Taxi Driver

Travis

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Gesamtübersicht aller Kritiken zu Taxi Driver:

#02 01.07.07 Farman
 
Zuletzt bearbeitet:

Travis

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AW: Taxi Driver

Kritik von Farman:

Taxi Driver

Soll ich diesen Film jetzt als Hollywoods große Studie über Einsamkeit und Gegengewalt verklären? Ihn als didaktischen Pragmatismus simplifizieren?
Nein, denn er war damals äußerst unmoralisch. Er ist es noch. Sehr viel böser kann ein Film eigentlich nicht enden. Hätte man doch wenigstens den Gewalttätern die gerechte Strafe gegeben, hätte Travis doch wenigstens als Opfer oder Märtyrer in einer unserer Gedächtnisschubladen Einzug gehalten, damit wir ihm -gleichzeitig zu unseren empörten Blicken in Richtung Gesellschaft und Welt- mit Tränen nachweinen könnten, ohne dabei natürlich nicht vergessen zu sagen: „Selbst Schuld“. Hätte doch die ganze Sache mit Travis und den Zuhältern in nachvollziehbar gerechtem Verhältnis zueinander gestanden.
Nein, in diesem Großstadtuniversum, in dieser Apotheose der amerikanischen Kinomythologie gibt es die gerechten amerikanischen Strafen plötzlich nicht, unser Held als handelnder Vollstrecker in unserem Auftrag wird uns fremd, wenn er diese Kinoidee verwirklicht. Erstmals erscheint er uns pervers, doch wir können nicht anders als trotzdem um ihn weinen. Denn zusammen mit unserem klassischen Helden haben auch wir endgültig unsere Unschuld verloren.

Was soll man bloß über einen Film schreiben, der alleine ein ganzes Genre erfunden hat? So war es nämlich, nach „Taxi Driver“ war der „amerikanische Film“ plötzlich ein ganz eigenes Genre: Western oder Film Noir, das ist hier ein und dasselbe. Der Cowboy Travis kommt ähnlich wie Ethan Edwards in John Fords „The Searchers“ vom Krieg zurück in seine Heimat, um sie zu beschützen – seine Heimat ist diesmal aber eine noireske, paranoide Großstadthölle. Wie der Cowboy greift er zur Waffe, um die feindlichen Elemente von seiner Heimat fernzuhalten. Doch hier ist die Heimat schon so voll von diesen feindlichen Elementen, dem verkommenen Gesindel, den Zuhältern, Schwarzen, Huren, dass er sich wie das Element fühlt, das hier nicht hergehört. Die Kollision ist unausweichlich. Reflektion unmöglich.

Wir sehen diese seine Heimat, diese Welt, ihre Anordnungen, Funktionsweisen, ihr Verhältnis zwischen Gut und Böse, ihren zivilisatorischen Grundboden, wir sehen sie nicht wie früher in der Panoramaaufnahme, in der Totale, wir akzeptieren ihre mythischen Bausteine nicht so einfach. Wir sehen sie erstmals nur durch unseren Cowboy, wie sie vor seinen Augen verschwimmt, als expressionistisch stilisierte Hölle, unterlegt mit der Dualität zwischen aggressiven, die Katastrophe erahnenden Tönen und einem melancholischem Blues, kommentiert von der Stimme unseres Cowboys, der in Vietnam schon lange seine Unschuld verloren hat und sie in dieser neuen Hölle von Heimat sucht.
Es ist dieses klassische Muster des vollstreckenden Helden, das Travis antreibt. Es ist seine totale Einsamkeit, die ihm diese klassische Rollenverteilung als letzten Ausweg auf der Suche nach seiner Individualität in der totalen Anonymität erscheinen lässt. Der von dem Sündenpfuhl geschluckte Mensch merkt nicht, dass er geschluckt wurde: Nachts guckt er Pornos und Tags träumt er vom unantastbaren weiblichen Geschlecht. Er merkt nicht, wie die Welt und seine Menschen ihm Objekt, nicht Subjekt geworden sind. Er merkt nicht, wie er als Subjekt selbst ein Objekt dieses Sündenpfuhls ist. Der Zuschauer sieht durch die Augen des Subjekts Travis, was er durch sie sieht entfremdet ihn von diesem subjektiven Objekt seiner brutalen Umgebung, es ist weder Katharsis noch pure Verfremdung, es ist ein Kampf zwischen objektiv und subjektiv, es ist der epische Kampf des Kinozuschauers, den nur die ganz großen Werke an die Oberfläche bringen.

