3096 Tage
Der Film erzählt die Geschichte von Natascha Kampusch, die im Alter von zehn Jahren von Wolfgang Priklopil entführt und acht Jahre lang in einem unterirdischen Kellerverlies gefangen gehalten wurde.
Die filmische Umsetzung realer Vorkommnisse ist immer heikel und geht oftmals in die Hose. Auch bei diesem Film dürften die Meinungen auseinandergehen, schon aufgrund der Thematik. Desweiteren ist es natürlich sehr schwer, eine Zeitspanne von acht Jahren in 145 Minuten zu quetschen, weshalb Regisseurin Sherry Hormann mit Zeitsprüngen gearbeitet hat. Dazu kommt, dass über die verquere Gedankenwelt und die Beweggründe des Wolfgang Priklopil nur gemutmaßt werden kann. Natascha Kampusch zumindest bescheinigt dem Film ein hohes Maß an Authentizität und ich wüsste keinen Grund, warum man ihr das nicht glauben sollte. Höchstwahrscheinlich wird sie finanziell von diesem Film profitieren, aber das hat ja keinen Einfluss auf die Qualität desselben. Ich finde es legitim, wenn sie Profit aus ihren acht verlorenen Jahren ziehen möchte – ich würd's auch tun.
Aber taugt denn diese allseits bekannte Geschichte für einen Film? Ja, tut sie durchaus. Zumal sie nicht reißerisch platt, sondern als finsteres Kammerspiel sehr nüchtern in Szene gesetzt wurde. Die erdrückende Enge ist jederzeit spürbar, auch in Priklopils meist abgedunkelten Wohnräumen. Kampuschs Peiniger wird von Thure Lindhardt mit einer ordentlichen Portion Wahnsinn dargestellt, gelegentlich lässt er auch mal sympathische Züge aufblitzen. Trotzdem besteht nie ein Zweifel daran, dass man es mit einem schwer gestörten Mann zu tun hat. Antonia Campbell-Hughes spielt sehr intensiv und bringt die extremen Stimmungen gut rüber. Körperlich erinnert sie schon fast an Christian Bale in „The Machinist“. Ob man sich für eine Rolle wirklich an den Rand einer Magersucht hungern muss... keine Ahnung. Muss sie selbst wissen. Amelia Pidgeon als junge Natascha hat ebenfalls einige starke Szenen. Die Synchronisation ist gelungen, mutet aber bei einem in Österreich spielenden Film etwas seltsam an, zumal auf den österreichischen Akzent (mit Absicht, soviel ich weiß) verzichtet wurde.
Spannung im Sinne eines Krimis kommt natürlich nicht auf. Das vorherrschende Gefühl ist Beklemmung. Es geht nicht um die Aufklärung eines Verbrechens, sondern um das Machtverhältnis zwischen Täter und Opfer, das zum Ende hin immer öfter ins Wanken gerät. Doch trotz diverser kleiner Triumphe Nataschas über ihren Entführer schafft sie es während ihrer gemeinsamen Ausflüge in die Öffentlichkeit nie, Außenstehende auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Für unter normalen Umständen aufgewachsene Leute quasi unverständlich, dass ein Mensch einen anderen Menschen so stark unter Druck setzen kann, dass dieser zu keiner aktiven Handlung mehr fähig ist.
Fazit: „3096 Tage“ kann als gelungene Umsetzung eines schwierigen Themas durchaus überzeugen. Trotz des realen Hintergrunds erreicht der Film aber meiner Meinung nach nicht ganz die Intensität, die man beispielsweise von Hanekes Werken gewohnt ist.
8/10 Punkte