Mulholland Drive - Straße der Finsternis

LivingDead

Hauptdarsteller
Registriert
4 Juni 2008
Beiträge
784
Ort
Aurich
Filmkritiken
46

Mulholland Drive - Straße der Finsternis


„Silencio!“

Um es gleich vorweg zu nehmen: Auch ich kann nicht behaupten diesen Film mit all seinen versteckten Hinweisen und Bestandteilen verstanden zu haben. Doch war es wirklich die Intention eines David Lynch dem Zuschauer eine verwirrende Geschichte zu erzählen, dessen ultimative Lösung beim 22. Ansehen plötzlich ins Auge fällt? Mitnichten…
Vielmehr sollte man das Gezeigte schlicht und einfach annehmen und sich in eine andere Welt begeben – die Welt des Lynch – eine Welt voll humaner Abstürze, Alpträume und nicht zuletzt zahlreicher Illusionen, welchen sich die Protagonisten stellen müssen. Ob man nach dem Genuss des Filmes nun unbedingt nach der Lösung des Ganzen (Und die, so sagt Lynch, gibt es!) suchen muss, sei jedem selbst überlassen.

Mit „Mulholland Drive“ verdichtet Lynch einmal mehr das Konglomerat aus Traum und Wirklichkeit. Szenen werden plötzlich ad absurdum geführt, und Handlungsstränge scheinen in keinem ersichtlichen Zusammenhang zum Rest des Filmes zu stehen- eben typisch Lynch. Viele würden dies nun als „Unsinn“ abstempeln und vorzeitig abschalten, doch würde man es sich damit einfach nur zu leicht machen und somit einen der wohl faszinierendsten Filme aller Zeiten verpassen.

Um zu einer adäquaten Wertung zu gelangen muss ich schon überlegen... Nach welchen Maßstäben bewertet man einen Film, der sich einfach in keine Schublade stecken lässt; dem es an analogen Filmen mangelt; dessen Story so verkapselt ist, dass man sie fast nicht erfasst? Äußerst schwierig.

Festzustellen ist, dass Lynch eine Exzeption sondergleichen ist.

9/10
 

LivingDead

Hauptdarsteller
Registriert
4 Juni 2008
Beiträge
784
Ort
Aurich
Filmkritiken
46

Kritik von Vince


MULHOLLAND DRIVE

Es ist kein Geheimnis, dass Logik nicht zu den Dogmen gehört, die Lynch beachten will. Und das ist ja auch das Herausfordernde an seinen Filmen. Obwohl Logik genauso ein Kriterium ist wie jedes andere, erachtet man es intuitiv als notwendige Bedingung für einen Film. Man hat die Vorstellung im Kopf, dass ein Film einen Sinn haben muss, um sich seine Existenzberechtigung zu sichern.

Dass dem nicht so ist, beweist Lynch immer wieder mit absoluter Genialität. Letztlich muss man seine eigene Haltung dann doch wieder überdenken. Ist es wirklich die logische Struktur, die unabkömmlich ist? Oder nicht doch eher die Emotionalität? Denn obwohl es für "Mulholland Drive" schlicht und ergreifend keine Interpretation gibt, die das komplette Spektrum des Films aufdecken könnte (es gibt nur Interpretationsansätze für einzelne Bestandteile, die aber jeweils anderen Bestandteilen widersprechen), transportiert der Film Emotionen in Reinform.

Die Szene im Theater rührt zu Tränen, man möchte als Zuschauer an ihr zerbrechen; die Szene hinter dem Restaurant schockiert zu Tode, man möchte für sie sterben. Im Gewand des Surrealismus berührt Lynch auf groteske Art das Unterbewusstsein eines jeden Menschen. Den Drang nach Ordnung versucht man durch ellipsenhaftes, wiederholtes Anschauen von "Mulholland Drive" durchzusetzen, und wenn man eine Interpretationsebene entdeckt hat, explodiert ein kleines Gefühl des Triumphs im Bauch des Betrachters wie eine Blume, die sich entblättert. Doch die Enttäuschung kommt, sobald sich das erste Hindernis einstellt.

