Kritiken von Vince
Masters of Horror Season 1
06. Deer Woman (John Landis)
Dieser wahnsinnige John-Landis-Humor. Ich hab mich scheckig gelacht.
Es geht um einen Mordfall - ein Trucker wird in seinem Laster zerfleischt. Da werden die Überlegungen eines Ermittlers inszeniert, drei Wege, wie die Tat abgelaufen sein könnte, mit jeweils total absurden Ausgängen - Stichwort “Killerrehkitz”. Da sind zwei gestandene Cops, die von einem Indianer darüber aufgeklärt werden müssen, dass die “Deer Woman” nur eine Legende ist und die Fabelgestalt, halb Frau, halb Wild, nicht wirklich existiert. Und da sind all diese köstlichen Dialoge, voll beißender Ironie, bei denen man am liebsten die Faust wie eine Säge vor- und zurückschnellen lassen möchte. Sicher, es waren ein paar Längen dazwischen, hier und da wird es mal etwas trockener und wenn man die entsprechenden Passagen in Landis' Werwolfklassiker "American Werewolf" zum Vergleich heranzieht, kann “Deer Woman” in vielen Fällen einfach nur verlieren.
So sollte man “Deer Woman” vielleicht besser als Parodie auf die “Akte X: Monster of the Week”-Stories verstehen. Der Aufbau ist nahezu identisch und mal ehrlich, wenn der Ermittler kein zweiter Mulder ist, dann weiß ich auch nicht. Die Pathologin heißt "Dana" und hat sogar ein bisschen die gleichen Gesichtszüge wie Gillian Anderson. Dann Dialogzeilen wie "weißt du, normalerweise mache ich sowas nicht in meiner Freizeit" auf die Frage des Mulder-Verschnitts hin, ob er mitsamt Kollegen mal zum Tatort fahren wollen - das ist Akte X in Vollendung.
Ob so eine Episode nun in die "Masters of Horror"-Reihe gehört, ist wieder eine andere Frage. Rein horrortechnisch ist das Treiben ziemlich enttäuschend, da hätte noch mehr kommen können. Doch im Endeffekt ist das gar nicht so wichtig. Ein starker, weil herb ironischer Beitrag, übrigens mit einer “Deer Woman”, die wirklich zum Anbeißen ist - da bekommt man direkt Lust auf Wild.
7/10
07. Homecoming
Eine interessante und mutige Idee, die gnadenlos in den Sand gesetzt wurde. Man muss Joe Dante anerkennend zugestehen, dass er sich überhaupt an diese schwierige Thematik gewandt hat, aus typischem Horrormaterial ein Politikum zu machen.
Der Gedanke dahinter erscheint plausibel: Der Zombie ist ein willenloses Geschöpf, dessen Existenz von sinnentleerter Natur ist. Tot, aber dazu verdammt, wie Lebende umherzuwandeln, einen Zweck verfolgend, den sie nicht erfüllen können. Der Vergleich mit der Wählerschaft liegt da nahe: Individuen, die per Gesetz zwar dazu berechtigt sind, ihre Stimme abzugeben, die sich aber einem gigantischen politischen Apparat ausgesetzt sehen, auf den sie keinen Einfluss haben.
Nun - das regierungskritische Potenzial wird unter sterilen, möchtegern-satirischen Dialogen begraben, extrem unsympathische Figuren bestimmen den Verve der Folge. Dante fehlt jegliches Gespür, die Parallelen zum Zombie-Genre plausibel erscheinen zu lassen. Der humoristische Ton ist merkwürdig entrückt, was sich gerade in jenen Momenten bemerkbar macht, die Situationskomik transportieren sollen - wenn etwa der erste Zombie wählen geht und die verdutzte Wahlhelferin ihm den Weg zur Wahlkabine weist.
Die Zombies sind Make-Up-technisch noch auf "Dawn"-Niveau (Original-“Dawn”, wohlgemerkt) und handeln extrem uninteressant. Kurioserweise ist man sich darüber sogar im Klaren, wird dieser Umstand doch sogar in den Dialogen auf den Arm genommen (“Ich wünschte, diese verdammten Zombies würden endlich mal die Gedärme von jemandem fressen.”).
Die Botschaft ist schon angekommen: Die Toten werden zum Leben erweckt und sobald sie den Zettel in die Urne geworfen haben, fallen sie wieder tot um. Zweck erfüllt, haha. Aber Dante würde ich schon manchmal ganz gerne fragen, was er sich dabei gedacht hat, als er "Homecoming" inszenierte. Andere hätten aus dem Stoff Welten bauen können...
3/10
08. Jenifer (Dario Argento)
Es könnte stark abhängig sein vom Betrachter, wie man Argentos Beitrag aufnimmt. Fakt ist, das Drehbuch ist eine wahre Katastrophe, denn sobald der Cop die im Gesicht entstellte Blondine davor bewahrt hat, von einem Wahnsinnigen zerhackt zu werden, weiß man um das Ende der Geschichte Bescheid.
Die Story ist also schon mal erschreckend vorhersehbar und in der Folge dann noch mit allerhand Logiklöchern gespickt. Die Entscheidung der Hauptfigur (Steven Weber), Jenifer in sein Haus einzuladen und dafür seine Familie zu verlieren ist schlichtweg nicht nachvollziehbar - schon gar nicht, nachdem das anhängliche Ding dabei erwischt wird, die Innereien der Hauskatze in sich hineinzuschaufeln (und darüber noch glücklich zu grinsen).
