I'm Not There
All I can do is be me. Whoever that is. - Bob Dylan
Ja, wer ist dieser Mann? Bob Dylan, geboren am 24. Mai 1941 in Duluth, Minnesota, als Robert Allen Zimmermann.
Der Mann, der Anfang der 60er durch seine großartigen Songtexte die Folkszene aufwirbelte, danach die E-Gitarre in die Hand nahm, seine Texte damit verknüpfte, gleichzeitig seine Hardcore-Folk-Fans vergraulte und sich ausbuhen und als Judas beschimpfen lassen musste.
Der Mann, der nach einem mysteriösen Motorradunfall im Juli 1966 das Rock n Roll dasein und kräftezehrende Tourleben wieder ablegte um zurückgezogen weiterhin großartige Alben zu produzieren und sich seinem Familienleben zu widmen.
Der Mann, der Ende der 70er zum Christentum fand und drei religiöse Alben aufnahm um in den 80ern wieder zu weltlichen Themen zurückzukehren.
Der Mann, der Ende der 80er seine bis heute andauernde Neverending-Tour starte und bis Mitte der 90er bei Kritikern eher abgeschrieben wurde.
Der Mann, der 1997 mit einem großartigen Comeback-Album Kritiker und Fans begeisterte und 2001 für den Song "Things Have Changed" aus dem Film Wonderboys den Oscar bekam.
Der Mann, der seit Anfang der 2000er mit seinen Alben die Wurzeln der amerikanischen Musik auslotet und Kritiker und Fans gleichermaßen überzeugt.
Der Mann, der in letzten Jahren drei Alben herausbrachte, die sich dem Great American Songbook widmen und für die er Songs von Sinatra und Co. coverte.
Der Mann, der 2016 mit dem Literaturnobelpreis "für seine poetischen Neuschöpfungen in der großen amerikanischen Songtradition" ausgezeichnet wurde.
Keine leichte Aufgabe für Todd Haynes - Regisseur und Drehbuchautor von "I'm Not There" - diese Frage - wer denn nun eigtl. Bob Dylan ist - zu beantworten und auf die Leinwand zu bringen. Denn Dylan ist unnahbar, gibt selten Interviews und hat ein ambivalentes Verhältnis zu seinen Fans.
Also wählte Haynes einen unkonventionellen Weg und versuchte erst gar nicht ein Biopic auf herkömmliche Weise zu erschaffen. Chronologisch erzählt? Vergiss es. Nur ein Darsteller für die Verkörperung Dylans? Nö. Im Grunde fällt selbst der Name "Bob Dylan" nicht einmal im ganzen Film. Haynes wählte 6 Darsteller, mit denen verschiedene Schaffensphasen aus Dylans Leben erzählt werden.
Marcus Carl Franklin verkörpert dabei den jungen Dylan, der sich auf eine Reise durch Amerika begibt um seinen Folk-Idol - Woody Guthrie - nachzueifern.
Christian Bale ist Jack Rollins, der die Folk-Phase und spätere Hinwendung zum Christenthum Dylans thematisiert.
Cate Blanchett ist Jude Quinn und behandelt den Abschnitt, als Dylan die E-Gitarre für sich entdeckte.
Richard Gere spielt den sich zur Ruhe gesetzten Billy the Kid (der nicht von Pat Garrett erschossen wurde), was den Dylan nach der aufreibenden Rock N Roll- und Tour-Phase Ende der 60er zeigen soll.
Heath Ledger ist der Filmstar Robbie Clark, der in den 70ern zwischen Ruhm und Familienleben wandelt und dessen Ehe zu zerbrechen droht.
Ben Wishaw kommt dabei zwischendurch immer wieder als Erzähler zum Einsatz. Dabei sitzt er stets auf einer Pressekonferenz und versucht seine Sichtweise darzulegen. Ähnlich wie Dylan Mitte der 60er, als er sich teils dümmlichen Fragen der Presse stellen musste.
So speziell schon teilweise die Darsteller bzw. die Darstellung der einzelnen Schaffensphasen präsentiert wird, so speziell sind diese auch filmisch umgesetzt. Zum Beispiel ist der Abschnitt mit Christian Bale im Stile einer Dokumentation aufgebaut, mit Interviews fiktiver Wegbegleiter etc. Cate Blanchetts Phase hingegen ist komplett in Schwarz-Weiss gehalten. So wie man eben jene Aufnahmen von damals auch heute zu Gesicht bekommt und kennt.
So bringt im Grunde jeder Abschnitt Besonderheiten mit sich und es gibt zahlreiche Anspielungen auf Inhalte verschiedener Dylan Songs und auf mehr oder weniger bekannte Geschichten bzw. Mythen. Generell ist der Interpretationsspielraum sehr hoch und bei jeder Sichtung entdeckt man etwas neues, eben so wie auch bei vielen Dylan-Songs.
Der Soundtrack ist - wie sollte es anders sein - natürlich essentiell. Entweder man hört original Songs von Dylan oder Cover-Versionen von anderen Künstlern. Grundsätzlich fügt er sich perfekt zu den Bildkompositionen mit ein.
Am Ende kann man die Frage stellen, ob es sich hier um eine richtig Biografie handelt, und ob der Film auch für Leute geeignet ist, die so bisher gar nichts mit Bob Dylan am Hut hatten. Ich glaube, dass Haynes hier einen interessanten und auch richtigen Weg gewählt hat um - so gut es geht - diese Persönlichkeit den Leuten näher zu bringen. Dies ist vor allem dank der verschiedenen Darsteller und Abschnitte wirklich gelungen.
Jemand der mit Dylan bisher gar nichts zu tun hat, könnte am Ende mit gemischten Gefühlen auf den Film zurückblicken. Man hat dann zwar die Möglichkeit, die Dinge komplett unbedarft zu interpretieren und kann versuchen sich daraus sein eigenes Bild zu skizzieren, jedoch glaube ich, dass der Film um einiges mehr bietet, wenn man sich schon mit diesem Musiker befasst hat und die Anspielungen und Details zuordnen kann.
Für mich als absoluter Bob Dylan Fan auf jedenfall ein großes Werk, welches ich immer wieder und regelmäßig sehr gerne einlege.
Und wer ist jetzt Bob Dylan?
Ich? Ich verändere mich im Laufe eines Tages. Ich wach als eine Person auf und schlafe zu 100% als jemand anderer ein. Die meiste Zeit weiß ich nicht wer ich bin.
- I'm Not There