"Mulholland Drive" vermischt Realität und Fiktion, erstellt Parabeln auf das Theater- und Filmgeschäft, verknüpft Perioden miteinander und versinnbildlicht Fachbegriffe des Filmmetiers wie die "Blue Box". Er verknüpft Epochen, verwaltet Geheimnisse und urtriebliches Denken in andere Dimensionen, wandelt auf dem schmalen Grat zwischen unnahbarer Esoterik und einer profanen Kriminalgeschichte. Dass sich dabei die Genres vermischen, vom 50er-Musical über den Film Noir zum Thriller, Western, Komödie und Horrorfilm, versteht sich von selbst.
Am Ende ist es nur das unergründliche violette Leuchten am glitzernden Nachthimmel von Hollywood, das als Pforte in die unergründliche Melancholie dient, die Essenz von "Mulholland Drive" letztendlich ist.

9/10
 

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.402
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Mulholland Drive - Straße der Finsternis

Bei mir gehört er zu den besten 5 Filmen aller Zeiten und er ist damit für mich wohl auch der beste Film der letzten 20 Jahre.
 

MiriQ

Golden-Globe-Gewinner
Registriert
10 Aug. 2009
Beiträge
2.160
Ort
Zauberwald
Filmkritiken
3
AW: Mulholland Drive - Straße der Finsternis

Oh! Ich wusste, es gibt einen Thread zu dem Film. Aber ich hätte nicht gedacht, dass er so kurz ist - nicht bei so einem Film.
Nun ja, ich bin froh, dass der Film in unserer Auslosung gewonnen hat und dass ich ihn heute gesehen habe. Eigentlich ist es noch zu früh für mich, etwas zu schreiben. Ich wollte noch ein bisschen „drauf rum denken“.
Eines möchte ich aber sagen: ich habe mich teilweise in einzelnen Szenen total verloren. Ich war vollig aus dem Zusammenhang heraus gerissen und hab nur den Moment gesehen und gefühlt. Es war mir vollkommen gleich, was es zu bedeuten hat oder wie die Handlung ins Gesamtbild passt/passen sollte. Bis mein Kopf wieder anfing zu denken und zu fragen....
Mehr demnächst an dieser Stelle - oder in diesem Theater, wo ich z. B. total untergegangen bin...
 

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.402
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Mulholland Drive - Straße der Finsternis

Oh! Ich wusste, es gibt einen Thread zu dem Film. Aber ich hätte nicht gedacht, dass er so kurz ist - nicht bei so einem Film.

Das liegt daran das bei der Eröffnung dieses Forums, alte Rezensionen aus dem alten Forum hierher gerettet wurden.

Mehr demnächst an dieser Stelle - oder in diesem Theater, wo ich z. B. total untergegangen bin...

Das Theater zieht mir auch jedesmal wieder die Füße weg. Ich freue mich auf das nächste Mal.;)
 

MiriQ

Golden-Globe-Gewinner
Registriert
10 Aug. 2009
Beiträge
2.160
Ort
Zauberwald
Filmkritiken
3
AW: Mulholland Drive - Straße der Finsternis

Es arbeitet....
Die Szene mit dem Obdachlosen hinter dem Restaurant - das hat mich geschockt! Ich glaub, der Typ verkörperte die schreckliche Wahrheit. Und der Mann, der von ihm geträumt hat und dass er ihn durch die Wand sehen konnte. Das war der selbe Mann, der Betty/Diane in dem Diner angesehen hat, als sie den Killer engagiert hat, als würde er sie „durchschauen“ - durch sie Wand sehen...
 

Despair

Filmvisionaer
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
12.550
Ort
Somewhere in Hessen
Filmkritiken
61
AW: Mulholland Drive - Straße der Finsternis

Oh! Ich wusste, es gibt einen Thread zu dem Film. Aber ich hätte nicht gedacht, dass er so kurz ist - nicht bei so einem Film.

