Melancholia

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.402
Ort
Garma
Filmkritiken
185

Melancholia


Achtung! Hier sind ein paar Spoiler enthalten. Lesen auf eigene Gefahr!

Der Planet Melancholia rast auf die Erde zu und bereits in den ersten Minuten des Films sehen wir das Ende der blauen Kugel. Wie ein Staubkorn wird sie von einem Giganten zur Seite geschoben. Diese Eröffnungssequenz erinnert einen natürlich direkt an "Antichrist".
Majestätische Bilder in Verbindung mit klassischer Musik, gab es dort schon einmal zu bewundern. Allerdings ist so etwas bei dieser Ästethik einfach nur wunderbar. Direkt zu Beginn saugt der Film einen dadurch in die Leinwand. Cut!

Wir begleiten ein Brautpaar zu ihrer Hochzeitsfeier. Das Glück und die Heiterkeit währt allerdings nicht lange. Justine leidet an Depressionen, die Schubweise auch den eigentlich glücklichsten Tag ihres Lebens beeinflussen und letztendlich auch zerstören. Dieser von Lars von Trier als Teil 1 deklarierte Plot, bleibt die komplette Laufzeit auf der Hochzeit, die in Ansätzen an "Das Fest" erinnert. Ihre Verwandschaft ist bis auf ihre Schwester Claire nicht gerade traumhaft und auch Teile der übrigen Gäste mag man nicht unbedingt als Freunde haben. Dieser Part des Films wird wieder im Dogma Stil vorgetragen, was Gegnern der Home-Video-Wackel-Kamera absolut nicht zusagen wird. Eher dokumentarisch wohnt man den Gegebenheiten bei, die allerdings sehr viel Aufschluß über die Hauptpersonen geben. Wer also darauf hofft das Bruce Willis mit ein paar Sprengköpfen die Erde rettet, sollte von Melancholia weiten Abstand gewinnen. Dafür gibt es aber unglaublich einfühlsame und interessante Charaktere, die von Kirsten Dunst und Charlotte Gainsbourg phänomenal wiedergegeben werden. Auch der weitere Cast ist mit John Hurt, Charlotte Rampling, Kiefer Sutherland und Stellan Skarsgard unglaublich gut besetzt.

Allerdings verlangt der komplette Part den Zuschauern einiges ab. Man muss konzentriert bleiben und sich auf die Geschehnisse einlassen. Hier steht nämlich keineswegs der bevorstehende Weltuntergang im Vordergrund, wobei auch hier fantastische Bilder serviert werden. Dies hat meist mit einer unglaublich starken Ausleuchtung der Sets zu tun, aber auch die brillanten Dialoge sorgen weiterhin für ungemeines Interesse. Sofern man etwas für Dialoge übrig hat.

Der zweite Teil des Films, der vom Regisseur auch extra so betitelt wurde, löst den Dogma Stil ab und versprüht Ruhe. Ungemeine Ruhe. Die beiden Schwestern befinden sich auf dem Gelände des reichen Ehemanns von Claire. Nur ihr Sohn und ihr Mann ist noch anwesend. Langsam aber sicher beschäftigt man sich mit dem näher kommenden Planeten. Claire wird immer panischer und hat tiefergehende Angst, das Melancholia das Leben ihrer Familie auslöscht. Justine dagegen taut aus ihrer tiefen Depression langsam wieder auf und durch den bevorstehenden Tod kommt wieder Leben in sie. Zum ersten Mal bringt man sie mit Freude und Sehnsucht in Verbindung. Sehnsucht nach Melancholia. Die Charaktere der Schwestern tauschen langsam die Rolle, genau wie es bei der Kameraführung geschehen ist. Jetzt bereitet uns von Trier ein melancholisches Fest für die Sinne, bei dem ich unglaublich dankbar bin, dabei gewesen sein zu dürfen.

Der Film ist ein unheimlicher Brocken, der nur schwer zu verdauen ist. Nach dem Film bin ich erstmal eine Kippe rauchen gegangen und schlenderte ziellos in der Kinogegend umher. Bei einem Italiener bestellte ich mir unbewußt einen Cognac, obwohl ich nur sehr selten Alkohol trinke. Möglicherweise um das Gesehene besser zu verdauen, aber da wird der Cognac nicht ausreichen. Ich schätze das ich Melancholia noch eine Zeit lang verarbeiten werde.
 
Zuletzt bearbeitet:

Willy Wonka

Locationscout
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
22.037
Ort
Twin Peaks
Filmkritiken
126
AW: Melancholia

Großartige Kritik zu einen der besten Filme des Jahres. Danke dafür.

deadlyfriend schrieb:
Der Film ist ein unheimlicher Brocken, der nur schwer zu verdauen ist.

Auch bei wirkten die Bilder, die aufgewühlten Emotionen und diese Melancholie nach und zu Beginn konnte ich noch gar nicht richtig über den Film sprechen, da so viele Dinge noch verarbeitet werden mussten.

Man fühlt bei diesem Film eindeutig Triers depressiven Charakter er hat es irgendwie vollbracht, dass er seine Depressionen in visuellen Bildern verarbeiten konnte, sodass jetzt viele Zuschauer daran teilhaben konnten.

Ich vergleiche den Film sehr gerne mit „Tree of Life", welchen ich erst ein paar Monate vorher gesehen habe, da beide Filme eine ruhige Aura ausstrahlen und die Dialoge und die Charaktere im Vordergrund stehen. Bei „Tree of Life" ist die Schöpfung im Mittelpunkt und bei „Melancholia" der Untergang und daher wirken beide Filme zueinander sehr gegensätzlich in ihrer Thematik, aber sehr ähnlich in ihrer ruhigen Inszenierung. Bei „Tree of Life" habe ich leider keinen Zugang gefunden, weil er an vielen Stellen zu esoterisch wirkte und meiner Meinung nach zu sehr Klischees eines Arthouse-Films bedient. Triers Film hingegen hat mich direkt ab der erste Minute gepackt und mich nicht mehr losgelassen. Diese düstere, melancholische Aura ist einfach einzigartig und die Schauspieler sind absolut göttlich in ihren Rollen.
 

