AW: Western
Welche sollte man unbedingt gesehen haben? Ich benötige jetzt also keine Tipps zu denen die ganz okay waren sondern wirklich die am oberen Level.
Sowas ist sehr schwer zu sagen, da es subjektiv ist. Jeder hat da seine eigenen Favoriten und ich bin da weiterhin am Entdecken. Da bleibt nichts anderes übrig als kurz einige meiner persönlichen Favoriten zu nennen, auf eigene Gefahr.
Erst einmal muss ein wesentliches Problem zur Sprache gebracht werden: Es gibt keinen anderen Western wie Spiel mir das Lied vom Tod. Ich bezeichne ihn als den "2001" des Wesern-Genres (Das sind für mich zwei geistige Zwillinge und ich würde sie gerne mal im Doublebill auf ner riesigen Leinwand sehen) - genau so absurd wäre es da, nach anderen Science-Fictionern wie 2001 zu suchen. Allerdings, wenn man sieht, was Kubrick mit dem Rahmen "Sci-Fi" macht, kann man sich vielleicht auch dafür begeistern, was Tarkovsky mit "Solaris" ganz anders damit macht.
Und da das Western-Genre so unendlich viel reicher ist als das Sci-Fi-Genre, ist das die beste Einstellung, sich dem ganzen anzunähern.
Dann muss man ein anderes Problem nennen: Dieser oft gemachte Unterschied zwischen "klassisch" und "revisionistisch" - die besten Western wurden zumeist in den Fünfzigern gedreht! Es war die Zeit von so naiven unerträglichen Kinderfilmen wie "Shane" oder den wirklich "klassischen" Filmen wie "12 Uhr Mittags", aber um die soll es nicht gehen.
Anfangen können wir mit John Ford, dem Mann, der das klassische Western-Genre erfunden, hinterfragt, erschüttert und schließlich beendet (den Revisionisten überlassen) hatte. Sein Oeuvre ist so riesig, dass ich kaum einen genauen Überblick darüber geben kann, geschweige denn alle Filme überhaupt kenne. Aber es geht hier ja nur um eine handvoll empfehlenswerter Filme, deswegen nenne ich mal fünf: "Stagecoach", "My Darling Clementine", "Wagon Master", "The Searchers" und "The Man who shot Liberty Valance" (Das sind meine Favoriten, andere haben andere Favoriten). Anhand dieser fünf Filme weiß man erstmal über alles Bescheid, worum es im Western-Genre geht (am besten auch in dieser Reihenfolge schauen). Bspw. in "Spiel mir das Lied vom Tod", wenn Claudia Cardinale im Profil zu der Kamera steht und die Tür öffnet, und sich daraufhin die Kamera dann zu Jason Robards aka Cheyenne bewegt, der vom Türrahmen eingerahmt wird, die Landschaft im Hintergrund: Das ist eine Szene, die man auch so brillant finden kann, aber ohne John Ford wird man ihren riesigen Kontext kaum verstehen können. Die Komplexität, Schönheit und die Abgründe der fünf obigen Filme wird man in ein paar Zeilen kaum unterbringen können. Stagecoach, der erste richtige Western, ist bis heute der vielleicht am perfektesten konstruierte Erzählfilm überhaupt, wie der Film mehrere Erzählstrenge und Konflikte und Charaktere, genug für Zehn Filme, in so einer kurzen Laufzeit unterbringt ist einzigartig. Und er ist alles andere als ein naiver Western. "My Darling Clementine" und "The Searchers" sind mittlerweile meine persönlichen Western-Favoriten.
Dann kommen wir zu Anthony Mann. Ich bin völlig begeistert, dass Jared "Winchester 73" genannt hat - einer meiner absoluten Favoriten. Wenn jemand wissen will, woher Martin Scorsese seine Inszenierungstechnik und seine Weltanschaung bzgl. der Gewalt in seinen Filmen am ehsten her hat, er wird bei Anthony Mann fündig. Er brachte eine "Film Noir"-Anschauung in den wilden Westen, und seine Filme handeln von schwer fehlerhaften Menschen und sind sehr abgründige Filme. Neben "Winchester 73" sind meine Favoriten (vor allem) "The Naked Spur", "The Far Country" und "Man of the West". Die nennt man (eigentlich zu Unrecht) "Edel-Western", wegen ihrer epischen Geschichten und ihrer Landschaftsaufnahmen.
Ganz anders sind da die Filme des B-Filmers Budd Boetticher. Das sind, nur auf den ersten Blick, einfache, absolut un-"epische" Filme. Das sind Filme für echte Liebhaber, die den Western bereits kennengelernt haben. Diese Billigproduktionen sind unbestechliche, kleine Experimentalfilme, in denen zugleich grausame, tragische und tragikomische Ereignisse mit unglaublicher Präzision betrachtet werden. Mein Favorit ist "The Tall T". Weiterhin gibt es "Seven Men from Now", "Commanche Station" und "Ride Lonesome" (Alle mit Randolph Scott).
Dann kommen wir zu dem, der in allen Genres seine Finger im Spiel hatte. Von Howard Hawks sind die bekanntesten "Red River", "Rio Bravo" und (etwas weniger) "El Dorado". Der erstere ist ein brillant inszenierter Film (mit John Wayne als echten Schauspieler), der letztere ein großer Spaß, aber sein eigentlicher Beitrag ist "Rio Bravo". Das ist ein Film über Männerfreundschaft, Geschlechterkrieg und Gewalt, als ruhige, charmante Unterhaltung, gefilmt mit einer mit nichts vergleichbaren Eleganz.
Der wohl größte amerikanische Revisionist ist Sam Peckinpah. Seine drei Western-Meisterwerke heißen "Ride the High Country", "The Wild Bunch" und "Pat Garrett and Billy the Kid". Und es ist unglaublich, wie dieser Regisseur, den man thematisch und stilistisch recht klar in eine Ecke stellt, sich in jedem dieser Filme völlig neu definiert. Peckinpah fehlt das Spielerische, das Schlingelhafte von Sergio Leone und er ist folglich sehr viel schwerer zugänglich. Was ihn zu einem großen Regisseur und seine Filme zu Meisterwerken macht, ist seine riesige Emotionalität und seine große Gefühlswärme, die in den Filmen zu jeder Zeit spürbar ist und sie zu besonders intimen Erlebnissen macht, die einem aber auch unangenehm werden können.
Das wärs erstmal als grober Überblick, es gibt noch so viel und ich muss auch noch viel entdecken. Versuchs auch noch mit "Johnny Guitar", einer Charakter- und Gesellschaftsstudie, die in Bereiche vordringt, die man im Western fast nie findet; "Dead Man", dem imo besten Western nach Peckinpah, mit der perfektesten Buster Keaton-Impersonation (durch Johnny Depp in der ersten Hälfte) aller Zeiten; dann noch mit Filmen von Andre de Toth oder Don Siegel, Delmer Daves oder Clint Eastwood.