Ken Park
Nach wenigen Minuten des Films wird ungeschönt der Selbstmord eines unbekannten und noch namenlosen Jugendlichen gezeigt, welcher kurz vor seinen öffentlichen Suizid eine Kamera auf sich gerichtet hat, um es auch für die Nachwelt festzuhalten.
Wer jetzt denkt, dass im weiteren Filmverlauf sein Tod geklärt wird oder das jener Jugendlicher überhaupt richtig vorgestellt wird, denkt womöglich noch zu sehr in konventionellen Bahnen.
Mit „Ken Park" hat Regisseur Larry Clark endlich sein Traumprojekt realisieren können, woran er bereits vor seinem ersten Film „Kids" gearbeitet hat. Doch um einen kleinen Independent-Film zu verwirklichen ist es meist ein langer und steiniger Weg und daher ist „Ken Park" schon sein vierter Film und könnte auch als ein Abschluss seiner „Teenager-Trilogie" („Kids", „Bully", „Ken Park") angesehen werden. Im Gegensatz zu seinen beiden vorherigen Filmen seiner thematischen Trilogie beschreibt er dieses Mal nicht nur den Mikrokosmos einer Jugendclique, sondern er lässt uns an der Interaktionen in vier verschiedenen Familien teilhaben. Alle diese Familien haben ein gestörtes Verhältnis worunter vor allem die Kinder bzw. Jugendlichen leiden, denn die Erwachsenen versuchen ihre emotionale innere Leere durch die emotionale Ausbeutung ihrer eigenen Kinder zu füllen.
(Wer sich für dieses Thema wirklich interessiert sollte lieber das Buch „
Warum unser Kinder Tyrannen werden“ lesen.)
Die Regisseure Larry Clark und Edward Lachman zeigen sehr offen die verschiedenen Formen des elterlichen Missbrauchs und der Zuflucht der Jugendlichen zu ihren Freunden und Sex als Erlösung. Der Film zeigt alle Aspekte im Detail und tabuisiert nichts, sodass dieser Film aufgrund seiner freizügigen Szenen heftig und kontrovers diskutiert worden ist und in manchen Ländern bis heute verboten ist.
War die Provokation von den Regisseuren intendiert? Clark ist schon häufig wegen seiner voyeuristischen Darstellung von Teenagern kritisiert worden und sein Ziel war es, realistisch verschiedene Familiensituationen zu porträtieren ohne die dogmatischen Tabus der Kinoindustrie. Doch wo ist denn der künstlerische Wert oder die Relevanz für das Thema oder für die Handlung des Films, wenn Clark einen betrunken Vater beim Urinieren zeigt und sogar eine Nahaufnahme vom Penis darbietet?
Clark hat vier familiäre Extremsituationen ausgewählt und will damit das Bild von amerikanischen Mittelschichtfamilien nachzeichnen, aber er versucht den Alltag zu verdrehen und will klarstellen, dass diese Dinge viel häufiger in unserer Gesellschaft vorkommen, als wir denken. Aber vielmehr arbeitet er mit der gleichen Methode wie aktuelle „Scripted-Reality-Formate“, welche die Unterschicht abbilden wollen und somit auch ein verzerrtes Bild der Gesellschaft entwerfen, um mit möglichst krassen Bildern und Situationen Quote zu machen.
Der einzige Unterschied liegt in der Qualität der Bilder und der Leistung der Schauspieler. So besitzt „Ken Park“ die Optik eines amerikanischen Hollywoodfilms oder eines aktuellen europäischen Films und wurde gänzlich ohne Handkamera gedreht. Bei den Schauspieler setzte Clark bei den Jugendlichen auf Amateure, die ihre Sache aber sehr gut machen, und bei den Erwachsenen auf richtige Schauspieler, die auch souverän agieren. Doch die technische und qualitative Überlegenheit dieses fiktionalen Films gegenüber den dokumentarischen „Scripted-Reality-Formaten“ ist nur zweitrangig, wenn der inhaltliche Wert bei beiden Formaten niveaulos bleibt.
Mögen Larry Clark und Edward Lachman mit ihrem Film höhere Ziele verfolgen, aber schlussendlich ist der Film zu einseitig und plakativ und gibt ein verzerrtes Bild der Gesellschaft wider.