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.402
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Melancholia

Großartige Kritik zu einen der besten Filme des Jahres. Danke dafür.

Danke:kiss: Ich war mir gar nicht sicher ob ich schon eine schreiben kann. Kann sein das ich sie irgendwann ändere, wenn ich den Film ein paar mal gesehen habe.
Ich brauche aber unbedingt noch eine Zweitsichtung im Kino!

Auch bei wirkten die Bilder, die aufgewühlten Emotionen und diese Melancholie nach und zu Beginn konnte ich noch gar nicht richtig über den Film sprechen, da so viele Dinge noch verarbeitet werden mussten.

Ja, das mit dem Cognac und dem Italiener war auch kein Scherz von mir. Irgendwie wollte ich einfach alleine sein. Ich war glücklicherweise auch allein im Kino. Der wirkt total nach. Immer wenn ich die Augen schließe sehe ich den Planeten und die drei im Vordergrund. Einfach der Wahnsinn!

Man fühlt bei diesem Film eindeutig Triers depressiven Charakter er hat es irgendwie vollbracht, dass er seine Depressionen in visuellen Bildern verarbeiten konnte, sodass jetzt viele Zuschauer daran teilhaben konnten.

Daran dachte ich auch. Das war zum greifen nah. Perfektes Kino das aus der Realität geboren wurde. Das sind für mich die absoluten Sternstunden. Alles andere ist ja immer ganz nett, aber sowas packt mich einfach richtig.

Ich vergleiche den Film sehr gerne mit „Tree of Life", welchen ich erst ein paar Monate vorher gesehen habe, da beide Filme eine ruhige Aura ausstrahlen und die Dialoge und die Charaktere im Vordergrund stehen. Bei „Tree of Life" ist die Schöpfung im Mittelpunkt und bei „Melancholia" der Untergang und daher wirken beide Filme zueinander sehr gegensätzlich in ihrer Thematik, aber sehr ähnlich in ihrer ruhigen Inszenierung. Bei „Tree of Life" habe ich leider keinen Zugang gefunden, weil er an vielen Stellen zu esoterisch wirkte und meiner Meinung nach zu sehr Klischees eines Arthouse-Films bedient. Triers Film hingegen hat mich direkt ab der erste Minute gepackt und mich nicht mehr losgelassen. Diese düstere, melancholische Aura ist einfach einzigartig und die Schauspieler sind absolut göttlich in ihren Rollen.

Ich habe "Tree of Life" nicht gesehen. Die angesprochene Esoterik-Schiene hat mich auch ein wenig abgeschreckt. Wenn er draußen ist, werde ich ihn aber sicherlich mal leihen. Ich bezweifel aber das die beiden Filme für mich auf dem gleichen Level sein werden. Aber mal abwarten.
Lars von Trier hat mich aber, wie dich auch, in der ersten Minute in der Tasche gehabt. Der Prolog mit Wagner unterlegt war einfach gigantisch. Die Charakterbildung sagenhaft und was Kirsten Dunst da abgezogen hat, einfach nur phänomenal. Ich mochte sie zwar schon immer aber heute liege ich ihr zu Füßen. Was ich nebenbei auch interessant fand: Selten war eine Nacktszene so wichtig wie in diesem Film. Das war Poesie pur und verlieh ihr eine unglaubliche Tiefe.
 

Willy Wonka

Locationscout
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
22.037
Ort
Twin Peaks
Filmkritiken
126
AW: Melancholia

Ich brauche aber unbedingt noch eine Zweitsichtung im Kino!

Ich bin gerade auch am Überlegen, ob ich ein zweites Mal ins Kino gehe.

Der Prolog mit Wagner unterlegt war einfach gigantisch.

Das war wirklich phänomenal und hätte gerne noch länger gehen können.

Was ich nebenbei auch interessant fand: Selten war eine Nacktszene so wichtig wie in diesem Film. Das war Poesie pur und verlieh ihr eine unglaubliche Tiefe.

Wobei viele Zuschauer wahrscheinlich vor allem als erstes über die Nacktszenen reden und womöglich ihre Performance darauf reduzieren.
 

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.402
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Melancholia

Wobei viele Zuschauer wahrscheinlich vor allem als erstes über die Nacktszenen reden und womöglich ihre Performance darauf reduzieren.


Die sind mir ja völlig egal, wenn sie die Szene nicht verstehen;) Vielleicht war das sogar die wichtigste Nacktszene die ich bislang in einem Film gesehen habe. Natürlich nicht die als sie die Badewanne steigt, sondern die als sie sich im Schein des Planeten sonnt. Das war einfach nur perfekt und hat viel über sie ausgesagt. In vielen Szenen sind Nacktszenen ja wirklich eher publikumswirksam, aber für den Verlauf der Handlung unwichtig. Hier war sie einfach nur brillant und unglaublich wichtig! Bei dieser Stelle spürte man ihre Sehnsucht nach Melancholia am stärksten.
 

Willy Wonka

Locationscout
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
22.037
Ort
Twin Peaks
Filmkritiken
126
AW: Melancholia

Natürlich nicht die als sie die Badewanne steigt, sondern die als sie sich im Schein des Planeten sonnt.

Richtig. Wobei diese Szene auch ihre Zerbrechlichkeit unterstrichen hat. Diese Funktion haben wohl die meisten seriösen Nacktszenen in Filmen.

Das war einfach nur perfekt und hat viel über sie ausgesagt. In vielen Szenen sind Nacktszenen ja wirklich eher publikumswirksam, aber für den Verlauf der Handlung unwichtig. Hier war sie einfach nur brillant und unglaublich wichtig! Bei dieser Stelle spürte man ihre Sehnsucht nach Melancholia am stärksten.

Sie hat sich förmlich dem Untergang hingeben und es war der absolute Ausdruck ihrer Todessehnsucht.
 

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.402
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Melancholia

Sie hat sich förmlich dem Untergang hingeben und es war der absolute Ausdruck ihrer Todessehnsucht.

Genauso habe ich es auch empfunden. Das war einfach zu spüren!

