AW: The International
The International
“The International” ist der am besten aussehende Politthriller der letzten Jahre. Das Verhältnis von Mensch und Institution wird eindrucksvoll in Szene gesetzt: eine auseinander berstende Menschenmenge nach einem Attentat, aus der Vogelperspektive eingefangen bloß eine Masse von schwarzen Punkten, die sich zerstreut, oder kleine schwarze Striche, die eine Treppe besteigen, welche in der Breite 80-mal mehr Masse aufweisen als der Strich, überdimensionale Foyers und Logen, in deren Zentrum die Portiers sich fühlen müssen wie in der Schaltzentrale eines UFOs, solche Bilder werden hier mit Bravour generiert. Ebenso wie eine ausgezeichnet choreografierte Schießerei in einer Nachbildung des Guggenheim-Museums, die aufgrund ihrer packenden Abruptheit an den legendären "Heat"-Schusswechsel mahnt.
Weitwinkel- und Panoramaaufnahmen bäumen sich auf, von Meisterwerken der Architektur wird Tom Tykwers US-Debüt, das vor seiner Premiere Werbung mit der aktuellen Finanzkrise schaltete, im positiven Sinne geradezu erdrückt. Dass die Realität den Film überholt habe, ist dabei ganz fantastische PR. Allerdings muss man dann auch den Schritt gehen und “The International” an seiner Authentizität messen, seinen Einblicksmöglichkeiten in die Kreisläufe der gewaltigen Wirtschaftsapparate. Wenn sich der Thriller schließlich aber als solcher aus der Subunterteilung “Agenten” entpuppt und mit seinen nicht enden wollenden Impressionen von glänzenden Fassaden mehr an den neuen Bond erinnert als an die Ermittlungen der “Unbestechlichen” aus dem Jahr 1976, muss sich diesbezüglich leise Enttäuschung einstellen.
Mit Clive Owen kämpft sich ein einzelner Mann, dicht gefolgt von Komparsin Naomi Watts, gegen die, so scheint es, größten Mächte der Erde zur Wahrheit hindurch. So seriös der Deckmantel der Thematik, so sehr schimmert doch hindurch, dass der Hauptdarsteller mit Bourne und Bond verglichen werden muss; zynische Naturen würden sagen, ein solcher Vergleich reichte nicht aus, und man müsse schon in Bruce-Willis-Weltenretter-Gefilde eindringen, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Ist “The International” bloß eine als Realismus getarnte Metapher für gewöhnliche Actionthrillerschemata, so wie sich gewöhnliche Actionthriller metaphorisch auf adrenalinfördernde Aspekte des realen Lebens beziehen? Im schlimmsten Fall: ja.
Was eben fehlt, ist der eine Blick hinter die Fassade, oder man könnte auch sagen: die Aussage des Films, seine persönliche Signatur.
6/10