Es ist mit „Taxi Driver“ so, als schauen uns Scorsese, De Niro und Schrader als Zuschauer direkt an und sprechen: „Wenn diese Geschichte unmoralisch ist, dann ist der amerikanische Film unmoralisch.“ Die Geschichte ist unmoralisch – Travis ist tatsächlich der Retter. Ähnlich wie in „The Wild Bunch“ wird diese unmoralische amerikanische Geschichte mit den bislang noch nie gesehenen Zwischentönen erzählt, die sie zu einer zutiefst humanistischen Tragödie machen.
Zu erwähnen, dass De Niros Leistung, die Kameraführung und Regie, das ganze Wagnis dieses Projekts der glatte Wahnsinn sind, ist obligatorisch. Zu erwähnen, dass es sich hier um eines der zentralen Werke des amerikanischen Kinos des ganzen letzten Jahrhunderts handelt, noch obligatorischer. Muss einfach sein, auch wenn es abgedroschen klingen mag und alles auf der Welt "Geschmackssache" ist.

Fazit: Politisch, persönlich, selbstreflexiv – über Amerika und Einsamkeit, über Kino und Gewalt, über Heute und Damals, über das ganze Leben, universell und zeitlos: Ein Meilenstein.
 

Travis

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AW: Taxi Driver

Beitrag von Farman:

Ich war diesen Samstag, wie es leider etwas zu häufig vorkommt in letzter Zeit, leider nicht besoffen unterwegs, und mir kam die Idee, DIESEN Film zu rezensieren. Bitte Travis, schlag mich nicht. Ich hatte das schon länger vor, bloß dachte ich aus Respekt, ich warte und lass dir den Vorzug. Dieser Respekt ist mir, ist ja gerade schon spät und ich bin auch müde und leicht verwirrt gewesen, leider Gottes plötzlich abhanden gekommen.
Der Hintergedanke war, noch etwas Schwung in die Bude zu bringen, indem ich meine Sicht über einen Lieblingsfilm hier bringe - und ich hoffe ich hab durch die Kritik bewiesen, wie sehr auch ich diesen Film liebe und hoffentlich entkräftet das ein wenig diese unerhörte Respektlosigkeit
wink.gif

Aber vor allem bei Travis kann ich sagen: Zerhackstückel diese Kritik ruhigen Gewissens wie ein Metzger ein Stück rohes Fleisch, ist ja dein Lieblingsfilm: Da ist alles erlaubt.
 

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AW: Taxi Driver

Beitrag von The Count:

Sehr gut geschriebene Kritik.
Ich hätte nur eine Frage zu dem Film: Warum will Travis erst diesen Politiker erschießen, für den doch seine ehemalige Flamme arbeitet?
 

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Neitrag von LivingDead:

Eine - wie gewohnt - wahnsinnig gute Filmkritik von dir, bei der ich dir auch nur vollkommen zustimmen kann. Meine Gedanken nach dem Ansehen waren damals diese:

Betörend verstörendes Großstadt-Drama, welches aus heutiger Sicht an Brisanz und Effektivität kaum eingebüßt hat; sogar noch wesentlich aktueller ist, als es manch einer wahrnehmen möchte.
Robert De Niro brilliert als Anti-Held in einer ihm maßgeschneiderten doppelbödigen Rolle. Auch die junge Jodie Foster spielt genial.
Ein Film der die Gesellschaftskritik weitaus effektiver ausspielt, als man eingangs vermuten möchte. Dazu trägt vorallem der geniale Schluss bei, der einerseits ironisch, als auch auf berauschende Weise erschreckend daherkommt.
9 von 10
 