Warum ich dennoch Gefallen gefunden habe an diesem Beitrag? Die Darstellung der Jenifer ist vom behaviouristischen Standpunkt aus wahnsinnig interessant und - hier kommt das Paradigma der Serie ins Spiel - ziemlich creepy. Der extrem attraktive Körper und dann die hässliche Entstellung des Gesichts. Die Anlehnung an die menschlichen Grundtriebe - Liebesbedürftigkeit, Verlangen nach Sex, Hunger, Neid, Gier, das Suchen von Geborgenheit - kombiniert mit animalischen Verhaltensweisen - macht in der Summe ein extrem verstörendes Gesamtbild. Die Sexszenen (hier tatsächlich künstlerisch notwendig, auch in der Häufigkeit!) entstehen fließend, beiläufig und natürlich getrieben durch einen der primären Grundinstinkte eines jeden Lebewesens.
So zerfahren das Skript auch sein mag, das halbmenschliche Wesen im Zentrum hat mich dort überzeugt, wo das Negativ “Incident On and Off a Mountain Road” versagte - bei der Figurenzeichnung. Schade, dass das auch vice versa für das Drehbuch gilt.
6/10
09. Dance of the Dead (Tobe Hooper)
Psychedelisch anmutendes, anarchisch-chaotisches Endzeitszenario, das durch die sehr sinneslastige Darstellung der wie im Vorbeiflug geschehenden Ereignisse zwar auf den ersten Blick äußerst interessant wirkt, auf Dauer allerdings ermüdet. Dazu trägt der penetrante Death Metal-Score bei, der einfach nicht zur Ruhe kommen will, sowie die fast schon Tony Scott-esken Bildmanipulationen, die in der Häufigkeit schnell selbstzweckhaft wirken.
Weiterhin ist der Inhalt unter der vielblättrigen Fassade altbekannt und abgegriffen, denn Tobe Hooper erschafft leider kein eigenständiges Gesellschaftsbild, sondern orientiert sich weitestgehend an der Filmgeschichte und übernimmt alle altbekannten, fast schon klischeehaften Manierismen einer am Ende gesellschaftlicher Ordnung stehenden Menschheit. Außerdem ist der titelgebende "Dance of the Dead", also das Tanzen von zombieähnlichen Menschen per Starkstromgerät, eine etwas merkwürdige Art, den Endzeit-Hedonismus zu vermitteln.
Die Darsteller, meist junges Fleisch, hampeln herum und overacten sich um den Verstand; nur die Protagonistin steht diesem Trend entgegen und zieht sich (wenn auch mit Hilfe ihres hübschen Gesichts) ganz achtbar aus der Affäre. Robert Englund wirkt als Anheizer in dem Metal-Schuppen ein wenig fehl am Platz, was aber in den Szenen jenseits seiner Entertainer-Rolle aufgewogen wird - hier handelt er wie ein Clown, der nicht ernstgenommen wird und seinem Assistenten den Kopf abbeißt, um zu demonstrieren, wie ernst er in Wirklichkeit sein kann.
"Dance of the Dead" hat seine seltenen Momente, zweifellos, aber weniger wäre hier klar mehr gewesen, im Sinne von: Weniger Chaos, mehr Substanz, bitte.
3/10
10. Imprint (Takashi Miike)
Takashi Miike ist verantwortlich für einen Beitrag, der die komplette erste Staffel gnadenlos überstrahlt mit einem brennenden Licht, das die restlichen Beiträge zu kleinen Häufchen Asche verwandelt. Ein abgestorbener Ginkgobaum mit wehenden Bändern vor einem Horizont, der in grünes Licht getaucht ist und vor dem sich ein rotblau gefärbter Fluss bewegt, ist nur eines der Panoramen, die sich im Japan des 19. Jahrhunderts an einem Geisha-Bordell auftun. Eine Bildgewalt, die ihresgleichen sucht.
Mit der charakteristischen Geduld führt Miike den Zuschauer behutsam in eine Kultur ein, die für sich genommen schon befremdlich genug ist. Wenn man dann mit den sadistischen Folterfantasien konfrontiert wird, die sich plötzlich wie ein schreckliches Geheimnis lüften, ist man in einer Totenstarre gefangen. Man kann den Blick kaum abwenden von den Gräueltaten, die da aufgrund eines vermuteten Diebstahls geschehen, und die weniger Strafe für die Verurteilte sind, sondern vielmehr Befriedigung für die Urteilssprecherin, die es deutlich genießt, Nadeln unter die Fingerkuppen oder in das Zahnfleisch ihres Opfers zu schieben.
Der Aufbau ähnelt “Audition”, mit dem Unterschied, dass die Absurditäten diesmal bereits in eine Welt einbrechen, die durch das Phantastische schon bestimmt ist. Das ermöglicht Miike subtile Andeutungen von Horror - wie ein plötzlich erscheinendes aschfales Gesicht hinter der Erzählerin - wo man in einer weniger märchenartigen Umgebung vielleicht schon einen konkreten Schockeffekt wahrgenommen hätte. Die grotesken Erscheinungen wirken nicht von Natur aus fehlentrückt und schockierend, denn in dieser Umgebung akzeptiert man sie bis zu einem gewissen Grad, der jedoch immer wieder überschritten wird, um Abgründe menschlichen Handelns teilweise symbolisch entstellt zu manifestieren.
Mit diesem Rezept gelingt Miike der wohl beste Beitrag der ersten Staffel, ein Fest von Schmerz und Pein, appellierend an ureigenste Emotionen und emotionale Abarten - zwischen der Liebe zu einer Frau, Gewalt und Inzest, Abtreibungen, Sadismus, Masochismus, Freundschaft, Isolation und Zerstörung.
9/10