Sherlock Holmes - Spiel im Schatten
Nun hat sich Überraschungsblockbuster (zumindest für mich überraschend) „Sherlock Holmes“ wie von langer Hand geplant auch dem „Sequelismus“ angeschlossen, der Hollywood natürlicherweise umnebelt. Was des Studios täglich Brot, das artet für den Komplettisten fast schon in Arbeit aus, möchte er, einer Neurose gleich, alle Filme einer begonnenen Reihe doch zumindest mal gesehen haben (wenn nicht gar besitzen), und seien sie noch so redundant. Wenngleich es Ausnahmen in der Regel gibt, die Regel besteht doch immer noch daraus, dass etwas schlechter wird, je länger es andauert. Sequels verkörpern nicht selten Redseligkeit, wenn man besser schweigen sollte.
Doch Guy Ritchie, der kann gut reden (oder reden lassen), und einmal aus dem Independentkino raus und in den Mainstream rein, lässt es sich dort verdammt gemütlich einrichten – so suggeriert es zumindest „Spiel im Schatten“.
Es ist auf den ersten Blick das typische Sequel: Mehr Steampunk, mehr Slapstick, mehr Slow- und Fast Motion, mehr Downey Jr. Mit seiner undurchdringlichen Blaufilter-und-Nebel-Optik bewahrt es auch reichlich Kontinuität, die genug Intensität ansammelt, um so dick zu sein, dass man sie in der Luft zerteilen kann. Und sie vermengt beide Filme zu einem eigentlich viel zu langen Vier-Stunden-Wälzer (der natürlich noch längst nicht beendet sein muss). Wenngleich man mit Jude Laws Watson ob der Fisimatenten Holmes’ manchmal annähernd Mitleid empfindet, blickt man in diesen vier Stunden wie durch eine Schleierwand, was tiefere Emotionen verbietet. Das reicht aus, um auch hier von einem „Produkt“ zu sprechen, ihm gar die Seele abzusprechen.
Und doch genügt ein Blick seitwärts gen „Fluch der Karibik“-Serie, um den relevanten Unterschied zu erblicken: Nicht nur sein Hauptdarsteller, auch Ritchie selbst arbeitet mit geradezu kindlicher Freude, die für den zweiten Teil gar zugenommen zu haben scheint. Hier wie da äußert sich die Arbeitsweise in Überdrehtheit, doch während sie in den fortsetzenden Piratenabenteuern Verkrampftheit zum Ausdruck bringt und seine schräge Hauptfigur zum Chargieren zwingt, verkörpert sie in „Spiel im Schatten“ Hemmungslosigkeit.
Nur so ist es möglich, sich auch weiterhin darum zu drücken, endlich mal eine substanzhaltige Geschichte zu erzählen, anstatt einfach nur ein bereits existierendes Intrigennetz zu spinnen und es in einem psychologischen Duell zweier Ebenbürtiger gipfeln zu lassen, wobei Ritchie sich bei all der schmucken Extravaganz, die in den klassischen Umsetzungen verborgen geblieben ist und deswegen nun große Aufmerksamkeit erregt, am Ende doch vor allem auf die annähernd präkognitiven Fähigkeiten Holmes’ konzentriert und über sie seinen Zugang findet. Robert Downey Jr.s Interpretation hätte dazu eingeladen, die Geschichte eines Lebemanns zu erzählen; stattdessen breitet auch der zweite Teil einfach nur ein Gedankennetz aus, das auf psychologischer Ebene mit „Snatch“-erprobten Ritchie-Stilmitteln – Folklore zu Tempoveränderungen bei authentischem Bildflackern – ausstaffiert wird, um dann in der Realität, die kraft des Zufalls doch immer minimal anders ausfällt, in spontane Handlungen und süffisante Wortgefechte zu münden. Der Abgleich von Prognose und tatsächlichem Geschehnis nimmt noch mal mehr Platz ein.
Natürlich, wie hier teils Charaktere aus dem Spiel genommen werden, hat keine Klasse, durch Noomi Rapace ist wenigstens eine Figur enthalten, die ihren Platz nie findet, zu lang ist die Angelegenheit gerade in der ersten Hälfte und Knalleffekte oder herausragende Besonderheiten sucht man wie schon im ersten Teil vergebens, doch was auch immer dieser Film macht, ob richtig oder falsch, er macht es mit Überzeugung. Sherlock Holmes 2 ist der bessere Jack Sparrow 2; der gestreifte Schal ist das bessere Glas Dreck.
7/10