Ich hab' den alten Thread mal ausgegraben: klick

Ich werde mir den Film in den nächsten Tagen mal wieder geben. Bin gespannt, ob ich neue Erkenntnisse gewinnen werde. :D
 

MiriQ

Golden-Globe-Gewinner
Registriert
10 Aug. 2009
Beiträge
2.160
Ort
Zauberwald
Filmkritiken
3
AW: Mulholland Drive - Straße der Finsternis

Den Link werd ich mir später durchlesen - ich hab das Wochende über den Film nachgedacht und mir eine Geschichte zurecht gelegt. So ergibt eigentlich alles einen Sinn. Ich werde aber mal noch warten, bis sich der ein oder andere den Film angesehen hat.
Der blaue Schlüssel von dem Typ im Diner hat mir eine Tür geöffnet. Von da aus war es nicht mehr so schwer.
Aber ich warte mal noch...
 

Despair

Filmvisionaer
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
12.550
Ort
Somewhere in Hessen
Filmkritiken
61
AW: Mulholland Drive - Straße der Finsternis

Irgendwann im Laufe dieser Woche werde ich mir "Mulholland Drive" nochmal reinziehen und meine Meinung kundtun. Bei einem Film dieser Art braucht man einfach etwas mehr Zeit. :D
 

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.402
Ort
Garma
Filmkritiken
185

Mulholland Drive


Viele Menschen denken, das diejenigen denen "Mulholland Drive" gefällt, das nur behaupten um intelligenter dazustehen als sie selbst. Die Theorie wird gerne untermauert, indem man dem Film eine komplette Zusammenhangslosigkeit unterstellt und man glaubt, das die Verehrer des Films viel zu viel rein interpretieren.

Ich denke mal das der Film nichts mit Intelligenz zu tun hat. Er ist für eine ganz bestimmte Zielgruppe gedacht, die sich eher auf emotionaler Basis mit dem Film auseinandersetzt. Das ist wie in der Musik, wenn ein Künstler seinen Fans ein neues Album präsentiert. Er transportiert eigene Emotionen die seine Hörer in sich aufnehmen und verarbeiten. Liebhaber von anderen Musikstilen können dagegen überhaupt nichts mit der Platte anfangen, da sie emotional völlig anders gepolt sind. Sie reagieren eben widerum auf andere Eindrücke. Wieder andere möchten gar nichts durch Musik empfinden und sich lieber berieseln lassen.
David Lynch hat seine eigene Zielgruppe und dieser einen Leckerbissen serviert. Ohne Kompromisse und ohne das Ziel möglichst viele Außenstehende hinzuzugewinnen. Trotzdem haben sich genügend eingefunden, da sie seine gesendeten Signale empfangen konnten. Die Anderen haben ihren Empfänger eben einfach auf einer anderen Bandbreite.
Natürlich wird man aber trotzdem ohne ausreichender Konzentration und den Blick für unscheinbare Dinge, an "Mulholland Drive" scheitern. Um ihn nebenbei zu schauen ist er viel zu verschachtelt. Wenn man aber den Einstieg gefunden hat, erhält man eine künstlerische Offenbarung. Wenn man auf das Musikbeispiel zurückkommt, ist es wie bei einer guten Platte. Mit mehrmaligem Durchhören wächst das Verständnis für das Gehörte. Beim ersten Durchgang ist noch alles etwas ungewohnt, aber bei jedem Durchlauf wächst das Verständnis.
Wenn man trotz geringem Verständnis für das Gesehene emotional berührt war, hat man die erste Tür gefunden. Der Einstieg in die Handlung kann schon kurz danach, oder beim nächsten Durchgang erfolgen. Ganz entschlüsseln wird man ihn aber wohl nie.

