Six Feet Under
Warnung:
Da es bei einer Serie schier unmöglich ist, ein Review gänzlich ohne Spoiler zu verfassen, so weise ich darauf hin, dass sich immer wieder kleine Verratungen in die Reviews einschleichen könnten, die den Filmgenuss doch ziemlich trüben. Also für all diejenigen, die die Serie bisher nicht gesehen haben, sind die folgenden Zeilen eher mit Bedacht zu schmökern…
Der Distributor HBO (“Home Box Office”) kann für die Gemeinde der Serien-Fans nur als Glückfall bezeichnet werden; so brachte er doch Serienknüller wie „Deadwood“, „Angels in America“ und „Die Sopranos“ ins Fernsehen und revolutionierte das vom Einheitsbrei dominierte TV-Geschäft und verschärfte das Verständnis des Publikums für anspruchsvolle Fernsehunterhaltung. Dass dabei oftmals vulgäre Sprache, wie auch rüdere Szenen Einzug ins „Mainstreamfernsehen“ hielten, kann als Glücksfall gedeutet werden, denn damit einhergehend wurden auch - für amerikanische Verhältnisse – eher schwierigere Themen wie Homosexualität, Rassendiskriminierung und zynische Sozialkritik abgefasst und lassen die Serien oftmals schwer verdaulich erscheinen, wobei der Anspruch dabei ins vergleichsweise Unermessliche steigt. Exemplarisch möchte ich hier nur einmal die geniale, aber leider viel zu sehr unterschätzte Serie „Angels in America“ benennen, die schlichtweg meisterhaft inszeniert wurde und dabei (in Deutschland) kaum Beachtung fand.
Die wohl bekannteste Show - neben den „Sopranos“ - aus dem Hause HBO ist die fünf Jahre im Fernsehen gelaufene Bestatterserie „Six Feet Under“ von Alan Ball (Oscarprämiertes Drehbuch zu „American Beauty“). Kritiker und Publikum waren gleichermaßen beeindruckt von dem Konglomerat aus Dramaserie und Familienchronik, verfeinert mit pechschwarzem Humor und dem noch nie da gewesenen Setting einer Bestatterfirma, welche das gesellschaftliche Tabuthema „Tod“ als Geschäft betreibt und sich täglich damit konfrontiert sieht. Nicht umsonst gewann die Serie mehrere Emmys und einen Golden Globe.
Season 1
Mit der ersten Season erleben wir, wie das Oberhaupt der Familie Fisher bei einem Autounfall ums Leben kommt, wodurch die beiden Söhne die Leitung des Familienunternehmens übernehmen.
Die erste Staffel ist gezeichnet von den auf den ersten Blick eher skurril wirkenden Charakteren; wobei vor allem die Mutter Ruth hervorsticht, die durch ihr oftmals verstiegenes konservatives Verhalten irritiert; auch der jüngere Sohn David ist durch seine Homosexualität immer wieder den gesellschaftlichen Konservativen ausgesetzt, wodurch sich im Laufe der Serie immer wieder Kontroversen zwischen ihm und seinen Freund Keith ergeben. Auch die Tochter Claire wirkt durch ihr naives Verhalten und dem exzessiven Konsum von Drogen eher anstößig. Am normalsten scheint da noch der ältere Sohn Nathaniel, der sich im späteren Verlauf der Serie auch immer mehr als Identifikationsperson herausstellen soll.
Schon die Pilotfolge unter der Regie von Alan Ball deutet an, in welche Richtung die Show gehen soll. Die ständig morbide wirkende Stimmung der Serie wird durch den plötzlichen Tod des Vaters demonstriert, wohingegen immer wieder zynische Einspieler von Werbungen für die nötige Ironie stehen sollen, mit der die Serie, trotz all ihrer Differenziertheit, an die Materie herangeht. Dies zieht sich auch durch den Rest der Staffel, wobei die Folgen durchgehend mit dem Tod einer Person beginnen.
Lustige Episoden („Der verlorene Fuß“) wechseln sich ebenso mit schwermütigen („Das Leben ist zu kurz“) ab, wodurch die Serie immer unkalkulierbar bleibt… wie das echte Leben. Dadurch mag sich der ein oder andere etwas vor den Kopf gestoßen fühlen; denn es werden wohl gerade diejenigen ernüchtert werden, die eine durchgehend fidele Serie erwartet haben. In den ersten Episoden mag dies noch durchaus der Fall sein; doch beim weiteren Voranschreiten wird immer deutlicher, dass die Macher mehr wollen, als nur simple Unterhaltung, die das Thema „Tod“ augenscheinlich mit schwarzem Humor zu kaschieren versucht; damit würde man es sich und dem Zuschauer schlicht zu einfach machen. Nein – Alan Ball gab sich damit nicht zufrieden: Oftmals werden Fragestellungen zum Tod, dem Sinn des Seins und allgemeinen sozialkritischen und auch politischen Aspekten beleuchtet, die es so nicht - oder eher selten - im amerikanischen Unterhaltungsfernsehen zu sehen gibt. In diesem Sinne eine wahres Unikum in der breiten TV-Landschaft.
Viele Szenen werden wohl noch nachhaltig im Gedächtnis bleiben (Der Anfang von „Der verhängnisvolle Ausflug“ ist in seiner Inszenierung absolut intensiv und rührend und wird sich im Gedächtnis des Zuschauers einbrennen). Die Serie geht einem nahe – sie ist persönlich – und sie behandelt ein Thema, welches uns alle betrifft; und mit welchem sich ein Jeder früher oder später konfrontiert sieht: Dem Tod.
Die letzte Episode kann dann als kongenialer Abschluss bezeichnet werden; so bildet sie doch den Anstoß für eine eventuelle Klimax in der nächsten Staffel…
9/10