Wie interpretierst du das vorschnelle Ableben von John? Ich war überrascht, das er sich für diesen Weg entschieden hatte. Allerdings fand ich Kiefer Sutherland wirklich gut in der Rolle und er hatte so gar nichts mehr von Jack Bauer. Sein Blick als er vor dem Selbstmord begreift das Melancholia zurückkommt, war erste Sahne.
Trotzdem warf das für mich Fragen auf.
Ich empfand es folgendermaßen: Als er seiner Frau nur unterschwellig mitteilen wollte, das sich die Wissenschaftler ja auch irren könnten und darauf eine Überreaktion bekam, er sich das nicht antun wollte. Flucht sozusagen, anstatt seine Familie mit der Wahrheit konfrontiert zu sehen.
 

Willy Wonka

Locationscout
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
22.037
Ort
Twin Peaks
Filmkritiken
126
AW: Melancholia

Trotzdem warf das für mich Fragen auf.
Ich empfand es folgendermaßen: Als er seiner Frau nur unterschwellig mitteilen wollte, das sich die Wissenschaftler ja auch irren könnten und darauf eine Überreaktion bekam, er sich das nicht antun wollte. Flucht sozusagen, anstatt seine Familie mit der Wahrheit konfrontiert zu sehen.

Ich habe es auch als eine Flucht wahrgenommen. Er wusste einfach nicht, wie er es seiner Frau hätte beibringen können. Er hat in sich nicht mehr die Kraft gesehen seine Frau zu beruhigen oder etwas zu unternehmen. Er wirkte im Film immer als das starke Geschlecht und als rationaler Wissenschaftler und daher wäre er mit den Fülle der verschiedenen Emotionen nicht mehr zurecht gekommen. Ihm fehlte es an Gefühl und vor allem an Feingefühl für menschlichen Beziehungen zu problematischen Menschen, was anhand seiner Schwägerin deutlich wurde und seine Frau war im Begriff sich in diese Richtung zu entwickeln. Möglicherweise fühlte er sich sogar auf eine merkwürdigerweise verantwortlich, weil er dem Ereignis zu entgegenfieberte und lange Zeit die mögliche Katastrophe nicht in Betracht zog.
Er entschied sich also für den einfacheren und rationaler Weg und wählte den Freitod.
 

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.402
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Melancholia

Dann haben wir das dann doch sehr ähnlich wahrgenommen.:hoch:

Es freut mich übrigens das ich heute Abend mit Dir direkt einen Gesprächspartner gefunden habe. Hatte schon gedacht das ich mit meinen Gedanken alleine hier sitzen werde.:kiss:Jetzt muss ich aber gleich ins Bett und vom Planeten träumen.:)
 

TheBjoern

Filmstar
Registriert
1 Apr. 2009
Beiträge
1.833
Ort
irgendwo im schönen Münsterland
Filmkritiken
13
AW: Melancholia

Eine schöne Diskussion hat sich hier entwickelt. Nur schade, dass ich heute Abend nicht mit einsteigen konnte. Denn ich war mit Willy zusammen in der Premiere und mich hat der Film auch umgehauen.

Den Vergleich zu Antichrist habe ich auch sofort gezogen. Die Overtuere ließ dieses Gleichnis einfach zu. Wobei die Overture von Melancholia eher einer Collage gleicht, um eine besondere Grundstimmung zu erzeugen während die von Antchrist die Handlung auf dramatische Weise in Bewegung setzt.

Zum Glück haben wir den Film im O-Ton gesehen, denn sonst hätte uns beiden der Auftritt von Kiefer Sutherland zu sehr an Jack Bauer erinnert. Seine originale Stimme klingt grundverschieden gegenüber der deutschen Syncro.
 

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.402
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Melancholia

Eine schöne Diskussion hat sich hier entwickelt. Nur schade, dass ich heute Abend nicht mit einsteigen konnte. Denn ich war mit Willy zusammen in der Premiere und mich hat der Film auch umgehauen.

Das war auch mal der Grundgedanke des Monatsfilms. Dadurch das der Willy und ich den Film zeitnah gesehen haben, konnten wir uns vortrefflich darüber unterhalten.

Den Vergleich zu Antichrist habe ich auch sofort gezogen. Die Overtuere ließ dieses Gleichnis einfach zu. Wobei die Overture von Melancholia eher einer Collage gleicht, um eine besondere Grundstimmung zu erzeugen während die von Antchrist die Handlung auf dramatische Weise in Bewegung setzt.

Der Vergleich lag natürlich aufgrund der Visualisierung nahe, aber inhaltlich gehen die Szenen natürlich einen völlig anderen Weg. Viele Dinge des Beginns hat man im laufenden Film auch wiedererkannt und wenn es nur ein Bild in einem Buch war.

Zum Glück haben wir den Film im O-Ton gesehen, denn sonst hätte uns beiden der Auftritt von Kiefer Sutherland zu sehr an Jack Bauer erinnert. Seine originale Stimme klingt grundverschieden gegenüber der deutschen Syncro.

Ich fand aber das er sich in der Rolle sehr weit von Jack Bauer entfernt hat. Kiefer Sutherland ist meines Erachtens ein sehr guter Schauspieler dem jetzt allerdings das Jack Bauer Syndrom anhängt. Da muss er sich jetzt erstmal wieder befreien. Mit dieser Darstellung ist ihm das meines Erachtens hervorragend gelungen.

Der Film schwirrt mir heute übrigens immer noch ständig im Kopf rum. Wie erwartet hallt er nach. Meine ersten Gedanken heute Morgen nach dem Aufwachen, galten dem Film.
 

Die wilde 13

Storyboard
Teammitglied
Registriert
12 Nov. 2008
Beiträge
18.267
Ort
Duckburg
Filmkritiken
113
AW: Melancholia

Soeben aus dem Kino gekommen. Ein großartiger Film!
Ich war glücklicherweise auch allein im Kino. Der wirkt total nach.
Hier lief der Film in einem kleinem Filmkunsttheater. (Astra). Es waren so ca. 20 Leute anwesend und nach dem letzten Bild war es während dem Abspann muxmäuschenstill. Ich war ja auch zunächst unfähig, mich zu bewegen...