Das hier aber wesentlich mehr als nur eine Aneinanderreihung von Szenen vorliegt, erkennt man an der Detailverliebtheit. Beispielsweise bekommt Rita ihren Namen durch ein Filmplakat des Film-Noir Klassikers "Gilda". Die Hauptrolle spielt Rita Hayworth, die im Alter übrigens an Alzheimer erkrankte. Natürlich kann man jetzt auch da einen Zusammenhang zum Gedächtnisverlust der Hauptdarstellerin herstellen. Zumindest ist das Plakat nicht zufällig gewählt, da David Lynch sehr viele Bezüge zum Film Noir aufweist. Zusätzlich sehen sich die beiden Ritas auch noch sehr ähnlich und es ist gar nicht so verkehrt wenn man den Film schonmal gesehen hat.

Als nächster Punkt wäre die Kritik an den Mechanismen in Hollywood anzumerken. David Lynch sah die Traumfabrik immer äußerst kritisch und nicht selten gab es unterschwellige, aber auch gut sichtbare Kritik. Ich bin völlig davon überzeugt das der Name des Films nicht einfach nur einen Straßenzug oberhalb von Hollywood beschreibt. Es ist eine Hommage. Eine Verbeugung vor Billy Wilders Meisterwerk "Sunset Boulevard". Der Film beinhaltete schon 1950 eine unglaubliche Kritik an den Machenschaften der so sauber anmutenden Scheinfassade der Studiogiganten. Eine Kritik die Lynch in "Mulholland Drive" ebenfalls deutlich hervorhob. Nicht umsonst ist neben dem Straßenschild vom Mulholland Drive kurz darauf das Straßenschild vom Sunset Boulevard im Hauptblickfeld der Kamera. Ich denke Mal das es in dieser Form viele Dinge gibt, die im Film zu finden sind. Da man allerdings nicht alle Filme bzw. Bücher gelesen hat die der Regisseur kennt, wird man vielleicht immer wieder Mal eine Metapher mehr im Lauf der Zeit entdecken.
Was aber die meisten am Film verwirrt sind die drei verschiedenen Ebenen. Oder sind es mehr? Es gibt eine Vergangenheit die real ist, eine reale Gegenwart und eine Traumwelt. Allerdings gibt es innerhalb der Traumwelt genügend Rückschlüsse die man in Verbindung mit den anderen beiden Ebenen sehen muß, da hier die Grundlagen des Traumes gebildet wurden. Hier kommen natürlich die Interpretationsspezialisten zum Zug. Viele Deutungen sind möglich und eventuell ist keine richtig. Wenn man aber den Eingang in die Chronologie findet, ist der Plot plötzlich gar nicht mehr so schwer zu verstehen.

Das was aber die Genialität des Filmes am meisten ausmacht ist gar nicht mal so sehr die Handlung, sondern vielmehr die geschaffene Atmosphäre. Selten hat mich ein Film so dermaßen in den Sitz gedrückt. Bei meiner Erstsichtung gab ich irgendwann einfach auf, der Handlung zu folgen, da mich vermehrtes Nachdenken nur um meine eigene emotionale Achterbahnfahrt gebracht hätte. Ich wollte ihn gar nicht verstehen, ich wollte ihm erliegen.
In den nächsten Tagen hatte ich nichts anderes mehr im Kopf als diesen Film und begann ihn dabei aus meiner Erinnerung heraus aufzuschlüsseln. Er ließ mich nicht mehr los, die Szene im "Club Silencio" begann mich innerlich aufzufressen.
Nach den ersten erstellten Theorien kam die zweite Sichtung und das Bild wurde klarer. Bei jeder Sichtung etwas mehr, ohne das ich meinen Gefühlszustand während dem Filmgenuss ändern mußte.

Ganz entschlüsseln werde ich ihn aber wahrscheinlich nie können, das wird nur David Lynch selbst vorbehalten sein. Muß ich aber auch gar nicht. Der Film soll für mich seinen unantastbaren Charakter beibehalten. Die brillante Musik von seinem Haus und Hof Komponisten Angelo Badalamenti, das fantastische Spiel der beiden Hauptdarstellerinnen, die zum Teil grothesken Szenen und die kaum greifbare Surrealität die über allem schwebt, ergeben für mich als Ganzes eins der größten Meisterwerke der Filmgeschichte.
 