Travis

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AW: Taxi Driver

Farman schrieb:
Bitte Travis, schlag mich nicht. Ich hatte das schon länger vor, bloß dachte ich aus Respekt, ich warte und lass dir den Vorzug. Dieser Respekt ist mir, ist ja gerade schon spät und ich bin auch müde und leicht verwirrt gewesen, leider Gottes plötzlich abhanden gekommen.
Im ersten Moment dachte ich auch, wer wagt es? Als ich dann aber deinen Namen und anschließend deine wundervolle Krtik laß, war jeglicher aufkommender Ärger nicht nur im Keim erstickt. Nein, ich bin jetzt richtig befreit und dir wirklich dankbar. Denn ich war mir natürlich klar, daß ich diesen Film dem Forum schulde, wußte aber nie von welcher Seite ich das anpacken sollte. Denn um dem Film von meinem Gesichtspunkt auch nur annähernd würdigen zu können, bräuchte ich viele Seiten. Doch durch deine Kritik, der ich in jedem Wort und Buchstaben restlos zustimme, eröffnet sich mir nun eine völlig neue Option. Ich versuche mal im nächsten Beitrag ansatzweise zu schildern, wie und unter welchen Umständen ich den Film das erste Mal erlebte. Für diese somit entstandene Möglichkeit bin ich dir wirklich dankbar, da ich mich nun nicht mit den Hintergründen beschäftigen muß und den nostalgischen Blick kurz schweifen lassen kann.
 

Travis

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AW: Taxi Driver

Mein Glück war es, daß ich bereits im Alter von rund 13 Jahren auf eine Körpergröße von gut 1.80m emporschoß. Psychologisch im Verhältnis zu meinen „zwergenhaften“ Mitschülern wohl eher nicht. Immer als mit Abstand längster in der Startaufstellung des Turnunterrichts Aufstellung nehmen, in der Klasse immer auf der hintersten Bank seinen Stammplatz zu haben, um den anderen nicht die Sicht zu versperren und beim Spaziergehen mit den „kleinen“ Freunden immer eine ein wenig gebückte Haltung anzunehmen, um deren eine Etage tiefer stattfindenden Gesprächen auch folgen zu können, war nicht immer das reine Vergnügen. Doch all das belastete mich nicht. Warum? Ganz einfach, bewirkte diese Körpergröße doch etwas wesentlich Bedeutenders für mich. Sie war das goldene Eintrittsticket in meine Welt – die Welt des Films. Dank dieser Größe konnte ich jede Kinokasse und jeden Kontrolleur ungehindert passieren, die ansonsten zwischen meiner Traumwelt und der Altersfreigabe gestanden hätten. So konnte ich in dieser Zeit, in der ein Videorekorder ein Traumgespinst und im Fernsehen das „Millowitsch-Theater“ oder „Einer wird gewinnen“ die Highlights waren, in eine Welt eindringen die so viel elektrisierend Neues, Aufregendes und in der Art noch nie dagewesenes bot. Die durch die „jungen Wilden“ revolutionierte Filmwelt des „New Hollywood“ der 70er Jahre. Bei fast jedem neuen Film dieser Generation mußte man sich auf ein neues, bis dato nicht gekanntes Erlebnis bereitmachen und wurde selten wirklich enttäuscht. Sehr oft jedoch mit Filmen überrascht, die in ihrer einzigartigen Wirkung bis heute nachhallen. „Taxi Driver“ ist mit Sicherheit mein prägenstes Erlebnis, quasi meine Katharsis des Kinos, welches nie mehr aus meinem persönlichen Olymp verdrängt wird. An den Tag, als Travis Bickle und ich das erste Mal zusammentrafen, kann ich mich noch heute in jeder Einzelheit erinnern.

