Up in the Air
Regisseur Jason Reitman serviert uns in dieser entwaffend ehrlichen, schauspielerisch sehr reifen Tragikomödie einen Vielflieger, Womanizer und Karrieremenschen namens Ryan Bingham, der sein Handwerk versteht. Und zwar in allen drei Bereichen. Doch schnell wird deutlich, warum sich der Film nicht nur über geflogene Meilen, flachgelegte Frauen und firmeninternen Status definiert, sondern vor allem auch über eine ordentliche Prise Schubladendenken, Genügsamkeit und Empathie.
"Up in the Air" ist also längst kein reiner Feel-Good-Movie. Da es Binghams Job ist, Leuten, die beruflich wegrationalisiert werden, zu sagen, dass sie nicht mehr gebraucht und fortan ohne festes Einkommen dastehen werden, kommt schnell eine ernste Note in die zunächst eher humorvolle Grundstimmung. Da sich Bingham zudem nicht sonderlich um Heimat und Verwandtschaft kümmert, sondern viel lieber unter Strom steht und stets unterwegs ist, bekommt er nach und nach auch zu spüren, wie es ist, wenn man die Beziehungen zu seinen Schwestern vernachlässigt. Und als er dann auch noch eine aufregende Frau immer besser kennenlernt, die ganz offensichtlich perfekt zu ihm passt, kommt einiges in Gang, was man zuvor für unmöglich gehalten hätte.
Der Mann, der auf alles eine eloquente Antwort weiß, fängt endlich an, sich selbst die richtigen Fragen zu stellen. Diesen unterhaltsam dokumentierten Prozess mit all seinen Verwicklungen, seinen herrlich intelligenten Dialogen und seinem hochinteressanten Ausgang mitzuerleben, macht diesen Film zu etwas Besonderem. Denn dieser wunderbar fordernde Trip durch verschiedenste Ortschaften der USA und Tiefen konsequent offengelegter Schicksale macht nachdenklich. In eindrucksvoll fotografierten und musikalisch äußerst stimmig untermalten Szenen bekommt man einen authentischen Eindruck, wie unerwartet es zu den verschiedensten Wendungen im Leben kommen kann.
Jeder hat seinen Rucksack zu tragen. Es kommt aber darauf an, was bisher eingepackt wurde und was darin noch alles Platz findet. Und wie komfortabel ein leerer Rucksack auf Dauer tatsächlich ist, das sei mal dahingestellt.
9/10