Und nach dem Nachhauseweg im Regen sind in der Essener Innenstadt noch komplett die Strassenlaternen aausgefallen. Das passte irgendwie zu meiner Stimmung.
Was ich nebenbei auch interessant fand: Selten war eine Nacktszene so wichtig wie in diesem Film. Das war Poesie pur und verlieh ihr eine unglaubliche Tiefe.
Sie hat sich förmlich dem Untergang hingeben und es war der absolute Ausdruck ihrer Todessehnsucht.
Vor allem die Totale aus Claires Sicht war ein Traum von einem Bild. Sehr bewegend.

Ihm fehlte es an Gefühl und vor allem an Feingefühl für menschlichen Beziehungen zu problematischen Menschen, was anhand seiner Schwägerin deutlich wurde und seine Frau war im Begriff sich in diese Richtung zu entwickeln. Möglicherweise fühlte er sich sogar auf eine merkwürdigerweise verantwortlich, weil er dem Ereignis zu entgegenfieberte und lange Zeit die mögliche Katastrophe nicht in Betracht zog.
Er entschied sich also für den einfacheren und rationaler Weg und wählte den Freitod.
Sehe ich auch so. John war in gewisser Weise zu feige, seinen Irrtum vor Claire und seinem Sohn einzugestehen. Aber wer kennt das nicht, das man vor unbequemen Wahrheiten in welcher Form auch immer den Schwanz einzieht.

Zum Glück haben wir den Film im O-Ton gesehen, denn sonst hätte uns beiden der Auftritt von Kiefer Sutherland zu sehr an Jack Bauer erinnert. Seine originale Stimme klingt grundverschieden gegenüber der deutschen Syncro.
Ich fand aber das er sich in der Rolle sehr weit von Jack Bauer entfernt hat. Kiefer Sutherland ist meines Erachtens ein sehr guter Schauspieler dem jetzt allerdings das Jack Bauer Syndrom anhängt. Da muss er sich jetzt erstmal wieder befreien. Mit dieser Darstellung ist ihm das meines Erachtens hervorragend gelungen
Da macht es sich ja mal wieder positiv bemerkbar, das ich kein Serienjunkie bin. ;) Ich kenne 24 so gut wie gar nicht und konnte daher sein hervorragendes Spiel ohne Vorbehalt genießen. :hoch:

Kirsten Dunst ist aber der absolute Wahnsinn. Selten eine so gute deutsche Schauspielerin gesehen.
Während Claire quasi das normale, mitunter spießige Leben repräsentiert, z.B. die minutiös geplante Hochzeit, mit all den Ängsten vor Unsicherheit und Tod ist Justine durch ihr Wesen das totale Gegenteil. Sie hat eher Angst vor dem Leben, ist aber frei von irgendwelchen Zwängen und Konformitäten. Sie kann die wenigen schönen Augenblicke des Lebens spontan genießen (Sex mitten auf dem Golfplatz) oder ohne Reue ihren Chef die harte Wahrheit ins Gesicht schleudern. Da kommt man mitunter ganz schön ins schleudern, welches Leben den das wahrhaftigere ist...
 

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.402
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Melancholia

Soeben aus dem Kino gekommen. Ein großartiger Film!

Hier lief der Film in einem kleinem Filmkunsttheater. (Astra). Es waren so ca. 20 Leute anwesend und nach dem letzten Bild war es während dem Abspann muxmäuschenstill. Ich war ja auch zunächst unfähig, mich zu bewegen...

Der nächste der verzaubert wurde:)

Vor allem die Totale aus Claires Sicht war ein Traum von einem Bild. Sehr bewegend.

Genau dieses Bild. Es ist der Wahnsinn. Das werde ich auch nie wieder aus dem Kopf bekommen.


Sehe ich auch so. John war in gewisser Weise zu feige, seinen Irrtum vor Claire und seinem Sohn einzugestehen. Aber wer kennt das nicht, das man vor unbequemen Wahrheiten in welcher Form auch immer den Schwanz einzieht.

Dann denke ich mal das wir die Szene in etwa gleich sehen. Wobei ich nicht sicher bin, ob es nur seine Fehlbarkeit ist, die er nicht zugeben wollte. Durch die Szene, als er die Möglichkeit eines Irrtums eingeräumt hatte und seine Frau sofort in Panik ausbrach, könnte ich mir auch vorstellen, das er sich seine Familie in Todesangst nicht antun wollte/konnte.



Da macht es sich ja mal wieder positiv bemerkbar, das ich kein Serienjunkie bin. ;) Ich kenne 24 so gut wie gar nicht und konnte daher sein hervorragendes Spiel ohne Vorbehalt genießen. :hoch:

Da ich ja weit vor 24 schon viele Filme mit ihm gut fand, hatte ich da auch keine Probleme. Er hatte aber während 24 auch ein oder zwei Filme, wo die Rolle ähnlich angelegt war und er dann dadurch auch fast gleich spielte. Ich hatte schon Angst das man ihn nur noch so zu sehen bekommt, aber jetzt bin ich ja beruhigt:D

Kirsten Dunst ist aber der absolute Wahnsinn. Selten eine so gute deutsche Schauspielerin gesehen.

Naja, halbe Deutsche;) Aber davon völlig unabhängig ist sie einfach nur brillant. Ich bin mal gespannt ob sie für den Oscar nominiert wird.

Während Claire quasi das normale, mitunter spießige Leben repräsentiert, z.B. die minutiös geplante Hochzeit, mit all den Ängsten vor Unsicherheit und Tod ist Justine durch ihr Wesen das totale Gegenteil. Sie hat eher Angst vor dem Leben, ist aber frei von irgendwelchen Zwängen und Konformitäten. Sie kann die wenigen schönen Augenblicke des Lebens spontan genießen (Sex mitten auf dem Golfplatz) oder ohne Reue ihren Chef die harte Wahrheit ins Gesicht schleudern. Da kommt man mitunter ganz schön ins schleudern, welches Leben den das wahrhaftigere ist...

Schwierige Frage aber Justine ist ja teilweise nicht mal mehr fähig selbstständig zu leben. Das stelle ich mir nicht so prickelnd vor. (Der Hackbraten schmeckt nach Asche) Andererseits hatte sie keine Angst mehr irgendwas zu verlieren. Egal wie, ich fand beide Rollen hervorragend angelegt und als sie zu dritt auf Melancholia warten ist das einfach eine unglaubliche Szene. Justine verharrt still und genießt es fast, Claire in Heulkrämpfen versunken und ihr Sohn schließt nur noch die Augen.

