Endlich jemand, mit dem ich diskutieren kann...
Aber die eigentliche Motivation bzw. die ursächlichen Beweggründe der Persönlichkeitsentwicklung des Ryan Gosling-Charakters kommen meines Erachtens nicht deutlich heraus.
Das Motiv bzw. die Motivation wird nicht evident vorgetragen, sie muss eher unterschwellig gesucht werden. Es ist die Psyche, die David Marks zu schaffen macht. Darin verankert ist der Suizid der Mutter, bei dem er auch noch zuschauen "musste". Der Vater hatte ihn ja nicht ins Haus geholt, weil er dachte, dass die Mutter mit dem Anblick ihres Sohnes umzustimmen sei...
Nun ist er traumatisiert und in ihm reift die Gewissheit, dass sich die Mutter nur umgebracht hat, weil sie ihren Mann so furchtbar gehasst hat. Er muss sie in den Wahnsinn bzw. Selbstmord getrieben haben. Es wird ja auch deutlich, welchen Psychoterror der Vater immer auf seinen Sohn ausübt. Der äußert sich ja nur abfällig über David. Kein Schulterklopfen, kein In-den-Arm-nehmen, keine Zuneigung. Daraus wiederum erwächst ein Ekel vor sich selbst, würde ich sagen. David Marks schämt sich also der Sohn seines Vaters zu sein, der ja seine wunderschöne Mutter in den Suizid trieb.
Parallel dazu klammert sich David aber wegen seiner Frau an den letzten verbliebenen Hoffnungsschimmer für ein familiäres Revival, indem er dann doch in der Firma seines Vaters einsteigt.
Vielleicht kommen wir ja doch alle irgendwie miteinander aus, wenn ich bei meinem Vater einsteige. Vielleicht ist er ja dann stolz auf mich. Es ist eben auch finanziell sicher und seiner Frau kann er so etwas bieten. Allerdings steigert das letztlich nur seinen Selbsthass und es nährt die Überlegungen, dass eine so schöne, liebenswerte Frau gar nichts in dieser abgrundtief charakterlosen Familie zu suchen hat. Doch bevor er - auch durch die Arbeit in der Firma seines Vaters immer mehr "Besitzmensch" geworden - etwas hergibt, dass einmal ihm gehörte, löscht er es lieber aus. Und zwar mit der gleichen Herzlosigkeit, wie er sie immer erfahren musste. Sie ist ohnehin zu schön und zu gut für diese grausame Welt, in die er ja keine Kinder setzen will.
Klingt immer noch wenig nachvollziehbar für einen vernünftigen Menschen, aber er ist eben psychisch extrem labil, traumatisiert und musste sein Leben lang die abstoßende Kälte seines Vaters ertragen, der letztlich der einzige Vormund, der einzige Erziehungsberechtigte seit frühster Kindheit war. Es gab nur den Vater in all den Jahren des Heranwachsens, auch wenn er ein Schwein war, so war er doch ein Bezugspunkt. Das ist ein zusätzlicher Motor für die negative Entwicklung Davids, denke ich.
Der entscheidende Satz war ja der, als David seinen Vater nach der Tat besucht und sagt: "Jetzt bin ich wie du." Mit anderen Worten:
Auch ich habe jetzt jemanden in den Tod getrieben. In welcher Form auch immer, das sehen wir ja nicht und müssen es uns denken. Ich glaube, dass er sich letztlich dachte, dass er seinem verhassten Vater nicht mit den Erinnerungen an seine Mutter, nicht mit einer forschen, erlebnishungrigen, unkonventionellen Frau und auch nicht mit dem Fernbleiben seiner Firma wirklich Schaden konnte. Den größten Schmerz konnte er bei seinem Vater ausrichten, indem er ihm zeigen konnte, dass er genau wie er geworden ist.
Der Vater konnte sich mit Sicherheit selbst nie reinen Gewissens im Spiegel anschauen, die Schuldgefühle am Selbstmord seiner Frau dürften ihn all die Jahre verfolgt haben. Aber nun ereilt ihn die Gewissheit, dass sein stets von ihm diffamierter Sohn sich nun ähnliche Schuldgefühle bis ans Lebensende aufgelastet hat, somit niemals glücklich sein wird und das schmerzt dann tatsächlich mehr als alles andere. Und gegen Ende als David dann zu seinem Vater sagt, dass er seine Frau so furchtbar vermisst, die er sich wiederum selbst entrissen hat, sind sich beide näher als jemals zuvor in ihrem Leben.