Capote

deadlyfriend

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Capote


In autobiographischen Filmen wird oftmals die Glorifizierung einer Person betrieben. Dies schränkt meist den Blick für die Wahrheit ein. Was aber ist die Wahrheit? Ist es die jahrelange Betrachtung einer außenstehenden Person durch journalistische Beobachtung? Ist die Wahrheit nur durch den darzustellenden Menschen autorisierbar? Oder ist es eine Mischung von verschiedenen Komponenten, da die Wahrheit ein nie stillstehender Gedankengang ist, der sich je nach Perspektive stetig verändert?
Wie dem auch sei, der Filmtitel führt einen zumindest schon mal auf die falsche Spur. Erwartet man doch im ersten Step die Verfilmung eines Lebens, bekommt man hier nur 6 Jahre daraus serviert. Wer sich ausführlich für das Leben von Truman Capote interessiert wird also eher enttäuscht werden. Wer sich aber genau für diese 6 Jahre interessiert, die den Zeitrahmen betrachten in denen er sein bedeutenstes Werk "Kaltblütig" geschrieben hat, wird ein einfühlsames Drama betrachten was sehr intensiv gefilmt wurde.

Capote liest in einer Zeitung über einen 4-fachen Mord der ihn interessiert. Anfänglich nur als Bericht für die Zeitung geplant macht er sich auf den Weg um Hintergründe der Tat und deren Auswirkung auf die Bewohner der Stadt zu beleuchten. Von der Thematik und den Tätern gefesselt beschließt er das Drama in ein Buch zu transportieren und widmet mehrere Jahre seines Lebens den Recherchen. Dabei begleitet er die Täter von der Verhandlung an bis zur Todeszelle. Langsam aber sicher verändern die Geschehnisse seine Betrachtensweisen und er bewegt sich immer mehr in Richtung Nervenzusammenbruch.

Philip Seymour Hoffman verkörpert die Person Truman Capote nahezu perfekt. Sein Spiel ist über die gesamte Länge des Films äußerst detailreich und immer glaubwürdig. Gleiches gilt auch für alle weiteren Rollen. Obwohl es die erste Regiearbeit von Bennett Miller ist, kann auch er überzeugen. Die Grautöne des Films unterstreichen die melancholische Haltung des Films in allen Bereichen. Selbst wenn Capote mal wieder den Partylöwen spielt bleibt ein dunkler Schleier über den Bildern.
Die Person Truman Capote wird aber nie idealisiert was ein weiterer Pluspunkt ist. Nimmt er es doch selbst anscheinend mit der Wahrheit nicht ganz genau. In ihn reinschauen kann man aber nie. Was ist gespielt, was ist ehrlich? Wo liegt also die Wahrheit?

Da der Film einen Teil der von Capote autorisierten Biographie von Gerald Clarke darstellt, hätte ich den Film vorab anders eingeschätzt. Ich hatte in jedem Fall gedacht mehr über das Leben des Hauptprotagonisten zu erfahren was aber nicht der Fall ist. Dadurch wirkt der Film ein wenig austauschbar. Wie eine Geschichte die auch jemand anderem hätte passieren können. Capote steht zwar im Focus aber dieser Ausschnitt ist etwas zu klein um ihn sofort mit dem Schriftsteller in Verbindung zu bringen. Für ein normales Drama ist der Film aber wieder zu autobiographisch. Ein äußerst schmaler Grat der nicht genau zu definieren sein wird.
Ist das was ich schreibe aber nun die Wahrheit? Oder wechselt sie einfach mal wieder mit der Perspektive des Betrachters. Urteilt am besten selbst.
 

Travis

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AW: Capote

Kritik von Vince

CAPOTE
Ausschnitte aus meiner ofdb-Kritik

Das Biopic ist ein Genre, dem man durchaus mit Vorbehalten gegenüberstehen darf. Biopics glorifizieren Menschen. Natürlich nicht jedes seiner Art, und auch eher selten ganz bewusst. Aber sie stellen nun mal Individuen in den Mittelpunkt und schneiden damit scharf die Annahme, alle Menschen seien gleich. Daraus lässt sich ein bitterer Nachgeschmack filtern, der sich eben über das komplette Genre zieht - meines Erachtens eine Tatsache, die aus Respekt vor dem künstlerischen Wert all der technisch hochwertigen Biopics der letzten Jahre leider allzu oft totgeschwiegen wird. Und es ist nicht damit getan, wenn man der Schokoladenseite der betrachteten Person sozusagen noch als Ausgleich ein paar schlechtere Eigenschaften hinzufügt. Es stellt sich die Frage, inwieweit man das Portrait einer Person zu Unterhaltungszwecken zeichnen darf, als legitimierte Alternative zu puren Informationszwecken wie in einer Dokumentation.

“Capote” strukturiert sich nun nicht etwa durch das chronologische Leben des Schriftstellers oder einen ausladender erzählten Abschnitt aus einer wichtigen Phase seines Daseins, sondern durch die Intention der Hauptfigur: dem zum Tode verurteilten Mörder die Geschichte für seinen berühmten Tatsachenroman “Kaltblütig” zu entlocken.
Die Personenverfilmung verschafft sich Freiheiten, indem sie sich von der Person loslöst; von deren Biographie, Arbeit, Bedeutung für die Nachwelt. Der Fokus liegt elementar auf dem einen Ziel und Zweck, das Vertrauen des Mörders zu gewinnen und seine Geschichte zu erzählen, um ein großes Werk zu erschaffen, das ihn als Autoren nach vorne bringt.