Für mich in jedem Fall ein Film der in meiner ewigen Topfilm-Liste eine gute Platzierung belegen würde, wenn ich eine erstellt hätte. ;) In jedem Fall steht er weit über dem Ami-Zeugs das die meiste Zeit so über den Teich schwappt. Das mag aber auch an mir liegen. Ich kann diesen ganzen konstruierten Kram im Moment nicht mehr sehen. Melancholia trieb einfach vor sich hin, entwickelte sich, aber steuerte nie den Zuschauer. Ich drurfte mit ihm zusammen in einer eigenen Welt versinken und nicht einfach nur zusehen. Ganz fantastisch fand ich übrigens, das keine religiöse Suppe da unter gebracht wurde. Es gab keine Gott oder Sinnfrage. Es ist einfach passiert.
 

Willy Wonka

Locationscout
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
22.037
Ort
Twin Peaks
Filmkritiken
126
AW: Melancholia

Die wilde 13 schrieb:
Soeben aus dem Kino gekommen. Ein großartiger Film!

Und noch einer. :hoch:


Mich würde interessieren wie ihr die Aufteilung des Films interpretiert? Und wie sich beide Teile des Films gegenseitig beeinflussen. So wird in der zweiten Hälfte fast gar kein direkt Bezug mehr zu ersten Hälfte genommen. Nur „Melancholia" und die Anzahl der Erbsen (oder was sich im Glas befand) finden ebenfalls im zweiten Part Erwähnung.
 

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.402
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Melancholia

Und noch einer. :hoch:


Mich würde interessieren wie ihr die Aufteilung des Films interpretiert? Und wie sich beide Teile des Films gegenseitig beeinflussen. So wird in der zweiten Hälfte fast gar kein direkt Bezug mehr zu ersten Hälfte genommen. Nur „Melancholia" und die Anzahl der Erbsen (oder was sich im Glas befand) finden ebenfalls im zweiten Part Erwähnung.


Die Aufteilung sehe in den Depressionen der beiden Schwestern. Der erste Teil (Justine) zeigt ihre Depression und die rationelle Schwester. Der zweite Teil (Claire) dann eben wie sie langsam da rein gleitet und Justine eben abgeklärter wird.

Die erste Hälfte dient für mich als Charakterzeichnung der beiden, ohne den Teil 2 nicht funktionieren würde. Teil beide Frauen in eine Skala von 0-100. Zu Beginn des Films sind beide auf gleichem Level. Sie sind irgendwo gleichauf. Nehmen wir 50:50. Schon bald nähern sich die ersten Depressionsschübe von Justine und die Skala sinkt von 50:50 auf 30:70. Zu Beginn von Teil 2 ist es eine 0:100. Justine ist nicht mal mehr lebensfähig, während Claire alles im Griff hat. Je näher der Planet kommt gleichen sie sich wieder an. Am Ende hat Justine die 100 und Claire, als weinendes Elend, ist nun genauso arm dran wie ihre Schwester zu Beginn von Teil 2.

Ein weiterer Bezug zu Teil 1 muss nicht mehr genommen werden. Die Umgebung von Justine hat sich an ihrer Hochzeit offenbart und erledigt. Alles ist gesagt und man kann ahnen warum Justine so ist, wie sie ist.
 

Tarantino1980

Screenplay
Teammitglied
Registriert
25 Aug. 2008
Beiträge
23.932
Ort
Città di Giallo
Filmkritiken
236
AW: Melancholia

Heute nach der Arbeit war es dann auch endlich bei mir so weit. Ich habe ihn gesehen! Ich war in Bonn in einem kleinen Programm Kino dem Rex. Dort war ich noch nie, also bin durch simples Googlen auf dieses Kino aufmerksam geworden. Es hat Charme, aber die Leinwand ist leider etwas zu klein und die Sitze sind alles andere als bequem. Aber das alles hat mich nicht gesört bei so einem Film. Ich war bereits nach den ersten Bilder komplett im Bann von Melancholia!

Zunächst einmal muss ich sagen das mir Deine Kritik deadly außerordenlich gut gefallen hat :hoch:

Wie bereits gesagt war ich auch nach den ersten Bildern total hin und weg. Allerdings habe ich sie zu Anfang noch anders wargenommen. Für mich waren sie zunächste aus einer Traumwelt von Justine entsprungen. Das sie dann später Wirklichkeit wurden war der absolute Wahnsinn :eek:. Aber dazu später mehr!

Ich fühlte mich in meiner Theorie in der ersten hälfte des Filmes auch bestätigt da man eine realisitsche Welt geboten bekam. Zwar mit einer sehr sonderbaren Justine, aber Bilder die der Zuschauer auf jeden Fall noch alle unter einen Hut bekommt.

Die zweite Hälfte des Filmes ist dann wirklich Filmkunst pur. Was man da stellenweise für schöne Bilder geboten bekommt ist wirklich phänomenal. Mich hat z.B auch die Einstellung total überwälltigt als Justine und Claire das erste mal ausreiten und man die schöne Landschaft in Nebel eingehaucht aus der Vogelperspektive betrachtet, einfach herrliche Bilder. Und dann natürlich eine Szene die sich wohl für immer in mein Filmauge eingebrannt hat. Nicht weil man Kirsten Dunst nackt sah sondern...


Sie hat sich förmlich dem Untergang hingeben und es war der absolute Ausdruck ihrer Todessehnsucht.

... aus diesem Grund. Das hast Du perfekt formuliert Willy und ich sehe es genauso. Man könnte es natürlich auch als "Verückt" auslegen das sie sich nackt in dieser Situation "sonnt". Aber genauso wie Du habe ich diese Szene auch empfunden. Nackt wie Gott sie schuff liegt sie da im Licht des Planeten Melancholia, völlig hingebungsvoll. Die Worte "Ich bin bereit zu sterben" stehen ihr quasi auf dem kompletten Körper geschrieben. Eine wahnsinnin intensive Szene, vom Set und der Ausleuchtung mal ganz zu schweigen, was auch einfach nur ein Traum war. Ich könnte mir vorstellen das dieses Bild als Kunstdruck verdammt oft über die Ladentheke gehen wird. Einfach nur perfekt fotographiert diese Szene!

