ganze drumherum noch war. Es kann ja nicht alles nur schlecht gewesen sein. Aber es scheint nach wie vor ein Tabu-Thema zu sein. Es hatte doch vor einiger Zeit mal eine Moderatorin oder so mal was gesagt, so hinsichtlich Familienpolitik oder ähnliches, wobei hier gleich wieder die Empörung groß war. Es scheint wirklich so, als ob wir bis in alle Ewigkeit Abbitte leisten müssen. Warum muß z. B. erste eine Fußball-WM im eigenen Land kommen, bei der man auch mal Stolz sein darf Deutscher zu sein und mit Fahnen am Auto durch die Gegend zu fahren, ohne dass man gleich schief angeschaut oder gar blöde angemacht wird?
Ich habe leider nicht wirklich fundierte Geschichtskenntnisse, aber Grausamkeiten gab es immer und überall. Aber wir deutschen müssen hier auch m. E. wieder, typisch deutsch, maßlos übertreiben. Oder ist meine und folgende Generation/en einfach zu blauäugig hinsichtlich der Dimension, die das ganze annahm, in dem wir sagen, irgendwann muß auch mal gut sein damit?