Brokeback Mountain

Travis

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Gesamtübersicht aller Kritiken zu Brokeback Mountain:

#02 02.12.08 Vince
 
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Travis

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AW: Brokeback Mountain

Kritik von Vince


BROKEBACK MOUNTAIN
Ausschnitte aus meiner ofdb-Kritik

"Brokeback Mountain" glückte schlussendlich aus einem Grund: Weil Ang Lee Ang Lee ist.

Im Grunde betritt Ang Lee keinesfalls neuen Boden und ist auch gar nicht mal so mutig, wie man zunächst annehmen sollte. Dieser Eindruck kann sich nur dann bilden, wenn man mit Plakat, Inhaltsangabe und Trailer vertraut ist und glaubt, sich aufgrund dessen ein Urteil bilden zu können, kurz: Wenn man das Werk auf die einfache Formel “Schwulendrama im amerikanischen Weste(r)n” reduziert.
Tatsächlich schmiegt sich “Brokeback Mountain” jedoch nahtlos in die restliche Vita des Taiwaners ein und ist damit erschlossenes Land.

Lee inszeniert stets kalt und unpathetisch, was von Außenstehenden oder solchen, die nicht allzu sehr mit seinem Lebenswerk vertraut sind, als künstlich oder gar unglaubwürdig fehlinterpretiert werden könnte. Tatsächlich schafft der Regisseur mit dieser Vorgehensweise jedoch eine Sphäre, unterhalb derer Dinge gedeihen, die seinen Kollegen ihr ganzes Leben lang nicht gelingt: Er dringt unter die Oberfläche seiner Charaktere und macht sie für das Publikum begreifbar.

“Brokeback Mountain” ist nun das Resultat der glücklichen Fügung, dass der richtige Mann für das richtige Projekt engagiert wurde. Genau genommen dürfte die Kollaboration mit “Glück” aber wenig zu tun haben, weil davon auszugehen ist, dass Lee sich seine Projekte nach bestem Gewissen aussucht und schon im Vorfeld genau wusste, wohin die Reise führen würde. Ergebnis dessen sind Filme wie das Wuxia-Epos “Tiger & Dragon”, die Comicverfilmung “Hulk” oder eben das vorliegende Liebes- und Diskriminierungsdrama; Filme, die nicht nur durch die unterschiedlichen Genres auf den ersten Blick andersartiger nicht sein könnten, sondern auch in Disziplinen wie Pacing, Dramaturgie, Effekte oder Actiongehalt stark voneinander abweichen. Lee scheint ein Meister des Facettenreichtums zu sein, doch ineinander geflochtene rote Fäden ziehen sich wie ein DNA-Strang durch sein komplettes Lebenswerk. Sie alle thematisieren im Kern das Gleiche: die Sehnsucht des Menschen, aus der Maske auszubrechen, die ihm die Gesellschaft auferlegt hat.

Dahingehend ist die dargestellte Homosexualität nurmehr ein Katalysator eines universellen Anliegens des Regisseurs. Mit dem angenehmen Nebeneffekt selbstverständlich, dass “Brokeback Mountain”, vielleicht zusammen mit der Serie “Six Feet Under”, die wichtigste und effektivste Aufklärung über Homosexualität im neuen Jahrtausend bereithält. Nicht etwa, weil analytisch und plausibel erläutert werden würde, dass es keine Krankheit ist, schwul zu sein. Vielmehr deswegen, weil die Neigung zu gleichgeschlechtlichen Partnern in diesem Rahmen nur die äußere Erscheinung eines tiefliegenden Bedürfnisses eines jeden Menschen ist, egal ob schwul oder nicht: Der Wunsch, sich frei entfalten zu können, der Wunsch nach gesellschaftlicher Akzeptanz... in diesem speziellen Fall zudem der Wunsch nach Nähe und Geborgenheit. Das sind Dinge, die jeder Mensch nachvollziehen kann und deswegen schafft Ang Lee es endlich wieder, was ihm kurz zuvor mit “Hulk” teilweise verwehrt blieb: er lässt sein Publikum in die Herzen der Protagonisten schauen.