Vier Namen brannten sich unauslöschlich in mein Gedächtnis. Martin Scorsese als Regisseur, Robert De Niro als mir damals relativ unbekannter Hauptdarsteller, Paul Schrader als Drehbuchautor und Fred Schuler als Kameramann schufen etwas so Unglaubliches, daß ich über die kompletten rund 110 Minuten mit offenen Mund im Kino saß und die Leinwand wie hyptonisiert anstarrte. Von den folgenden rund 15 Minuten nach Filmende, bis man mich zum Verlassen des Kinosaals aufforderte, nicht zu reden. Fast in jeder Minute gelang es diesem genialen Quartett etwas auf die Leinwand zu zaubern, was ich zuvor so noch nie gesehen hatte und auch nicht zu sehen erwartete. Jede Kameraeinstellung ein Meisterwerk für sich, welches meinen Blick geradezu magisch anzog. Die Fahrten des gelben Taxis durch die teilweise wie Höllenschluchten anmutenden Strassen von New York nur als eines von zahllosen zu nennenden Beispielen exemplarisch hervorgehoben. Die Leistung des mir relativ unbekannten De Niro, der eine Aura der Authenzität versrömte, die mich bis ins Mark packte. Die zahlreichen Wendungen des Drehbuchs und somit der Story, die ich erst im Laufe der Zeit in ihrer vollen Wirkung und letztendlich doch ausweglosen Geradlinigkeit erkennen konnte, waren es, die mich für alle Zeiten packten und mich bis heute nicht mehr losließen. Quasi im Viertelstundentakt schlug die Handlung Bahnen ein, mit denen ich zuvor niemals auch nur annähernd konfrontiert wurde. Der menschliche Abschaum, der sich einem offenbarte und den man durch die Augen von Travis Bickle unnachgiebig in ihrer subjektiven Sichtweise vorgeführt bekam, sprengte jeden bis dato bekannten Rahmen. Gleiches gilt natürlich für das Handeln des Protagonisten. Angezogen und abgestoßen zugleich, folgte man ihm auf seinem fatalen Weg in ein in seiner Konsequenz unausweichlich scheinendes Finale, welches man aber in dieser drastischen Machart niemals erwartet hätte. Aber genau dieses Ende mußte der Film haben, um seine volle Wirkung und Reife zu erlangen.

Nach Ende der Vorstellung und der freundlichen Hinausgeleitung aus dem Kinosaal begab ich ich schnurstraks zur Kinokasse und löste ein Ticket für die nächste Vorstellung, die 15 Minuten später (endlich) begann. Danach sah ich ihn innerhalb rund einer Woche noch dreimal. Wohl wissend, daß ich diese Gelegenheit beim Schopf packen und dann einen langen Trennungsschmerz verarbeiten muß. Denn, wie gesagt, Video gab es damals noch nicht und die Chancen auf eine baldige Wiederaufführung im Kino waren gering. Von einer TV-Ausstrahlung wagte man nicht einmal zu träumen.

Ich könnte hier jetzt noch seitenweise über diesen Film referieren, was ich momentan aber unterlasse. Ich bin eh schon viel zu lang und habe dennoch nur einen Bruchteil dessen gesagt, was ich eigentlich sagen wollte. Mal sehen, vielleicht kommt ja noch im Laufe der sich (hoffentlich) entwickelnden Diskussion die Gelegenheit zu weiteren Einwürfen. Das war lediglich eine kleine Ausschnittschilderung wie und unter welchen Umständen ich dieses Meisterwerk zum ersten Mal erlebte. Dabei muß ich zugeben, daß er seine volle Wirkung und Erkenntnis erst im Laufe der Zeit entwickelte. Denn es dauert ja noch einige Jahre, ehe ich dieses persönliche Heiligtum erstmal als Video nach Hause tragen und ab dann zu jeder gewünschten Zeit betrachten konnte.
 

Travis

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AW: Taxi Driver

Beitrag von Vince:

Boah, fettes Ding, Farman. Da konnte Travis ja kaum anders als dir den Griff zum heiligen Gral zu verzeihen, denn du hast ja nicht aus ihm getrunken oder ihn gar besudelt, sondern ihn noch weiter verziert.

