AW: Der große Japaner
Der große Japaner
Herr Daisato ist ein ruhiger, etwas gelangweilt wirkender Mann, der ein zurückgezogenes Leben führt. Doch warum wird er dann auf Schritt und Tritt von einem Filmteam verfolgt und interviewt? Warum sollte sich irgendjemand für eine Reportage über Daisato interessieren? Ganz einfach: weil er der größte Mann Japans ist. Nicht im übertragenen Sinne, sondern im wahrsten Sinne des Wortes. Es bedarf eines kleinen Rituals (eher weniger) und einer großen Menge durch die Brustwarzen geschossenen Stroms, und schon wird Daisato zu einem wolkenkratzerhohen Sumoringer in violetter Unterhose. Letztere wächst übrigens nicht mit, sondern hatte schon vorher beträchtliche Übergröße. Sein Job ist die Verteidigung Japans vor diversen Monstrositäten, die von Zeit zu Zeit ohne ersichtlichen Grund auftauchen und schlechte Laune verbreiten. Diese Spektakel werden nebenbei im Fernsehen übertragen (nach Mitternacht, es läuft nicht mehr so gut wie früher), weswegen Daisato seinen gewaltigen Körper als Werbeträger nutzen muss. Immerhin scheint seine Managerin einen guten Job zu machen, fährt sie doch einen schicken neuen Wagen...
Man verzeihe mir die lange Inhaltsangabe, aber die Geschichte ist wirklich herrlich abgedreht. Dafür verantwortlich ist der japanische Comedian Hitoshi Matsumoto, der als Regisseur, Produzent, Drehbuchautor und Hauptdarsteller in Personalunion fungiert. Womöglich war er mit dieser Belastung ein wenig überfordert, da sich sowohl die in „Stromberg“-Manier gedrehten Interviewpassagen als auch die computeranimierten Monsterkämpfe oftmals etwas ziehen. Die Skurrilität des ganzen Szenarios (ich sage nur Stinkmonster, Hüpfmonster, Knabenmonster...) lassen aber nie wirkliche Langeweile aufkommen. Die Kämpfe erinnern nicht von ungefähr an alte „Godzilla“-Schinken, wirkliche Action darf man aber nicht erwarten. Und zum Endkampf verliere ich kein Wort, der ist einfach zu geil. Nur soviel: der Computer hatte Pause...
Das klingt alles nach einer ziemlich sinnfreien Klamauknummer? Ja, irgendwie schon. Das ist es aber nur bedingt. Wer genauer hinschaut, entdeckt zahlreiche Anspielungen auf den gesellschaftlichen und politischen Zustand des modernen Japans. Alte Traditionen verlieren zunehmend an Bedeutung; der Einfluss des Westens wird immer stärker, während man sich mit den altbekannten Feinden herumschlägt. Und auch das Schicksal des einzelnen Menschen wird anhand von Daisato dargestellt. Im privaten Leben ist der nämlich ganz und gar kein Superheld, sondern ein einsamer, trauriger Mann, der seine Lage durch Gleichgültigkeit zu überspielen versucht, während die Dokumentation über ihn ständig das Gegenteil beweist. Dementsprechend fällt der dramatische Anteil in dieser „Monstergeschichte“ gar nicht mal so klein aus.
Fazit:
„Der große Japaner“ ist ein origineller Film, der vielschichtiger daherkommt, als man anfangs vermutet. Der Humor ist trocken und scharfzüngig, die Kämpfe sind irrwitzig albern, die Interviewpassagen melancholisch nüchtern. Eine merkwürdige Mischung, die man wohl nur aufgeschlossenen Filmliebhabern zumuten kann. Mir hat der Film trotz einiger Längen sehr gut gefallen. Alleine das „Godzilla meets Helge Schneider meets [irgendeine Anime-Serie einsetzen]-Finale spottet jeder Beschreibung . Wer den Film bis dahin durchgehalten hat, dürfte definitiv seinen Spaß haben.
8/10 Punkte