AW: The Green Mile
The Green Mile
Amerika, Mitte der 30er Jahre: Paul Edgecomb arbeitet als Gefängniswärter im Todestrakt des Staatsgefängnisses Cold Mountain. Keine angenehme Tätigkeit – besonders, wenn man zusätzlich unter einer extrem schmerzhaften Blasenentzündung leidet. Trotzdem versuchen Edgecomb und seine Untergebenen, die mal mehr, mal weniger netten und allesamt dem Tode geweihten Insassen mit Respekt zu behandeln. Mit einer Ausnahme: Aufseher Percy Wetmore fügt sich nicht ins Team ein und hat diebischen Spaß daran, die Gefangenen psychisch und physisch zu quälen. Als der wegen zweifachen Kindermordes verurteilte John Coffey, ein hünenhafter Schwarzer mit scheinbar schlichtem Gemüt, eingeliefert wird, ändert sich der Alltagstrott in Cold Mountain nachhaltig. Denn Coffey verhält sich in keinster Weise wie ein Verbrecher, sondern wirkt trotz seiner massiven Statur eher wie ein verängstigtes Kind, das Angst im Dunkeln hat. Doch als Coffey seine unglaubliche Gabe offenbart, beginnt Edgecomb endgültig an dessen Schuld zu zweifeln...
Mit Stephen King-Verfilmungen ist das ja meist so eine Sache: Neben den filmischen Meisterwerken „Carrie“ (Brian de Palma), „The Shining“ (Stanley Kubrick), „Stand By Me“ und „Misery“ (beide Rob Reiner) gibt es viel Mittelmaß und ein paar echte Gurken. Zu den guten Vertretern gehört zweifellos „Der Nebel“ von Frank Darabont. Und eben jener Frank Darabont hat bereits zuvor „The Green Mile“ kongenial filmisch umgesetzt. Dabei herausgekommen ist ein dreistündiges Mammutwerk, dass allein schon wegen der hochklassigen Besetzung und der herausragenden (manchmal fast heimelig-verklärt anmutenden) Knast-Atmosphäre in die Riege der Meisterwerke aufgenommen werden muss. Aufgrund großartiger Bilder und emotional wuchtiger Momente wird die im Grunde recht simple Geschichte um John Coffey – Ähnlichkeiten zu einem vor über zweitausend Jahren gekreuzigten Zimmermann sind
garantiert beabsichtigt – niemals langweilig. Es sei denn, man erwartet einen Horrorfilm. „The Green Mile“ ganz klar ein Drama, angereichert mit fantastischen und komödiantischen Elementen.
Der Cast ist erste Sahne: Nie wurde eine Blasenentzündung intensiver dargestellt als von Tom Hanks; ebensowenig das genüssliche erste Abstrullen nach der wundersamen Heilung. Doch auch in den ernsten Momenten leidet man aufrichtig mit ihm, auch wenn es manchmal etwas arg pathetisch wird. Michael Clarke Duncan beeindruckt nicht allein durch seine hünenhafte Statur, sondern vielmehr durch eine sensible Verletzlichkeit, die so gar nicht zu seiner Körperfülle zu passen scheint. Doug Hutchison verkörpert den sadistischen Wärter Percy perfekt und ist einfach herrlich widerlich. Auch sämtliche Nebendarsteller machen ihre Sache super, bis in die kleinste Rolle (Mr. Jingles
).
Negativ ankreiden könnte man dem Film die etwas eindimensionalen Charaktere, die Aufteilung in Gut und Böse ist jederzeit eindeutig. Doch aufgrund der (trotz ernster Thematik) irgendwie märchenhaften Atmosphäre und den übernatürlichen Einlagen, stört das nicht weiter. Im Gegenteil – es passt einfach, und das klassische Gut/Böse-Schema findet man ja öfters in Kings Geschichten. Ebensowenig gestört haben ein paar pathetische, ins Kitschige abgleitende Szenen, zumal sie von den Darstellern glaubhaft rübergebracht werden. Auch Männer dürfen mal weinen.
Fazit: „The Green Mile“ ist ein Fantasy-Drama vom Allerfeinsten, das man von Anfang bis Ende genießen kann – wenn man mit der ausufernden Spielzeit klarkommt. Für hektisch veranlagte Naturen könnten sich die drei Stunden etwas ziehen. Für King-Fans, die nicht allein auf seine Horror-Werke abonniert sind, ist Darabonts Verfilmung ohnehin ein absolutes Muss.
10/10 Punkte