An diesem Punkt kommen wir auch beinahe schon so langsam an die Grenzen einer Kurzkritik, denn so effizient und optimal du den dir hier gebotenen Rahmen auch nutzt, ich bin sicher, du könntest ohne Limitierung noch Welten eröffnen, die hier gar nicht möglich sind. Gleiches gilt natürlich für Travis und seine Scheu davor, den ihm am meisten am Herzen liegenden Film zu besprechen, denn in diesem Rahmen bedeutet das ja eigentlich unweigerlich Selbstzügelung und bei der eigenen "Katharsis" ist eine Reduktion auf das Nötigste eigentlich nicht hinnehmbar. Im Grunde zweckentfremdet eine gekonnte und womöglich aus eigenem Antrieb heraus nostalgisch verklärte Kritik zu "Taxi Driver" oder ähnlichen Meilensteinen den Sinn dieses Forums schon, denn meiner Meinung nach kann eine Kurzkritik nie mehr sein als ein schneller Überblick über das Besprochene.

Das soll aber jetzt kein Plädoyer gegen die Besprechung solcher Filme sein; im Gegenteil, ich finde es sehr gut, dass dem hier präsenten Publikum gerade auch solche Filme unterbreitet werden. Aber auch für mich gibt es Filme, die ich hier nicht unbedingt so gerne besprechen würde, weil sie mir sehr am Herzen liegen und eine Kurzkritik ihnen niemals gerecht werden kann. Wenn, dann werde ich immer einen Link zu einer Langkritik mitliefern und hoffen, dass man sich die Zeit nimmt, das ausnahmsweise mal zu lesen.

Zu Travis: Tolle Eindrücke zu den Anfängen deiner Filmleidenschaft. Ich kann mit einem anderen Film eine sehr ähnliche Geschichte erzählen, und zwar mit Terminator 2. Der ist inhaltlich sicher nicht so wichtig wie "Taxi Driver", bildet in meiner persönlichen Vita aber auf die gleiche Art DEN Ausgangspunkt meiner Filmleidenschaft, anhand dessen ich erst erkannte, was "Kino" bedeutet. Und zu einem absoluten Lieblingsfilm gehört diese Art der archetypischen Nostalgie, diese persönliche Geschichte mit dem Film, einfach dazu.
 

Travis

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AW: Taxi Driver

Beitrag von Nemesis:

=The CountIch hätte nur eine Frage zu dem Film: Warum will Travis erst diesen Politiker erschießen, für den doch seine ehemalige Flamme arbeitet?
Das würde ich auch gerne mal wissen.
Konnte ich gar nicht nachvollziehen.Es hat doch so ausgesehen,als ob er ihn mochte.
 

Travis

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AW: Taxi Driver

@ The Count & Nemesis:

Eure Frage, weshalb Travis den Politiker erschießen möchte, könnte man eine ellenlange Antwort geben. Denn dies beinhaltet ja quasi das zentrale Thema des Films. Da sind jede Menge soziologische, sozial- und gesellschaftskritische, psychologische und noch so einige weitere Aspekte gebündelt. Das alles explizit aufzuführen, würde zu weit führen. Deshalb versuche ich es mal mit einer ganz simpel und extrem oberflächlichen Kurzfassung.