Sieht man von einigen wenigen Ungleichgewichtungen bezüglich der Figurenschreibung im zweiten Abschnitt mal ab, kann sich Ang Lee mit einer meisterhaften und beinahe makellosen Erzählung rühmen, die begleitet von konkurrenzlosen Bildern einen weiteren Baustein zum großen Kern beitragen, der im Zentrum des Regisseurs steht. Und dennoch ist es nicht “nur” ein Baustein für eine größere Sache, sondern verfügt für sich gesehen über einmalige Qualitäten, aber: es ist eben trotzdem auch ein Baustein. Diese Vielschichtigkeit verdeutlicht, dass “Brokeback Mountain” nicht einfach nur die Liebe zwischen zwei Männern dokumentiert. Wir sind mitten im Herzen dieser Männer, schweben aber auch beobachtend über der Gesellschaft, die wechselwirkend auf ihre Mitglieder einwirkt. Das ist Ang Lee.
9/10
 

Travis

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AW: Brokeback Mountain

Beitrag von Farman

Mich persönlich hatte der Film damals eher kalt gelassen. Ist definitiv ein guter - viel zu selbstbewusst, um provozieren zu müssen, um provozieren zu wollen, in dieser Hinsicht vergleichbar mit Wong Kar-Wais "Happy Together" (imo überlegen, auch wenn es reichlich blöd und das Anliegen dieser Filme eher pervertierend ist, zwei Filme als verwandt und vergleichbar anzusehen, nur weil es um homosexuelle Liebe geht), beides einfache Liebesgeschichten. Vince kurz angedeutete "Ungleichgewichtungen bezüglich der Figurenschreibung im zweiten Abschnitt" waren für mich ausschlaggebend. Für mich war er recht stagnierend und ich hatte am Ende doch das eher das Gefühl, er ist zu durchsichtig und intelligente Simplizität wurd bei mir recht schnell zu banaler Simplizität. Aber ist wohl einfach ne Gefühlssache. Auf ein wirkliches Meisterwerk mit einem Schwulenpaar im Vordergrund warte ich noch (Top Gun?). In einem alten Stummfilm der Zwanziger von Carl Theodor Dreyer, "michael" (kam mal auf arte, glaub ich), wurde es angedeutet, und es war für mich viel bewegender sowohl als Lees als auch als Wongs Versuch. Das Ende war auf eine mir bislang ungekannte Weise verstörend.
Was Ang Lee betrifft: Seine letzten Filme mag ich persönlich nicht sehr, "Hulk" nicht und auch "Tiger and Dragon" nicht sehr. Viel besser finde ich "Ride with the Devil", revisionärer Western, der es nicht nötig hat ständig zu betonen, dass er revisionär ist, "Der Eissturm", ein auf den ersten Blick kalt wirkender, sehr präziser, unsentimentaler, soziologischer Film über Familie, Sexualität, das Erwachsenwerden, soziale Kälte, Popkultur und und und, aber vor allem: "Eat Drink Man Woman". Dieses taiwanesische Frühwerk ist ein absolut bezaubernder und extrem sympathischer Streifen, den ich nur weiterempfehlen kann.
 

Travis

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AW: Brokeback Mountain

Mir geht es mit mit dem Film ziemlich ähnlich wie Farman. Klar, ist es ein handwerklich über jeden Zweifel erhabenes Werk, welches vor allem im optischen Bereich unheimlich zu beeindrucken versteht. Da könnte man tatsächlich fast jedes "Dia" der Landschaftsaufnahmen wahllos aus der Filmrolle schnippeln, sich dieses als Poster vergrößern lassen und es an die Wand hängen. Doch die Story selbst und vor allem deren doch über weite Strecken eher an der Oberfläche bleibende Zeichnung ließ mich mit zunehmender Dauer immer mehr die Frage stellen: Was sehen alle Bewunderer dieses Films, was ich so partout scheinbar nicht zu sehen vermag?