Wie interpretierst du das vorschnelle Ableben von John?

Ich habe da auch den selben Interpretationsansatz wie ihr. John war für mich im gesamten Film der einzig rationale Charakter. Der Fels in der Brandung, ein Wissenschaftler für den es nur logische Handlungsweisen gibt. Er war der festen Überzeugung das seine Berechnungen stimmen und Melancholia nicht die Erde trifft sondern nur an ihr vorbeifliegt. Als er dann merkte das dem nicht so ist konnte er es nicht verarbeiten. Es war zuviel für ihn. Zum einen die bittere Erkenntnis der eigenen Fehlbarkeit, zum anderen die offenbar unüberwindbare Hürde der Wahrheit! Ich denke er wusste einfach keinen Weg wie er seiner Frau und seinem Sohn das hätte beibringen können. Deshalb der Freitod.

Mich würde interessieren wie ihr die Aufteilung des Films interpretiert? Und wie sich beide Teile des Films gegenseitig beeinflussen.

Hier bin ich mir noch nicht ganz so sicher. Ich denke deadlys Ausführungen kommen dem schon sehr nahe. In der ersten Hälfte sieht man Justine die im Prinzip alles hat. Einen guten Job inkl. einer Beförderung, einen frisch angetrauten Mann und eine Traumhochzeit mit einem Mann der sie offenbar aus tiefsten Herzen liebt! Trotzdem wirkt sie immer bedrückt, unglücklich was sie ja auch zum Ende der Feier sehr deutlich zeigt das sie offenbar dieses viele Glück nicht wirklich verarbeiten kann. Eigentlich hat sie alles wovon viele Leute träumen, aber sie kann es nicht genießen und ist unglücklich.

In der zweiten Hälfte des Filmes, eher gesagt in den ca. letzten 15 min blüht sie regelrecht auf. Die äußeren Umstände sind so düster wie sie nur sein können, sprich die Gewissheit ist da das Melancholica auf die Erde aufprallen wird. Claire, was natürlich nur zu verständlich ist, verzweifelt an der Situation und wird wahnsinnig. Justine hingegen blüht richtig auf, wird klar und hat die Kraft die Claire nicht mehr hat. Das finde ich zeigt sich am deutlichsten als Sie zum Schluß mit dem Sohn die Zauberhöle baut und das in einer Seelenruhe, vollkommen ausgeblendet das die Welt kurz vor ihrem Ende steht. Ich glaub, egal wie sehr man sein Kind liebt, diese Kraft in so einer Situation aufzubringen ist fast unmöglich, was man ja auch an Claire sehr gut sah. Sie hatte noch einen hoffnungslosen Versuch unternommen mit ihrem Sohn zu flüchten, aber es war nur eine kopflose Aktion ohne jeglichen Verstand, aber leider nur allzu nachvollziehbar. Aber Justine, die vorher noch nicht mal für sich selbst sorgen konnte, zuschweige denn Verantwortung für andere übernehmen konnte, war in dieser Situation übermenschlich. In dieser Situation bewahrt sie die Ruhe, ergibt sich vollkommen dem Schicksal und hilft ihrem Neffen die letzten Minuten auf Erden postiv und angstfrei zu erleben.

Dann die letzte Szene. Wieder eine Szene die mein Filmauge nie wieder vergessen wird. Ich habe noch nie so eine emotionale und realistische Szene vom Ende der Welt gesehen. Ganz ohne patos, ohne Ausweg und vorallem konsequent durchgezogen. Die meisten Filme dieser Art haben zumindest ein Mini Happy End. Anders dieser Film! Die Bilder waren einfach nur überwältigend und der Score, genauso wie zu Anfang des Films phänomenal. Man wurde regelrecht in den Sitz gepresst.

Und dann...

nach dem letzten Bild war es während dem Abspann muxmäuschenstill. Ich war ja auch zunächst unfähig, mich zu bewegen...

Genauso war es auch in der heutigen Kinovorstellung bei mir. Ich war auch unfähig mich zu bewegen. Mir war zum einen klar das der Film direkt nach der Explosion enden wird, alles andere wäre unlogisch gewesen aber dennoch war ich total benommen. Eine Mischung aus Schock, bewunderung für den gesehenen Film und der Versuch das Gesehene zu verarbeiten. Als ich aus dem Kino rausging war mir z.B noch nicht so klar wie jetzt, warum der Film ausgerechnet mit einer Hochzeit anfängt. Man hätte eigentlich auch jede andere Familienfeier als Teil 1 nehmen können, aber ich bin der definitiven Auffassung das von Trier die Hochzeit bewusst gewählt hat um eben zu unterstreichen wie perfekt doch das Leben von Justine eigentlich ist. Welche Frau träumt nicht von so einer Hochzeit auf so einem Anwesen. Alles war perfekt und dennoch war sie nicht glücklich. Ich denke diesen Charakterzug hätte er mit einer xbeliebigen Feier nicht so klar darstellen können. Zunächst ist man zwar von dem gesehen aus Teil 1 etwas überrumpelt und man fragt sich wo der Bezug zu Teil 2 ist, aber wenn man sich mit dem Film beschäftigt wird dies einem klarer!


Und nach dem Nachhauseweg im Regen sind in der Essener Innenstadt noch komplett die Strassenlaternen aausgefallen. Das passte irgendwie zu meiner Stimmung.

