Aftershock
Chinesischer Film von 2010, der in seinem Heimatland die bisher höchste Besucherzahl eines Kinofilms erreichte und bei uns gar nicht erst ins Kino kam. Das Cover der Blu-ray suggeriert, dass man es hier mit einem apokalyptischen Katastrophenfilm zu tun hat. Alle Bilder befassen sich ausschließlich mit der Katastrophe, die sich tatsächlich im Juli 1976 in der chinesischen Stadt Tangshan zugetragen hat. Ein gewaltiges Erdbeben zerstörte über 5 Mio. Häuser dieser Stadt. Offiziell starben rd. 240.000 Menschen. Inoffiziell findet man Angaben von um die 650.000 Toten.
Der Film kommt recht schnell mit der Katastrophe zur Sache. Die Bilder sind nicht in Hochglanzoptik wie bei einem Roland Emmerich-Film inszeniert. Es entfaltet sich aber eine verheerende Naturgewalt, die zeigt, wie die Menschen dabei zu Tode kommen. Der brachiale Ton lässt die Kräfte förmlich spüren. Bei dem Unglück werden auch die Zwillingskinder der zuvor kurz eingeführten Familie verschüttet. Beide liegen unter einer Betonplatte, die nicht so angehoben werden kann, dass beide Kinder überleben können. Die Mutter muss sich unter Zeitdruck für eines der Kinder entscheiden, so dass das zweite dadurch zum Tode verurteilt wird. Diese Bilder sind nicht leicht zu ertragen.
Auf die weiteren Umstände möchte ich jetzt nicht näher eingehen, um nicht zuviel vorweg zu nehmen. Jedenfalls entwickelt sich ab diesem Zeitpunkt ein hoch emotionales Drama, das die Entwicklung der Überlebenden in den nächsten 32 Jahren schildert. Die Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse lässt keinen los und beeinflusst das ganze Leben. Hierbei erhält man als Zuschauer nebenbei einen – für meinen Begriffe – interessanten Einblick in diese fremde Kultur und den Alltag der Chinesen. Über die Jahrzehnte sieht man, wie sich das Land entwickelt – von den Zeiten Maos - über dessen Tod, der die Massen in Trauer fallen lies – bis zu westlichen Einflüssen und den Einzug von westlichen Konsumgütern – vom BMW bis zum Smartphone. Man sieht, wie sich im Laufe der Zeit die Städte, die zuvor aus einer niedrigen Bebauung bestanden, in Millionenstädte mit Hochhäusern und riesigen Einkaufstempeln verwandeln. Im Mittelpunkt stehen aber stets die Hinterbliebenen der Familie mit den Zwillingskindern, bis es im Jahre 2008 ein weiteres Erdbeben (diesmal in der Stadt Sichuan) gibt….
Selten habe ich solch’ dümmliche und unpassende Sprüche auf einem Blu-ray- (oder DVD-)Cover gelesen: „Unglaubliche Spezialeffekte“ – „Vom Special Effects-Team von ‚
Pirates of the Caribbean’ und ‚
X-Men: Erste Entscheidung’ – „Vereint alle Elemente, welche aus ‚
Titanic’ einen Welthit gemacht haben“ – „Ein mächtiges Blockbuster-Epos mit unglaublicher Wucht“. Dazu die bereits erwähnten Abbildungen, die eine in die falsche Richtung gehende Erwartungshaltung des Filminteressierten schüren. Wer nämlich einen reinen Katastrophenfilm mit Super-Effekten erwartet, wird sich nach 20 Min. für die weiteren fast 2 Std. fragen, wann denn nochmal etwas passiert. Wer aber etwas übrig hat für ein emotionales, interessant erzähltes Drama, bekommt einen sehr guten Film zu sehen, wenn er sich vom Cover nicht abschrecken lässt.
8/10