AW: Kleines Herz in Not
Kleiner Herz in Not
Nach "Der Dritte Mann" und "Ausgestoßen" war die weitere Sichtung eines Reed Films nur eine Frage der Zeit. Ich entschied mich für "Kleines Herz in Not"(welcher 1948 erschien, somit genau zwischen "Ausgestoßen" (1947) und "Der Dritte Mann" (1949)), dessen Originaltitel "The Fallen Idol" möglicherweise geläufiger ist. Im Gegensatz zu den zwei genannten handelt es sich bei "Kleines Herz in Not" nicht um einen Film-Noir im herkömmlichen Sinne, sondern Reed nahm hier zwischendurch wieder etwas Abstand zu kriminellen Persönlichkeiten und einer Großstadt. So spielt sich die Handlung fast ausschließlich in der französischen Botschaft in London ab. Aber auch dieses Werk weiß zu überzeugen. Zur Story:
Phillipe wird oft von seinem Vater, einem hochranigen Diplomaten, allein gelassen. Sein großes Vorbild ist Butler Baines, der zusammen mit seiner hysterischen Gattin den Haushalt führt. Eines Tages kommt Phillipe hinter Baines' Verhältnis mit der Sekretärin Julie. Nach einer folgenschweren Auseinandersetzung zwischen dem Ehepaar bricht sich Mrs. Baines bei einem Sturz auf der Kellertreppe das Genick. Hat Mr. Baines seine Gattin umgebracht?
Was sich auf dem Papier seht interessant und spannend liest, kommt dann auch filmisch so rüber, auch wenn sich der Film sehr viel Zeit für die einzelnen Charakter nimmt und diese ausgiebig vorstellt. Da ist zum einen Baines, toll gespielt von Ralp Richardson, der sympathischer Butler im Hause, der für den kleinen Phillipe sowohl Freund als auch Ziehvater zu sein scheint. Mrs. Baines (Sonia Dresdel) hingegen ist das genaue Gegenteil von ihrem Mann. Kaltherzig, und Streng, was sie vor allem an Phillipe auslässt. Hinzu kommt Baines geliebte, Julie (Michèle Morgan), welche eigentlich kurz vor der Abreise aus London steht, weil Baines noch immer mit seiner Frau zusammen ist, bzw. diese ihn nicht "freigeben" will. Dann ist da natürlich noch Phillipe (Bobby Henrey), der Sohn des Botschafters der Baines bewundert und recht bald herausfindet, dass Baines eine Affäre am laufen hat.
Bis es zu dem Treppen"sturz" kommt, vergeht also gut eine Stunde, was bei einem Film mit 90 Minuten Laufzeit recht lange ist, aber trotzdem gestaltet sich der Film fast durchgehend interessant(ein paar kleine Längen gibt es mMn), was eben an den sehr guten Charakteren liegt. Man weiß ja die ganze Zeit zu was es noch kommt und so schaukelt sich die Stimmung dann permanent hoch. Phillipe ist dabei der zentrale Punkt, der ungewollt dafür sorgt, dass diese Affäre auffliegt und auch nach dem Tot von Mrs. Baines, seinen Freund Mr.Baines mit seinen Aussagen vor der Polizei eher belastet, anstatt ihm zu helfen, was aber seine eigentliche Absicht ist.
Ohne spoilern zu wollen, kann man sagen, dass sich daher die Schlussminuten sehr spannend gestalten und man hofft das Baines irgendwie aus der Sache rauskommt (ob schuldig oder nicht), auch wenn es nicht danach aussieht.
Die Wahl der Darsteller ist gut gelungen, vor allem Ralph Richardson als Butler ist perfekt besetzt. Man schließt ihn dank seiner sympathischen und Kinderfreundlichen Art sofort ins Herz. Auch
Sonia Dresdel als Mrs. Baines liefert eine tolle Show ab und weiß als unsympathische, kaltherzige Ehefrau zu überzeugen. Bobby Henrey meistert seine Kinderrolle ebenfalls sehr gut und Michèle Morgan spielt solide.
Der für mich nun dritte Reed Film entpuppt sich daher ebenfalls als richtig gut (wenn auch nicht ganz so stark wie "Ausgestoßen" oder gar "Der Dritte Mann", wohlwissend, dass man diese Filme natürlich auch nicht miteinander vergleichen kann) und ist empfehlenswert für jeden der von solchen Klassikern nicht abgeneigt ist.
8,5/10