AW: Following
Following
1998 realisierte Christopher Nolan (mit gerade mal 28 Jahren) seinen ersten Spielfilm Following. Ein kleines Budget, unbekannte Darsteller, die Wohnungen von Freunden und eine 16mm Kamera mit s/w-film-stock reichten dabei aus um ein Juwel des Neo-noir zu produzieren.
Ein junger Mann (der sich im Film jeweils mit mehreren Namen vorstellt und in den Credits als "The Young Man" gelistet ist) hat ein Hobby: er, der von sich behauptet Schriftsteller zu sein, verfolgt Menschen. Dabei hat er kein Ziel. Ihn interessiert nur wohin sie gehen, was sie dort tun, wen sie treffen. Er stellt dabei Regeln auf, von denen er die seiner Meinung nach wichtigste bricht: niemals eine Person zwei Mal verfolgen.
So kommt es, dass er von einem seiner "Opfer" zur Rede gestellt wird. Dieses Opfer nennt sich selbst Cobb und entpuppt sich als Einbrecher. Doch auch Cobb ist kein Einbrecher im klassischen Sinne, denn das große Geld interessiert ihn nicht. Ähnlich wie der junge Mann ist er fasziniert davon in das Leben Fremder einzudringen. Schon bald hat er den Protagonisten als Komplizen gewonnen. Als die Beiden jedoch in die Wohnung einer jungen femme fatale einbrechen, deren Bilder den jungen Mann so faszinieren, dass er sie aufsucht, kommt eine ungeahnte Intrige ins Rollen...
Viel mehr soll und darf nicht verraten werden, denn der gerade einmal 66 Minuten lange Film lebt von seinen überraschenden Wendungen. Nichts ist so wie es scheint, keine Figur ist das, der oder die, was er oder sie vorgibt zu sein. Um auch den Zuschauer bis zum Ende im Dunkeln zu lassen, verwendet Nolan einen Trick, den er auch in späteren Filmen verwenden wird: eine non-lineare Erzählweise! Dabei ist der Film clever ohne zu kompliziert (wie bspw. Memento bei den ersten Sichtungen) zu sein.
Das Nicht-Vorhandensein von Privatsphäre ist eines der zentralen Elemente des Films. Ob Menschen nun verfolgt oder bestohlen (was sich nicht nur auf ihre Habseligkeiten, sondern auch auf ihre Identität beziehen kann) werden - im Zuschauer wächst zwangsläufig das Misstrauen und man hinterfragt selber voller Paranoia: war schon mal jemand unbemerkt in meiner Wohung; wurde ich jemals beschattet? Somit ist der Film mehr als eine Geschichte über irgendwelche Personen: es geht um Themen, die uns heute im Zeitalter von ständiger Videoüberwachung und Diensten wie Twitter, Facebook oder Foursquare mehr denn je beschäftigen.
Faszinierend ist weiterhin der noir-Aspekt. Teilweise ergibt sich dieser eher plakativ, z.B. durch die klassische, blonde femme fatale oder den moralisch fraglichen Anti-Helden. Andere Nuancen, wie die omnipräsente Eifersucht (auf Personen, auf Besitztümer, auf fremde Lebenswege) oder die bereits erwähnte Paranoia, fallen eher dem "erfahrenen" noir-Freund auf.
Trotz der Unerfahrenheit der Darsteller spielen sie alle mit Bravour. Wahrscheinlich sind es gerade diese unbekannten und unverbrauchten Gesichter, die den Film zu einer persönlichen Erfahrung für den Zuschauer machen, da sie eher als Identifikationsfiguren funktionieren als bekannte Stars.
Die Musik ist noir-typisch eher zurückhaltend, für ein solch niedriges Budget aber sehr ansprechend.
Abschließend bleibt zu sagen, dass Freunde der Nolanschen Filme, des film noir und des kleinen Thrillers bei Following voll auf ihre Kosten kommen werden. Wer von Nolan "Krawumm" erwartet ist an der falschen Adresse, doch das eigentlich Interessante an diesem (mittlerweile) Mainstream-Regisseur ist ja gerade, dass er dem Blockbuster-Kino frische, aus dem Indie-Bereich kommende, Elemente verpasst. Und Following ist ein erster, großartiger Beweis für diese Fähigkeit!
(9/10)