Wie ja am Anfang des Films mehrfach angesprochen, kam Travis gerade aus dem Vietnamkrieg nach Hause. Nach Hause in ein Land, daß für ihn kein zu Hause mehr ist. Er hat in Vietnam gekämpft, seine Leben riskiert und muß nun erkennen, daß alles eigentlich für nichts war. Sein Land will ihn nicht mehr, Freunde hat er keine und seine Lebensillusion ist zerstört. Um es einfach zu machen. Das ist von der Gefühlslage alles sehr ähnlich, wenn auch im weiteren Verlauf wesentlich tiefgründiger, wie die Ausgangslage von Stallone in "Rambo". Als er dann die Wahlkampfhelferin für sich entdeckt, konzentriert er sich mit Leib und Seele auf sie. Ist sie in seinen Augen doch die Chance, wieder in ein neues Leben und einen Sinn in demselbigen zu finden. Deshalb machte er sich ihre Ideale auch zu seinen. Er will den Politiker unterstützen, Kris Kristofferson gut finden, auch wenn dieser als damals sehr populärer Folk- und Protestsänger nicht gerade zu dem Personenkreis gehört, die den Vietnam-Veteranen wie Travis den Einstieg in die Sphäre der "Normalität" erleichtern - aber ich schwenke schon zu weit ab. Kurzum, er will ihr gefallen, sie für sich erobern und gleichermaßen ihren Respekt finden. Was ihm aber bekanntermaßen nicht gelingt, da er keine Ahnung hat wie er das bewerkstelligen soll. Zu weit sind seine Welt und die der Frau voneinander entfernt. Dann kommt mit dem Besuch des Pornokinos eine der Schlüsselszenen des Films, zu der man so unendlich viel sagen könnte. Für euch ist jetzt aber nur wichtig, daß hier durch die Abfuhr der Frau und deren vollzogenen Schlußstrich unter eine Affäre, die ja lediglich in Travis' Augen eine war, der Knackpunkt kommt. Er versucht zwar noch eine zeitlang durch Anrufe oder Blumengrüße diesen Riss zu kitten, was ihm aber letztendlich nicht gelingt. Als Travis dies erkennt schlägt seine Liebe, extrem simpel ausgedrückt, in Hass um. Er beginnt nach Schuldigen für seine Situation zu suchen und findet diese auch. Der Politiker steht nunmehr für jenes Amerika, welches sein Leben zerstörte und nicht nur seines. Denn die Politik ist in seinen Augen auch schuld daran, das "sein" Land und "seine" Stadt zu einem dreckigen Sündenpfuhl verkommen ist, der alles Edle mit sich in den Dreck zieht. Also beschließt er, den Politiker als Symbol für diese persönliche Fiktion zu eliminieren und gleichzeitig dabei zu helfen, daß wieder "Edelmut" in den Straßen einziehen kann. Hierfür will er nun seinen Beitrag leisten. Durch die Ermordung des Politikers, der Rettung einer verlorenen Seele (Iris aka Easy / Jodie Foster) und der Bestrafung jener, die ihr das angetan haben - dem Zuhälter Sport (Keitel) und seiner Helfershelfer. So findet er wieder einen Sinn im Leben, indem er sich selbst zu einer moralisch überlegenen Märtyrerfigur hochstilisiert, die in seinen Augen den Kampf gegen das Böse aufnimmt.

Wie schon angesprochen, ist dies trotz der Länge nur eine arg simplifizierende Zusammenfassung zur Beantwortung eurer Frage. Ich hoffe dennoch, daß ich euch diese damit trotzdem einigermaßen nachvollziehbar beantworten konnte. Wie gesagt, gerade zu diesem Komplex gäbe es so unendlich viel zu sagen, daß eine derart oberflächliche Zusammenfassung schon fast schändlich ist. Farman möge mir verzeihen, daß ich diesen für mich selbst auch höchst unbefriedigend ausgefallenen Erklärungsansatz ausgewählt habe. Nun ja, wenn hier zu diesem Film noch eine weiter- und vor allem tiefergehende Auseinandersetzung stattfinden sollte, gibt es ja vielleicht noch die eine oder andere Möglichkeit gewisse Facetten intensiver zu beleuchten.

