AW: Lolita
Lolita
Der europäische Literaturwissenschaftler Humbert Humbert macht sich auf in die USA, um eine Stelle am Beardsley College anzutreten. Auf dem Weg dorthin landet er im beschaulichen Örtchen Ramsdale, wo er sich für einige Tage bei der Witwe Charlotte Haze ein Zimmer mietet. Charlotte hat sofort ein Auge auf Humbert geworfen, zum Bleiben verleitet ihn aber letztlich ihre zwölfjährige Tochter Dolores, genannt Lo. Humbert, der ein Faible für kleine „Nymphchen“ hat, wähnt sich im Himmel und heiratet schließlich sogar „die alte Haze“. Nachdem diese ihm auf die Schliche gekommen ist und kurz darauf bei einem Autounfall stirbt, nimmt das Unheil seinen Lauf: Humbert holt die sich zum Zeitpunkt des Unfalls in einem Ferienlager befindende Dolores ab, um mit ihr die angeblich erkrankte Mutter im Hospital zu besuchen. Es beginnt eine verhängnisvolle Reise durch die USA, die sämtliche Beteiligten unaufhaltsam ins Unglück stürzen wird...
Adrian Lynes Verfilmung von Vladimir Nabokovs Skandalroman aus dem Jahre 1955 erzählt die tragische Liebesbeziehung zwischen Humbert Humbert und der minderjährigen Dolores „Lolita“ Haze auf ruhige, aber eindrucksvolle Art und orientiert sich – im Gegensatz zu Stanley Kubricks Film aus dem Jahre 1962 – stark an der Buchvorlage. Dementsprechend sucht man actionreiche Szenen vergeblich, lange Einstellungen und der elegische Soundtrack von Ennio Morricone beherrschen die Szenerie. Die Erzählerstimme von Humbert aus dem Off, die zahlreiche, teils originalgetreue Zitate aus dem Buch vorträt, tut ihr übriges dazu. Auflockernd wirkt der dezent eingestreute, wenn auch bitterböse Humor, der schon den Roman auszeichnete – bei diesem heiklen Thema sicherlich kein leichtes Unterfangen.
Getragen wird der Film von den durchweg hervorragenden Leistungen der Hauptdarsteller, allen voran Jeremy Irons als innerlich zerrissener Humbert Humbert. Auch die zum Zeitpunkt des Drehs erst siebzehnjährige Dominique Swain überzeugt in ihrer ersten Hauptrolle. Sie verkörpert einerseits die kindliche Lo und andererseits die frühreife Kindfrau Lolita, die Humbert durchaus in ihrem Sinne zu manipulieren weiß, auf souveräne Weise. Ebenso überzeugend: Melanie Griffith als die etwas dümmliche Charlotte sowie Frank Langella als mysteriöser, seine pädophilen Neigungen voll auslebender Schriftsteller Clare Quilty.
Fazit: „Lolita“ ist ein absolut gelungenes Erotik-Drama (mit Betonung auf Drama, die Erotik rückt in den Hintergrund und wird größtenteils nur angedeutet), das in der selben Liga wie das thematisch ähnlich gelagerte „The Woodsman“ spielt. Aufgrund der Nähe zur Romanvorlage und der Länge von 133 Minuten wirkt der Film teilweise etwas zäh, was mich aber nicht weiter gestört hat. Meiner Meinung nach ein sehr gutes Remake (wenn man im Fall einer Literaturadaption überhaupt von einem Remake sprechen kann), das der Erstverfilmung von Stanley Kubrick überlegen ist.
9,5/10 Punkte