Der Mann mit der Kamera

deadlyfriend

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Gesamtübersicht aller Kurzkritiken zu Der Mann mit der Kamera:

#02 11.07.08 deadlyfriend
 
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deadlyfriend

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Der Mann mit der Kamera


Der Mann mit der Kamera von Dziga Vertov ist mit nichts zu vergleichen was ich bislang gesehen habe. Im ersten Moment ist es eine Dokumentation über das russische Alltagsleben welches in verschiedene Themen unterteilt wurde. Mal ist es grob die Fortbewegung, mal die Arbeit dann auch wieder Sport und Freizeit. Im Mittelpunkt steht aber stets der Mensch und wie er sich den Fortschritt zu nutzen macht. Dabei benutzt er Bilder die ich 1929 kaum für möglich gehalten hätte. Erstmal von der technischen Seite gesehen, denn was Vertov uns an Perspektiven bietet muß in der damaligen Zeit bahnbrechend gewesen sein. Auch die Effekte die er durch Dopplungen, Bild im Bild und anderen Feinheiten aufzeigt ist für das Entstehungsjahr unfaßbar. Dann ist das Bildmaterial für dieses Jahrzehnt extrem ungewöhnlich. Oben ohne Aufnahmen und den Blick in den Schritt der Frau nach der Geburt, wären 80 Jahre später in den USA wahrscheinlich immer noch zensiert. Und das präsentiert uns Vertov in einer unglaublichen Schnittfolge. Dabei gibt es keine Schauspieler und auch keine Dialoge und somit natürlich auch keine Untertitel. Jeder der sich für das Medium Film interessiert kann an diesem nicht vorbeigehen.
Für jeden Filmstudenten sollte der in jedem Fall Pflicht sein.

Hinzu kommt bei der DVD die Möglichkeiten aus 3 verschiedenen Scores auszuwählen. Wegen einem dieser Dreien bin ich erst auf den Film gestoßen da er von der britischen Band "In the Nursery" komponiert wurde. Da mich diese Band seit Jahren fasziniert war es natürlich ein Pflichtkauf den ich jetzt in keinster Weise bereut habe. Der Score ist fantastisch und unterstützt das Bildmaterial äußerst eindringlich. Die anderen beiden habe ich noch nicht gehört aber ohne diese Musik kann ich mir die Bilder nun schwer vorstellen. Obwohl sie 70 Jahre nach dem Film entstanden ist .
 

Farman

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AW: Der Mann mit der Kamera

Diese Kritik hatte ich ja fast vergessen.
Mittlerweile kenne ich ihn auch. Ohne ihn bislang so genau verstanden zu haben, ist mein erster Eindruck einfach: Wow. Das war was besonderes. Beim ersten Sehen ist es schwer, genau zu bestimmen, worum es eigentlich geht, man ist eher mitgerissen von dieser Bilderflut und dieser Perfektion. Ich werde ihn mir bei passender Gelegenheit nochmals ansehen.

Ich habe ihn übrigens auch mit dem Soundtrack von "In the Nursery" gesehen.
 

deadlyfriend

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AW: Der Mann mit der Kamera

Ich bin begeistert das sich den wirklich jemand angesehen hat:respekt:
Wie hat dir denn der Score gefallen?
 

Farman

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AW: Der Mann mit der Kamera

Ich bin begeistert das sich den wirklich jemand angesehen hat:respekt:

Mit mir kannst du bei so nem Kram immer rechnen ;)
Und warum auch nicht, der Film sieht mir schwer nach einem Meilenstein aus.

Wie hat dir denn der Score gefallen?

Von der Band hatte ich vorher noch nix gehört. Der Sound war extrem hypnotisch und gab dem Bilderreigen einen eigenartigen Rhythmus. Inwiefern er das Filmerlebnis beeinflusst hat, ist noch ne gute Frage, aber ich würde den Film jetzt auch lieber nicht mehr mit einem anderen Soundtrack schauen.
 

Willy Wonka

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AW: Der Mann mit der Kamera

Für jeden Filmstudenten sollte der in jedem Fall Pflicht sein.
Genau deswegen habe ich den Film auch heute in einem Dokumentarfilmseminar gesehen. ;) Deine Kritik hatte ich noch im Hinterkopf, wobei ich sie damals nur überflogen hatte, weil ich selten Kritiken lese bevor ich mir einen Film ansehe.

Sehr viel vermag ich aktuell auch nicht zum Film zu schreiben, da ich das Gesehene erst einmal verarbeiten muss.

Hinzu kommt bei der DVD die Möglichkeiten aus 3 verschiedenen Scores auszuwählen.

Das war mir gar nicht bewusst. Welche Musik ertönt denn, wenn man nichts bei der DVD auswählt und den Film direkt startet? Auf jeden Fall bin ich gerade ziemlich gespannt auf die anderen musikalischen Untermalungen, obwohl mir die Musik zum Film heute sehr gefallen hat. Einziger Kritikpunkt wäre für mich die häufige Wiederholung der gleichen Arrangements, aber auch das lässt sich mit dem „Kreislauf" der Bilder erklären.
 

deadlyfriend

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AW: Der Mann mit der Kamera

Genau deswegen habe ich den Film auch heute in einem Dokumentarfilmseminar gesehen. ;) Deine Kritik hatte ich noch im Hinterkopf, wobei ich sie damals nur überflogen hatte, weil ich selten Kritiken lese bevor ich mir einen Film ansehe.

Noch einer, der ihn sich angesehen hat:rock:

Sehr viel vermag ich aktuell auch nicht zum Film zu schreiben, da ich das Gesehene erst einmal verarbeiten muss.

Ich bin gespannt.



