All is Lost
Mit einem einfachen, treibenden ISO-Container nimmt das Unglück seinen Lauf. Das Segelboot des namenlosen Mannes, der in den Credits nur „Our Man“ genannt wird, wurde vom Container gerammt, durch ein mittelgroßes Loch läuft nun Wasser ins Boot. Durch diesen Unfall fällt die komplette Elektronik aus und alle elektrischen Hilfsmittel wie Funkgerät, Laptop sind unwiderruflich zerstört. Provisorisch lässt sich das Loch mit Harz und allerhand verschiedenen Materialien flicken und durch eine manuelle Handpumpe kann das Wasser aus dem Segelboot herausgepumpt werden. Doch bereits am nächsten Tag bereitet ein schweres Unwetter „Unserem Mann“ wieder Schwierigkeiten.
Regisseur J.C. Chandor, der mit „All is Lost" seinen zweiten Spielfilm abliefert, zeigt den eindrucksvollen Kampf eines Mannes gegen die Natur und Monotonie auf dem Meer. Doch anders als in
Wolfgang Petersens „Der Sturm" bedient sich Chandor keinem Effektgewitter oder diversen Sublots. Chandor reduziert alles auf das Rudimentäre und das wird allein am Drehbuch deutlich, dass aus weniger als 30 Seiten bestand. Es gibt keine Hintergründe durch Vorblenden, Rückblenden, einer dauerhaften Off-Stimme oder ähnlichen filmischen Mittel. Wir wissen weder wieso der Einmannsegler diese Reise angetreten hat, welches Ziel er ansteuerte, sondern es wird durch die Karte und eine kurze Einblendung nur deutlich, dass er sich auf dem Indischen Ozean befindet. So rar wie der Film mit Hintergrundinformationen umgeht, so wenig Worte verlassen auch den Mund des Protagonisten.
Robert Redford schauspielert durchweg mit seinem Körper und übertragt insbesondere mit seiner Mimik seine Gefühlslage, der zwischen Überlebenswillen und Resignation schwankt.
Die Kamera tritt durchweg als Beobachter auf und verfolgt dabei das Geschehen und den Überlebenskampf „Unseres Mannes“. Dabei wird keinesfalls das Alter von
Robert Redford ignoriert, denn mit vielen Großaufnahmen u. Detailaufnahmen des Gesichts und der (arbeitenden) Hände werden die Falten, die Flecken auf der Haut ersichtlich und strahlen eine gewisse Natürlichkeit und Authentizität aus. Das Alter und Erfahrung nicht immer einhergehen wird auch an einigen Szenen verdeutlicht. So hat „Unser Mann“ zunächst große Schwierigkeiten mit der manuellen Navigation und selbst das richtige Arbeiten mit einer Karte zeugt anscheinend von Unsicherheit und keiner großen Segelerfahrung. Das lässt wieder einige Fragen aufkommen, handelt es sich womöglich um den ersten eigenen Segeltrip? Oder war er bislang nur noch in einer brenzeligen Situation auf dem Meer? Oder hat er sich für sein Alter vielleicht doch noch zu viel zugemutet und ist von dem Segeltörn und den Problemen einfach nur ermüdet? Dass diese Fragen nicht beantwortet werden, ist keinesfalls negativ auszulegen, sondern dieser Umgang mit den Film integriert den Zuschauer in das Geschehen des Films und lässt ihn auf diese Weise sogar noch mehr als stiller Beobachter am Schicksal dieses Mannes teilhaben.
Es gibt einige Filme, wo ein Schauspieler oder eine Schauspielerin allein einen Film tragen und ihre Performance eine One-Man-Show gleicht, aber anders als es beispielsweise bei „Cast Away“ mit
Tom Hanks der Fall ist, ist in „All is Lost“ wirklich nur
Robert Redford zu sehen und kein anderer Mensch und er führt im Vergleich zu „Cast Away“ keine Selbstgespräche und wird nicht wie
Tom Hanks– mehr oder weniger – verrückt, sondern kämpft still und ganz allein um sein Überleben. Sein größter Feind ist nicht einmal schweres Unwetter, hoher Wellengang oder gefährliche Meeresbewohner, sondern die Monotonie auf dem Meer und die dauerhafte Bestrahlung der Sonne. Ein intensiver, wortkarger Film, der selbst im seinem musikalischen Arrangement nur sehr leise Töne anspielt, was Komponist Alex Ebert den Golden Globe einbrachte.