Doch anstatt zu erörtern, weshalb Capote so herzlos agiert, anstatt etwa Erlebnisse aus der Vergangenheit einzubauen und damit naiv-kausal gegenwärtige Handlungsmuster zu erklären, lässt Miller weiß-kalte Bilder sprechen im Hier und Jetzt der Situation, welche man ganz alleine für sich selbst zu entschlüsseln hat. Als Capote am Telefon behauptet, es sei eine Qual für ihn, dass der Hinrichtungstermin verschoben worden sei, kann man dafür Verständnis aufbringen oder Unverständnis; als Capote dem Mörder beteuert, wie leid es ihm täte und er habe alles getan, was in seiner Macht stünde, kann man ihm die Reue glauben oder nicht. Die Entscheidung liegt ganz auf Seiten des Zuschauers.

Wenn diese Qualität nun einen Mangel an Zugänglichkeit und Identifikationspotenzial einfordert, werde ich das billigend in Kauf nehmen. Viele Kritiker bemängelten distanzierte Bilder und einen weit entfernten Protagonisten, in dessen Innenleben man trotz der genialen Schauspielerei nicht im entferntesten hineinsehen könne. In der Tat sind die Bildkompositionen steril. “Capote” ist sehr kalt fotografiert, auf einer Ebene zwar harmonisch, andererseits jedoch unnahbar, wie der Mann mit der Fistelstimme selbst. Begreift man dies jedoch als Schutzmechanismus gegen die Tücken eines Biopics, so wird deutlich, dass es gerade die Distanziertheit ist, die Millers Arbeit so auszeichnet. Sie ist im Grunde kein Mangel, sondern eine notwendige - und beinahe gar hinreichende - Bedingung für das Gelingen.

Abgesehen von dem Umstand, dass “Capote” ohnehin die Doppeldeutigkeit des Titels “Kaltblütig” herausstellen will und dies mit kalten, unpersönlichen Bildern untermalt, verhindert die kühle Darbietung der Person Truman Capote also zugleich, sich in emotional aufgebauschten Nostalgiewerten zu verlieren, die sich für das Portrait einer historischen Persönlichkeit nur negativ auswirken können. Gestützt durch die ausgezeichnete Leistung Hoffmans bietet Bennett Miller ein ambitioniertes, doppelbödiges Spiel mit der Hauptfigur - komplementiert durch zahlreiche, subtil versteckte Andeutungen auf ein Innenleben, das ganz bewusst niemals ausgebreitet wird. Wie auch könnte man sich anmaßen zu wissen, welcher Mensch Truman Capote in Wirklichkeit gewesen ist - tief im Herzen.
8/10
 

Travis

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AW: Capote

Kritik von LivingDead


Capote

Auszüge aus meiner ofdb.de - Kritik:

Für ein Biopic ist der Film als ziemlich ungewöhnlich zu bezeichnen, denn im Gegensatz zu den üblichen Dogmen dieses Genres beschränkt sich Regie-Debütant Bennett Miller hier nur auf sechs Jahre im Leben des Truman Capote. Durch diesen ungewöhnlichen Stil fällt ein gewichtiger Kritikpunkt schon einmal im Vorhinein weg: Denn viele Biopics scheitern schon daran, dass sie die vielen Stationen im Leben einer Person über die Jahre hinweg viel zu schnell abhandeln und dadurch wenig fesselnd und glaubwürdig erscheinen.

Die Hauptrolle übernahm Philip Seymour Hoffman, welcher hier seine bis dato wohl beste darstellerische Leistung hinlegt und völlig zu Recht dafür mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Für die Vorbereitung auf seine Rolle des Truman Capote, dienten dem Hauptdarsteller dabei Kassetten, auf denen Interviews mit Capote mitgeschnitten wurden, wodurch er sich die einzigartige Fispelstimme antrainieren konnte. Neben dieser Leistung verblasst der restliche Cast fast vollkommen, auch wenn er natürlich ebenso ganz brillant agiert.

Diese meisterliche Leistung von Hoffman macht nun glücklicherweise nicht den Fehler und bringt uns dazu, die Person Truman Capote vollkommen zu verstehen; nein – im Gegenteil: Nach dem Film bleibt uns diese Person immer noch ein Rätsel. Vielleicht sogar noch mehr Rätsel als vorher.
Diese distanzierte Erzählweise bildet die Stärke des Filmes. Millers kühler Erzählstil spiegelt sich auch in den kalten, trostlosen Bildern wider, welche keinerlei menschliche Wärme zulassen. Als Zuschauer wird man bewusst auf Distanz gehalten, um dann im letzten Drittel des Filmes komplett ins kalte Wasser geworfen zu werden. Im letzten Akt dreht Miller die Dramaturgie des Filmes nämlich vollständig und für den Zuschauer wird spürbar, in welcher Zwickmühle sich Capote selbst gesetzt hat… Leider wirkt der Film dann auch etwas zu aufgesetzt. Etwas zu gewollt melodramatisch. Und etwas zu gewollt melancholisch. Doch das ist nur ein kleiner Wermutstropfen, welcher durch die ansonsten so perfekte Umsetzung und den brillanten Darstellern locker wieder rehabilitiert wird.

Was bleibt, ist ein Film, welcher uns die Person Truman Capote näher bringt. Wir sehen ihn, wie er sich in der Öffentlichkeit als Spaßvogel gibt, dann aber wiederum als mitfühlender, sehr sensibler Mensch dasteht, um in der nächsten Szene wieder als äußerst kaltblütig zu erscheinen. Miller bringt uns diese Person näher. Sehr viel näher. Auch wenn er uns nur sechs Jahre aus seinem Leben zeigt. Doch wirklich verstehen werden wir ihn wohl nie.
8/10
 
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