Das war mir gar nicht bewusst. Welche Musik ertönt denn, wenn man nichts bei der DVD auswählt und den Film direkt startet? Auf jeden Fall bin ich gerade ziemlich gespannt auf die anderen musikalischen Untermalungen, obwohl mir die Musik zum Film heute sehr gefallen hat. Einziger Kritikpunkt wäre für mich die häufige Wiederholung der gleichen Arrangements, aber auch das lässt sich mit dem „Kreislauf" der Bilder erklären.

Ich weiß absolut nicht mehr, ob man auswählen muß oder ob der Film mit einer Musik startet. Ich habe wie gesagt natürlich den Score von "In the Nursery" gewählt. Da du ja wie ich gerade gesehen habe den Film gekauft hast, kannst du ihn dir ja ebenfalls mal damit ansehen. Auch hier bin ich sehr gespannt, wie du die Musik dazu findest.
 

Willy Wonka

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AW: Der Mann mit der Kamera

Ich weiß absolut nicht mehr, ob man auswählen muß oder ob der Film mit einer Musik startet. Ich habe wie gesagt natürlich den Score von "In the Nursery" gewählt. Da du ja wie ich gerade gesehen habe den Film gekauft hast, kannst du ihn dir ja ebenfalls mal damit ansehen. Auch hier bin ich sehr gespannt, wie du die Musik dazu findest.

Ich hoffe, dass ich die DVD in den nächsten Tagen ankommt, sodass ich den Film am Wochenende dann noch mal einlegen kann. Laut den Angaben im Internet ist eine Tonspur mit der Musik von Michael Nyman (2002), Werner Cee (2005) und eben von In The Nursery (1999). Ich gehe aktuell davon aus, dass ich die Musik von Nyman gehört habe, den ich als Komponisten auch sehr schätze.

Hast du dir schon mal das Bonusmaterial der DVD angesehen? Nach der Beschreibung (ein Filmessay von Thomas Tode) klingt es sehr interessant.
 

Willy Wonka

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Ich habe mir den Film am letzten Wochenende direkt ein zweites Mal angesehen, aber wieder wählte ich die bereits gehörte Musik, da sie doch einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen hatte. Die zweite Sichtung war noch einmal intensiver und vor allem bei manchen Szenen wollte die Gänsehaut gar nicht mehr nachlassen. Vor allem gen Ende war die lange Sequenz mit der Kamera, wie sie jetzt vollkommen zu Leben erwachte, für mich einfach atemberaubend.

Anschließend habe ich mir noch einige Stellen sowohl mit der Musik von Werner Cee und als auch von In the Nursey angesehen, die riesige Unterschiede zu den Orchesterkompositionen des Michael Nymans offenbarten. Werner Cees Begleitung wirkte auf mich am experimentellsten, da er zwischen musikalischen Klangeindrücken auch viele Geräusche aus der Industrie, der Natur und nicht direkt ortbare Quellen verwendet hat. Die Musik scheint allein schon eine eigene Dramaturgie zu besitzen.

Die Musik von In the Nursey wirkte für mich fast vollkommen diametral zu Nymans Kompositionen, da die ruhigen elektronische Klänge selbst die schnell rhythmisierten Bildabfolgen im Vergleich zu Nyman unaufgeregt begleitet. Jede Musik lässt den Film sehr unterschiedlich wirken, sodass es den Eindruck erweckt, dass es sich beinahe um unterschiedliche Filme handeln könnten. In Zukunft werde ich mir diesen Film auf jeden Fall noch komplett in den anderen Tonfassungen ansehen, aber mein Favorit ist aktuell natürlich die Musik von Michael Nyman.

Der Film selbst besitzt durch seinen mannigfaltige Eindrücken, Sequenzen und Themen so viel Interpretationsraum, dass ich es gar nicht vermag alles in Worte zu fassen. Vielleicht ist das auch bewusst so gewählt, denn schließlich wollte Vertov eine internationale Filmsprache erschaffen, die sich von dem literarischen Skelett und den anderen Künsten distanziert und sich vollkommen der Kamera als vollendetes Auge widmet. Während beider Sichtungen musste ich auch unwillkürlich an Chris Markers „Sans Soleil“ denken, denn auf mich wirkten die Filme wie ein geistiger Zwilling. Beide befassen sich mit den kreativen wie auch technischen Möglichkeiten der Filmkamera und lassen im Fokus des Films den Kameramann rücken. Marker entwickelt die Filmsprache von Vertov weiter, indem er Ton hinzufügt sich spezifischer mit Themen auseinandersetzt, aber schlussendlich versuchen beide Regisseure den Prozess der Abbildung von Wirklichkeit durch Selbstreferentialität und der geschilderten Manipulation/Selektion der Bilder sowie der Montage zu ergründen. Während Vertov mit seiner Montage den Chaos des Alltags ordnen und für den menschlichen Verstand greifbar und für's menschliche Auge erfassbar machen möchte, ergründet Marker mithilfe des Videosynthesizers die Authentizität des Bildes und versucht mit erweiterten technischen Apparaturen die Umwelt ebenfalls zu ordnen und gleichzeitig damit die menschlichen Erinnerungen zu beeinflussen.

Vertov kann und wurde auch der Vorwurf gemacht, dass seine Bilder oft nur einen reinen Selbstzweck verfolgen. Sie scheinen für ein Publikum gemacht worden zu sein, die so die kindliche Schaulust annähmen und dadurch die Film mit anderen Augen wahrnehmen können (Kinder sind auch ein zentrales Motiv des Films), wohingegen der Essayfilm von Marker mithilfe der Monologe eine metaphysische Ebene erreicht, die Vertovs Film nur in einer intensiven Nachbesprechung erfahren könnte, aber dann meist nur als marginales Thema, da diese Themen reflexive Ebene oft durch den politischen Hintergrund des Films und Vertovs verdrängt werde.
 
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