Zuletzt bearbeitet:

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.402
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Mulholland Drive - Straße der Finsternis

Chronologische Zusammenfassung der Haupthandlung:

Diane gewinnt in ihrer Heimat einen Jitterbug Tanzwettberwerb. Daraufhin beschließt sie nach Hollywood zu gehen. Ihre Großeltern sind stolz wie Oskar und freuen sich mächtig über ihre doch so erfolgreiche Enkelin.
In Hollywood ist aber alles ganz anders wie sie dachte. Sie bekommt nur kleinere Rollen und landet schließlich in der Prostitution.
Sie lernt aber Camilla kennen und verliebt sich in sie. Die meint es zunächst auch gut mit ihr, aber sie ist wohl trotzdem nur eine harmlose kleine Liebschaft. Ihr macht es Spaß Diane zu quälen, wodurch sie einen Auftragsmord beschließt. Nachdem sie weiß das der Mord geglückt ist, steht sie vor den Scherben ihres Lebens und erschießt sich.

Die Parallelhandlung um Regisseur Adam Kesher zeigt dann eher die Art und Weise auf, wie frei ein Künstler in Hollywood arbeiten kann. Trotzdem ist dieser zunächst als Rahmenhandlung erscheinender Teil stark mit dem Leben von Diane stark verwoben.
 

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.402
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Mulholland Drive - Straße der Finsternis

Und der Mann, der von ihm geträumt hat und dass er ihn durch die Wand sehen konnte. Das war der selbe Mann, der Betty/Diane in dem Diner angesehen hat, als sie den Killer engagiert hat, als würde er sie „durchschauen“ - durch sie Wand sehen...


Das ist ein toller Ansatz. Über diese Figur konnte ich mir bislang keinen Reim machen. Jetzt wo ich ihn gerade gesehen habe und deinen Text nochmal gelesen habe, könnte das absolut hinkommen! :hoch:
 

MiriQ

Golden-Globe-Gewinner
Registriert
10 Aug. 2009
Beiträge
2.160
Ort
Zauberwald
Filmkritiken
3
AW: Mulholland Drive - Straße der Finsternis

Ich muss sagen, ich hab mich - nachdem ich den Film gesehen hatte - gefragt, was jetzt so unverständlich daran sein soll. Die Abfolge, die deadly aufgelistet hat, ist doch eigentlich gut zu erkennen. So ging es mir jedenfalls.
Der „Schlüssel“ war für mich der blaue Schlüssel, den Diane in dem Diner gezeigt bekommt und die Bermerkung, dass sie ihn finden würde, wenn alles getan ist. Und dann lag der Schlüssel auf dem Tisch in ihrer Wohnung. Da wusste ich, Camille ist tot, Auftrag ausgeführt.
Der Rest des Filmes war Dianes verzweifelter Traum, alles ungeschehen oder wieder gut zu machen bzw. die Vorstellung wie es hätte laufen können. Der Killer wird zum Dilettanten, der Unfall sorgt dafür, dass es keinen Mord gibt, der Gedächtnisverlust sorgt für einen Neuanfang zwischen den Frauen, ja sie haben sogar die Chance, sich ganz neu zu verlieben. Aber das schlechte Gewissen kommt immer wieder durch. Der Blick des Mannes im Diner, der sie „durchschaut“, der dann an Dianes Stelle sitzt und seine Angst verdeutlicht. Er sieht das Böse durch die Wand und die schreckliche Wahrheit, das „schmutzige Gesicht“ lauert hinter den Abfalltonnen. Die Wahrsagerin, die böses ahnt, die Leiche in der Wohnung. Total krass ist auch das schlechte Gewissen gegenüber den Großeltern dargestellt. Die heile Welt in den maskenhaft grinsenden Gesichtern am Anfang im Taxi - DAS fand ich gruselig. Und wie die zwei dann wie kleines fiese Ungeziefer durch den Türschlitz gekrabbelt kommen - du kannst uns nicht aussperren, du entkommst uns nicht.
Das sind nur einige Dinge, wie ich sie gesehen habe.
Auf jeden Fall hab ich mich in einzelnen Szenen total verloren und hab sie einfach wirken lassen - besonders im Theater, unglaublich, welche Atmosphäre und Stimmung das war. Da hab ich keinen Gedanken an die Geschichte verschwendet.

