Mit Verlust ist zu rechnen
Sepp Paur ist seit knapp einem Jahr Witwer und möchte nicht mehr alleine sein. Er geht auf Brautschau ins benachbarte Dorf hinter der österreichischen Grenze in die damaligen Tschechoslowakei, um dort eine Frau für sich zu finden, die für ihn eine gute Hauswirtschafterin sein soll. Der ehrliche und verstockte Rentner findet in der resoluten Paula Hutterová eine Frau mit der er gerne seinen Lebensabend verbringen möchte.
Der Regisseur Ulrich Seidl zeigt eine Welt, die für viele Zuschauer vollkommen entrückt zu sein scheint. Wäre zu Beginn des Films nicht die Einblendung der Jahreszahl 1992 und die authentischen Bilder einer Dokumentation, würde man meinen, dass es sich um eine krude Geschichte aus einer längst vergangen Zeit handeln würde. Mit einer präzisen Beobachtungsgabe erzählt Seidl diese ungewöhnliche Geschichte einer antiquierten Brautschau und Menschen, die im beinahe klassischen Rollenbild ihres Geschlechts leben. Seidl blickt nie von oben auf die Menschen herab, sondern zeigt in seiner Darstellung ein tiefes Mitgefühl für den Mann, der eine Frau braucht, die für ihn kocht und den Haushalt macht, da es eben ein die Aufgabe der Frau sei und nicht des Mannes. Dass genau diese Lebensweise, Tradition, Weltanschauung oder Borniertheit des Protagonisten nicht der einzige Grund für eine Partnerschaft ist, wird dem Zuschauer erst gewahr, wenn er tiefer in die Menschen zu blicken versucht.
Neben Alltäglichkeiten durchbricht Seidl seinen Film mit einen Vielzahl von grotesken Momenten, die einerseits verstörend (das Töten von Tieren) oder zusammenhanglos (das Tanzen eines nackten Mannes) oder sehr zynisch und humorvoll ausfallen können. Gerade durch die Diskrepanz im Lebenstarndarts des Österreichers und der Tschechin gibt es viele Situationen, die herrlich kurios ausgefallen sind (Bsp: das Einkaufen im Supermarkt) und auch die offene Behandlung von Sexualität wird wohl viele Zuschauer auf unterschiedliche Weise belustigen.
Die einzelnen Szenen des Films sind von einer derart visuellen Präzision und Ruhe, dass der Zuschauer fasziniert das Leben der Protagonisten verfolgt. Lange Kameraschwenks, die durch eine Drehung sich dem Protagonisten nähern, lange Einstellungen in denen die Menschen in ihrem Umfeld regungslos stehen und manchmal sogar direkt in die Kamera blicken, erzeugen einen faszinierenden und beinahe hypnotischen Effekt, der bewusst werden lässt, dass es sich um eine inszenierte Dokumentation handelt, aber andererseits nicht die Authentizität der Protagonisten abschwächt.
Seidl beweist mit dieser frühen Arbeit, dass er nicht einfach die Welt filmt oder versucht ein Abbild von ihr zu machen. Er macht die Welt zu seiner eigenen Welt. Oder mit den Worten von Werner Herzog:
„Nie möchte man in der Welt geboren sein, die Ulrich Seidl zeigt, und darin steckt eine tiefe Sehnsucht, eine Utopie.“