Lustigerweise hat es in Bonn heute auch Bindfäden geregnet. Ich hatte zwar nur einen 5 min Weg bis zum Auto, aber auf dem nach Hause weg war ich wirklich sehr in Gedanken. Ich hatte sogar die Auffahrt zur Autobahn verpasst, was mir noch nie passiert ist. Und es lag nicht am Regen ;)

Also wenn Kirsten Dunst für diese Rolle keinen Oscar bekommt dann werde ich die Oscars boykotieren, denn dann würde es dort nicht fair zugehen. Ihr Darstellung der Justine war phänomenal! Kaum zu glauben das es die selbe Kirsten Dunst war die lieblos in drei Spider-Man teilen mitgewirkt hat. Also für mich unfassbar. Sie hat den Charakter von Justine so intensiv gespielt, so real und vorallem glaubhaft. Und wenn man dann die sonst so fröhliche, liebe und nette Kirsten Dunst im Hinterkopft hat, ist es definitiv ein großes Talent was sie besitzt und hier in diesem Film zeigen konnte! Das wäre genau dasselbe als wenn Tom Hanks einen Bösewicht spielen würde den man als Zuschauer haßt, eine regelrechte antipatie gegen ihn aufbauen würde. Nicht das Tom Hanks je so eine Rolle gespielt hat oder spielen wird, aber so in etwas ordne ich die Leistung von Kirsten Dunst in diesem Film ein. Also einfach grandios!

Wertung: 9/10
 

Willy Wonka

Locationscout
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
22.037
Ort
Twin Peaks
Filmkritiken
126
AW: Melancholia

Die Aufteilung sehe in den Depressionen der beiden Schwestern. Der erste Teil (Justine) zeigt ihre Depression und die rationelle Schwester. Der zweite Teil (Claire) dann eben wie sie langsam da rein gleitet und Justine eben abgeklärter wird.

Für mich war der Fokus im ersten Teil eindeutig auf Justine gerichtet und ihre Schwester wurde nebenbei eingeführt, um später im zweiten Teil auch darauf Bezug nehmen zu können.

Hier bin ich mir noch nicht ganz so sicher. Ich denke deadlys Ausführungen kommen dem schon sehr nahe. In der ersten Hälfte sieht man Justine die im Prinzip alles hat. Einen guten Job inkl. einer Beförderung, einen frisch angetrauten Mann und eine Traumhochzeit mit einem Mann der sie offenbar aus tiefsten Herzen liebt! Trotzdem wirkt sie immer bedrückt, unglücklich was sie ja auch zum Ende der Feier sehr deutlich zeigt das sie offenbar dieses viele Glück nicht wirklich verarbeiten kann. Eigentlich hat sie alles wovon viele Leute träumen, aber sie kann es nicht genießen und ist unglücklich.

Genau das ist für mich eine der deutlichsten Entwicklungen, welche direkt auf Lars von Trier schließen, denn er entwirft eine Umgebung und ein Bild, womit jeder Mensch positive Assoziationen besitzt - die eigene Traumhochzeit. Genau diesem Klischee läuft er zuwider, indem er die Depressionen von Justine offenbart. Ständig ist sie unter dem gesellschaftlichen Druck glücklich sein zu müssen und vor allem, wenn es alles von einem erwarten, ist man es nicht. Und genau dieser Punkt ist für die meisten Menschen bei einer Depression nicht nachvollziehbar, was im Film durch die verschiedenen Familienmitglieder und Freunde verdeutlicht wird. Alles läuft anscheinend perfekt im Leben und doch gibt es die Fangarme der Depression, die dich hinunterziehen. Dieses Bild wurde für mich auch schon in der Ouvertüre mit den Ästen der Bäume visualisiert.

Doch woher rührt diese negative Einstellung von Justine? Natürlich kann eine Depression vielen verschiedenen Quellen entstammen, aber im Film wird sie meiner Meinung nach von Melancholia ausgelöst. Während der Hochzeitsfeier weiß Justine bereits, dass der Untergang der Welt bevorsteht, da sie die Gabe besitzt, Dinge im voraus zu wissen. So muss sie während der Hochzeitsfeier mit dem bevorstehenden Untergang der Welt zurechtkommen. Das erklärt vielleicht das Verlassen des Ehemanns, weil sie die letzten Stunden ihres Lebens doch nicht mit diesem Mann verbringen will. Es erklärt den zufälligen Sex auf dem Golfplatz, weil sie sich abreagieren musste oder einfach gerade Lust dazu verspürte und sie hat mehrmals versucht mit ihrer Mutter oder mit ihrem Vater zu sprechen, weil ihr etwas auf der Seele liegt. Ihren Vater überredet sie sogar in der Villa zu übernachten, damit er während des Weltuntergangs dabei sein kann.

Die erste Hälfte des Films zeigt wie Justine mit dem Weltuntergang umgeht und in der zweiten Hälfte wird dann ihre Schwester genauer porträtiert, denn jetzt fühlt sie, dass das Ende der Welt kommen wird und sie reagiert genauso emotional - aber anders - auf diese Reaktion. Zwischenzeitlich beruhigt sie sich wieder, aber als sie endgültige Gewissheit besitzt, dreht sie genauso durch wie Kirsten Dunst zu Beginn des zweiten Teils, als sie nicht einmal mehr selbständig in die Badewanne gehen konnte. Ab der Mitte des zweiten Parts findet sich Justine langsam mit dem Ende ab und sehnt sich sogar dem Ende (Todessehnsucht). Sie versucht die letzten Stunden normal zu leben und hilft sogar dem Kind diese Situation zu angenehm wie möglich zu bereiten (Bau der Höhle).

Wie bei anderen Untergangsfilmen verwendet Trier verschiedene Typen von Menschen, aber in diesem Film hat jeder ein bestimmte Bedeutung.

John steht für die wissenschaftliche und rationale Annäherung an den Weltuntergang, die beiden Schwerstern decken fast alle emotionale Reaktionen auf den künftigen Weltuntergang ab und die vielen verschiedenen Hochzeitsgäste symbolisieren die Gesellschaft, welche keine Toleranz für Depressionen und „Verrückte“ besitzt, wobei unter den Familienmitglieder noch weitere Charakterisierungen vorgenommen worden sind wie z.B. die Zynikerin (Mutter), dem Optimisten (Vater), den Otto-Normal-Verbraucher (Michael) oder die Leute, welche bis zuletzt ihren Beruf ausüben und immer wie ein Uhrwerk funktionieren (Hochzeitsplaner, der Chef von Justine). All diese Charaktere gibt es in den meisten anderen „Katastrophenfilmen“ auch, aber meist wirken sie nur wie Schablonen und Mittel zum Zweck.
 