Da fällt mir grad ein - der Fall in die blaue Box!! An der Stelle kehrt Diane in die Realität zurück. Denn in der Box ist die Realität, die Wände der Box zeigen die Illusion. Und wir bekommen ab dem Zeitpunkt die Realität gezeigt. Mädchen aus der Provinz kommt nach Hollywood, muss alsbald seine Träume begraben, verliebt sich, wird abhängig, dann fallen gelassen und fasst einen verzweifelten Plan, der in den Abgrund/in die Finsternis führt. Dann merkt sie, was sie getan hat, kann das Schreckliche nicht fassen und malt sich verzweifelt ein Szenario aus. Vielleicht war der Typ gar kein richtiger Killer und viel zu blöd oder feige, das durch zu ziehen, vielleicht gab es ja einen Unfall - dann trifft mich keine Schuld. Camille darf natürlich nichts davon erfahren, nun, vielleicht verliert sie ja das Gedächtnis und ich/wir bekommen eine zweite Chance. Und all das zeigt uns Lynch in fantastischen Bildern und surrealen Orten und sonderbaren Menschen.
Darauf muss man erstmal kommen und es auch so rüber bringen.
 

MiriQ

Golden-Globe-Gewinner
Registriert
10 Aug. 2009
Beiträge
2.160
Ort
Zauberwald
Filmkritiken
3
AW: Mulholland Drive - Straße der Finsternis

Genie:hoch: Ich habe beim ersten mal so gut wie nichts verstanden.
Ne ne, wie Du schon sagst, das hat was mit Antennen zu tun - bei mir haben die eben perfekt empfangen.
Man muss sich nur auf die Gefühle einlassen. Stell dir vor, du hast jemanden damit beauftragt, einen Menschen zu töten und als es getan ist, wird dir die ganze Tragweite deiner Handlung bewusst. Der Schrecken vor dir selbst, die Angst, dass man dich erwischt, die Gewissheit, dass es passieren wird, die Enttäuschung deiner Familie, mit der du nicht fertig werden wirst, der endgültige Verlust deiner Liebe, es gibt kein Zurück, es ist aus ... versetzt dich da mal rein ...
Dieses Gefühl kam so schnell über mich, als der Schlüssel im Schloss klick gemacht hat...
 

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.402
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Mulholland Drive - Straße der Finsternis

Ne ne, wie Du schon sagst, das hat was mit Antennen zu tun - bei mir haben die eben perfekt empfangen.
Man muss sich nur auf die Gefühle einlassen. Stell dir vor, du hast jemanden damit beauftragt, einen Menschen zu töten und als es getan ist, wird dir die ganze Tragweite deiner Handlung bewusst. Der Schrecken vor dir selbst, die Angst, dass man dich erwischt, die Gewissheit, dass es passieren wird, die Enttäuschung deiner Familie, mit der du nicht fertig werden wirst, der endgültige Verlust deiner Liebe, es gibt kein Zurück, es ist aus ... versetzt dich da mal rein ...
Dieses Gefühl kam so schnell über mich, als der Schlüssel im Schloss klick gemacht hat...


Ich sage doch: Genie! ;)
Ich habe beim ersten Mal geglaubt viel verstanden zu haben. Nach dem "Silencio" war das nur noch Bahnhof ohne das da ein Zug drin stehen würde. Einige Tage später habe ich durch ständiges Nachdenken das Gleis wiedergefunden und plötzlich stand da auch ein Zug drauf. Trotzdem sind mir einige Sachen immer noch unklar.

Das Gespräch zwischen Kesher und Cowboy beispielsweise.
Der Killer und das Telefonbuch des Lebens ebenfalls.
 