Somit saß ich am Ende des Films relativ ratlos da. Meine Frage war nicht beantwortet und ich hatte das fade Gefühl, einen zwar handwerklich gelungenen Film gesehen zu haben, der mich über weite Strecken allerdings eher gelangweilt hatte. Bis heute tröste ich mich mit dem Gedanken, den Film vielleicht an einem unpassenden Abend gesehen zu haben und bei sich anbietender Gelegenheit und Stimmung, ihm eine neues Chance zu geben und dann womöglich völlig anders zu sehen. Seltsamerweise hatte ich bis heute nicht das Bedürfnis, diesen Abend als gekommen anzusehen.

Mein Lee-Favorit bleibt daher weiterhin "Ride with the Devil", den Farman genau passend beschrieben hat. Auch "Tiger and Dragon" ist ein Film, mit dem ich nicht viel anfangen kann. Lediglich bei "Hulk" scheine ich ein Aussenseiter zu sein. Natürlich ist das kein Meisterwerk, aber wenn ich ihn mit so manch anderen hochgelobten Comic-Verfilmungen vergleiche kann ich bis heute nicht nachvollziehen, was an ihm so schlecht sein soll. Liegt wahrscheinlich daran, daß er nicht mit einem Action-Overkill startet und sich für den allgemeinen Comicfan dann doch zu sehr mit den Personen beschäftigt, bis er endlich die gewünschten Panzer-Weitwurfnummern bietet.
 

crizzero

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Ich weiß nicht, wie ich darauf komme, aber ich musste heute an "Brokeback Mountain" denken. Und das obwohl ich mich zuletzt im kiwigrünen Forum dazu geäußert habe... komische Sache. Aber das sind sie eben, diese großartigen Filme, die dann und wann ganz unverhofft gedanklich einfach mal reinschneien.

Jedenfalls musste ich mir diese Beiträge hier nochmal gründlich durchlesen und vor allem Vince' wunderbare Kritik. Das ist wirklich ganz feiner Text, den ich einfach nur bejubeln kann! :hoch:

In mir keimt nun das Verlangen auf, diesen großen Film endlich mal wieder zu genießen. Ich weiß noch, dass ich ihm damals 10/10 gegeben habe, weil er mich geplättet hat. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass er diese Bewertung nach all den Jahren, die seit dem Ersteindruck vergangen sind, bestätigen kann.

Dank dieser tollen Beiträge habe ich nun richtig Bock auf den Film!

Wenn ich jetzt nur wüsste, in welcher DVD-Kiste die Deluxe Edition liegt... :uff:
 
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Vince

Filmstar
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AW: Brokeback Mountain

Huch, welch unerwartetes Lob! Danke... Film hab ich jetzt insgesamt zweimal gesehen und auch beim zweiten Mal hat er noch prächtig funktioniert. Ich muss mich bei dem schweren Thema immer zwingen, aber wenn man im Film ist, zieht er in den Bann.
 

crizzero

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Huch, welch unerwartetes Lob! Danke...

Das ist eben eine in meinen Augen perfekte Analyse eines überwältigenden Films... das muss man so erstmal hinbekommen. Deshalb das dicke Lob! :hoch:

Film hab ich jetzt insgesamt zweimal gesehen und auch beim zweiten Mal hat er noch prächtig funktioniert. Ich muss mich bei dem schweren Thema immer zwingen, aber wenn man im Film ist, zieht er in den Bann.

Ja, einfach ist es nicht, die richtige Stimmung für den Film zu finden. Daher bin ich eigentlich froh, dass ich sie zur Zeit habe. Ich hoffe, ich komme bald zur erneuten Sichtung!

Hier wird es ohnehin mal Zeit für etwas mehr Beiträge zu diesem Film...
 
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