Die wilde 13

Storyboard
Teammitglied
Registriert
12 Nov. 2008
Beiträge
18.267
Ort
Duckburg
Filmkritiken
113
AW: Melancholia

Mich hat z.B auch die Einstellung total überwälltigt als Justine und Claire das erste mal ausreiten und man die schöne Landschaft in Nebel eingehaucht aus der Vogelperspektive betrachtet, einfach herrliche Bilder.
Ja, eine wundervolle Szenerie. :hoch:

Und dann natürlich eine Szene die sich wohl für immer in mein Filmauge eingebrannt hat. (...) Eine wahnsinnin intensive Szene, vom Set und der Ausleuchtung mal ganz zu schweigen, was auch einfach nur ein Traum war. Ich könnte mir vorstellen das dieses Bild als Kunstdruck verdammt oft über die Ladentheke gehen wird. Einfach nur perfekt fotographiert diese Szene!
Dieses Bild habe ich immer noch 1:1 im Kopf und das wird mit Sicherheit irgendwann bei mir an der Wand landen. Dieser Moment hatte sowas magisches an sich, das einem fast die Tränen kommen.


Dann die letzte Szene. Wieder eine Szene die mein Filmauge nie wieder vergessen wird. Ich habe noch nie so eine emotionale und realistische Szene vom Ende der Welt gesehen. Ganz ohne patos, ohne Ausweg und vorallem konsequent durchgezogen. Die meisten Filme dieser Art haben zumindest ein Mini Happy End. Anders dieser Film! Die Bilder waren einfach nur überwältigend und der Score, genauso wie zu Anfang des Films phänomenal. Man wurde regelrecht in den Sitz gepresst.
Alles andere als dieses konsquente Ende wäre auch eine maßlose Entäuschung gewesen. Man hat es so in etwa erwartet aber es dann so zu sehen war schon ein Schlag in die Magengrube. Perfekt gefilmt. :hoch:


Doch woher rührt diese negative Einstellung von Justine? Natürlich kann eine Depression vielen verschiedenen Quellen entstammen, aber im Film wird sie meiner Meinung nach von Melancholia ausgelöst. Während der Hochzeitsfeier weiß Justine bereits, dass der Untergang der Welt bevorsteht, da sie die Gabe besitzt, Dinge im voraus zu wissen. So muss sie während der Hochzeitsfeier mit dem bevorstehenden Untergang der Welt zurechtkommen. Das erklärt vielleicht das Verlassen des Ehemanns, weil sie die letzten Stunden ihres Lebens doch nicht mit diesem Mann verbringen will. Es erklärt den zufälligen Sex auf dem Golfplatz, weil sie sich abreagieren musste oder einfach gerade Lust dazu verspürte und sie hat mehrmals versucht mit ihrer Mutter oder mit ihrem Vater zu sprechen, weil ihr etwas auf der Seele liegt. Ihren Vater überredet sie sogar in der Villa zu übernachten, damit er während des Weltuntergangs dabei sein kann.
Wenn ich micht erinnere, haben Claire und auch John während der Hochzeit Justine mehrfach daran erinnert und auch gebeten, sich zusammenzureißen und sich nicht wieder hängen zu lassen. Daraus kann man schließen, das Justine schon vor Melancholia zu depressiven Schüben neigte. Für mich ist der Planet nicht der Auslöser ihrer dunklen Gedanken sondern der Erlöser.
Apropos Traurigkeit. Das von Trier in einem so melancholischen und bewegenden Film so kleine Momente der Heiterkeit einbaute, fand ich sehr gelungen. Die Anfahrt der Stretch-Limousine auf dem engen Waldweg, Udo Kier als Wedding Planer, der bei jedem Anblick von Justine seine Hände vor's Gesicht schlug, weil er ihr "seine" Veranstaltung versaute, Justine etwas verwirrter Vater (klasse;John Hurt), der sogar seine Tochter als "Betty" bezeichnete (im Brief) und einige weitere kleine Momente, wo ich schmunzeln musste. Diese Szenen wirkten nie deplaziert oder albern sondern gaben dieser mitunter grotesken Szenerie eine Warmherzigkeit, die Justine Seelenleben so fehlte. Einen ganz persönlichen Moment hatte ich, als Justine während der Feier ein Bad nahm und alle Gäste zum Tortenanstich auf sie warteten. Ich kann es nämlich gar nicht leiden, wenn jemand auch nur 5 Sekunden auf mich warten muss und in dem Moment habe ich Justine fast beneidet.
 

Willy Wonka

Locationscout
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
22.037
Ort
Twin Peaks
Filmkritiken
126
AW: Melancholia

Wenn ich micht erinnere, haben Claire und auch John während der Hochzeit Justine mehrfach daran erinnert und auch gebeten, sich zusammenzureißen und sich nicht wieder hängen zu lassen. Daraus kann man schließen, das Justine schon vor Melancholia zu depressiven Schüben neigte. Für mich ist der Planet nicht der Auslöser ihrer dunklen Gedanken sondern der Erlöser.

Zum Erlöser wird der Planet aber erst im zweiten Teil. Bei der Hochzeitsfeier leidet Justine unter dem kommenden Weltuntergang. Es ist natürlich möglich, dass sie vorher auch schon mal unter Depressionen gelitten hat, aber dieses mal muss der Planet der Auslöser sein. Dafür streut Trier einfach zu viele Hinweise, welche darauf schließen wie z.B. die Gabe, dass sie Dinge weiß (die exakte Anzahl der Erbsen), was in beiden Filmhälften thematisiert wird und sie sogar zu einem verbindenden Element macht. Und der Hilferuf zu ihren Eltern, welche aber nichts davon wissen wollen.

Apropos Traurigkeit. Das von Trier in einem so melancholischen und bewegenden Film so kleine Momente der Heiterkeit einbaute, fand ich sehr gelungen.

Die von dir beschriebenen Szenen fand ich auch sehr gut in den Film integriert und es sorgte zwischenzeitlich auch im Kino für Stimmung, wobei Trier es wirklich vortrefflich verstand diese Szenen nur kurz zu halten und niemals die eigentliche Stimmung und Aura des Films zu verändern.
 
Oben