MiriQ

Golden-Globe-Gewinner
Registriert
10 Aug. 2009
Beiträge
2.160
Ort
Zauberwald
Filmkritiken
3
AW: Mulholland Drive - Straße der Finsternis

Hmm, da muss ich nochmal nachdenken...
Kesher hat Diane Camille weggenommen. Der Mistkerl! Das musste natürlich bestraft werden. Wie bestraft man einen (talentierten?, aufstebenden?, erfolgreichen?) Regisseur? Nee - man nimmt ihm nicht die Frau weg (oder doch, man lässt sie fremd gehen) oder tötet ihn (fast, als der Schlägertyp in seiner Villa aufgetaucht ist). Viel besser! Man funkt ihm bei seiner Arbeit dazwischen, man zwingt ihm eine Entscheidung auf, die ihm total gegen den Strich geht. Stell dir vor, du hast die perfekte Besetzung für eine deiner Rollen und musst dann gezwungenermaßen ne andere nehmen. Wer zwingt? Irgendein Mann aus dem Dunkel mit genügend Macht (seltsamer Typ im Rollstuhl). Wer hilft dabei nach? Jemand, der ein wildes Pferd zureiten kann. Den Cowboy hat Diane glaub ich auf der Party gesehen, auf der Camille mit Kesher rungemacht hat. Ein Typ aus dem „Hintergrund“. Warum der Cowboy? Keine Ahnung! Vielleicht wirklich nur, weil der den Hengst bezwingen kann?
Telefonbuch des Lebens ... ?? Das war bei den zwei Killern, oder? Der eine hat das Buch, der andere erschießt ihn und nimmt das Buch ... war dann da nicht mal irgendwo ein Anruf? Ich glaub, ich muss den Film nochmal sehen.
 

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.402
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Mulholland Drive - Straße der Finsternis

Das sehe ich schon ähnlich. Diane zwingt im Traum dem Kesher eine andere auf. Er soll halt gefälligst eine andere Camilla nehmen als ihre. Nicht nur für die Rolle.
Er flieht aber ja vor den Typen, aber zum Cowboy hat er soviel Vertrauen das er in die einsame Prärie fährt. Das paßt nicht so richtig.
Das Gespräch selbst ist für mich aber das Rätsel. Was sollte das mit" Wenn sie mich noch einmal sehen haben sie alles richtig gemacht. Sie werden mich noch zweimal treffen wenn sie es falsch machen." Und die Anfrage nach seiner Einstellung. Er soll nicht klugscheißen sondern nachdenken.

Diane sieht den Cowboy 3 Mal, was somit bedeuten würde das sie alles falsch gemacht hat. Warum sagt er das aber zu Kesher?

Das Telefonbuch bleibt für mich weiterhin ein Mysterium.
 

MiriQ

Golden-Globe-Gewinner
Registriert
10 Aug. 2009
Beiträge
2.160
Ort
Zauberwald
Filmkritiken
3
AW: Mulholland Drive - Straße der Finsternis

Hm, unter dem Gesichtspunkt muss ich mir das wirklich nochmal anschauen. Das Gespräch hab ich nicht mehr so genau im Kopf. Das war eine der Szenen - die hab ich einfach passieren lassen. Ich mein, dieser Cowboy, der war da irgendwie fehl am Platze. Ich wusste nicht, wie ich den einordnen sollte. Ist er ne Metapher oder ein Querverweis auf einen anderen Film oder so? Ja, und die Fahrt da raus, hab ich auch als gewagt eingestuft. Der fährt da raus in die Dunkelheit, ohne zu wissen, was ihn erwartet. Und am Ende der Straße trifft er dann den „Allmächtigen“ oder was?

Mir fällt grad wieder die Vermieterin ein (wie hieß die gleich nochmal?), die sich dann später als Keshers Mutter herausgestellt hat. Diese Gesicht - da musste ich unwillkürlich an Hammer und Meißel denken ... und an Michael Jacksons Nase :rolleyes:
 
Oben