@Vince: Du hast natürlich völlig Recht. Eine Kurzkritik zu derartigen Filmen ist teilweise unmöglich. Wenn ich gerade diesen Film in einer auch für mich persönlich befriedigend Form, unter Einbeziehung aller möglichen und sich bietenden Ansichts- und Analyseformen besprechen möchte, wäre auch eine Langkritik für mich viel zu kurz. Ein ausführliches Essay wäre das Mindeste, was mir zu "Taxi Driver" aus den Fingern aufs Papier fließen würde. Dies ist ja auch der Grund, weshalb ich vor einer Besprechung dieses Films immer wieder zurückschreckte und nun Farman so dankbar bin, daß er diese tonnenschwere Last in so exzellenter Manier von meiner Schulter nahm. Denn egal was ich an einem Platz wie diesen täte, bliebe bei mir immer ein Gefühl der Leere, da ich nicht einen Bruchteil dessen gesagt hätte, was ich für das Minimum an Würdigung für notwendig erachte. Da ich dies eben nie in für mich befriedigender Weise hier schaffen werde, halte ich es mal mit den Stones:
"I can't get no... Satisfaction. But I try, but I try...."
 

Travis

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AW: Taxi Driver

Beitrag von Farman:


@Travis: Vielen Dank für diesen höchst unterhaltsamen und interessanten Einblick. Könnte man verfilmen Durch einen Umweg genetisch vorherbestimmt, Kinoliebhaber zu werden, weil du das Glück hattest, mit Dreizehn 1,80 zu sein: Die Wege des Herrn sind unergründlich. Als jemand der MTV-Generation, der Jugend, die mit dem Fernseher erzogen wurde, spricht aus mir der blanke Neid. Ich hab dieses "Reinschmuggeln" in Kinos in jungem Alter bei Filmen mit hoher Altersbegrenzung allerdings ebenfalls exzessiv betrieben, allerdings bin ich im Alter von 10-15 fast gar nicht gewachsen, hatte es also deutlich schwerer. Meine Erinnerungen daran sind nicht so schön nostalgisch: Einst wurde ein hochgewachsener Freund reingelassen und mir hat man ins Gesicht gelacht. Der Penner ist tatsächlich reingegangen und hat mich stehen lassen, wofür ich damals meine bescheidene Größe vergaß und später in einem Emotionsausbruch die Fäuste fliegen ließ. Zum Glück ist diese Zeit vorbei. Nur leider lohnte sich der Kinobesuch in meinen hochgewachsenen Jahren immer weniger. lol, soviel dazu.

Bei mir hat sich allerdings nicht der EINE Film herauskristallisiert, der bis heute meine unumstößliche Nummer Eins geblieben ist. Aber ich kann sagen: Was für dich "Taxi Driver" ist, ist für mich wohl "Spiel mir das Lied vom Tod". Als ich den mit Elf oder so gesehen habe war ich dermassen parallelisiert, verstört und beeindruckt, dass ich stunden-, wenn nicht tagelang kaum sprechen konnte. Das Interessante ist: Man war noch klein, hatte von kaum was ne Ahnung, um wirklich sagen zu können, worum es geht, aber dennoch habe ich diesen Film auf meine Art und Weise verstanden. Henry Fondas blaue Augen wenn er das Kind abknallt und die Rückblende am Ende lösten Empfindungen aus, die in Zeitlupe bis heute kontinuierlich existieren. Wenn ich mehr schreibe, werde ich richtig pathetisch. Ähnliches kannst du bestimmt über Taxi Driver sagen. In meiner hochkomplexen Erinnerungsarbeit würde ich den Film als den einen küren, der mich zum Filmliebhaber gemacht hat (vielleicht noch neben Chaplins "Moderne Zeiten").
Später kamen allerdings auch immer wieder Erlebnisse, bei denen man denkt "Wenn das jetzt ein Film war, was habe ich dann all die vorigen Jahre gesehen?", ob nun Peckinpahs "Wild Bunch", dann Godards "Pierrot le Fou", dann Kitanos "Hana-bi", dann Tarkovskys "Stalker", und so einige andere. Deswegen hab ich wohl nicht DEN Lieblingsfilm.

@The Count/Nemesis88

Der Taxifahrer höchstpersönlich hat ja seine komplexen Motive veranschaulichend erklärt. Und das ist tatsächlich die Frage schlechthin.
Tatsache ist ja: Der Film nennt keinen Grund. Das ist wie bei einem Buch mit einem sog. "unreliable narrator", einen Erzähler, dem man nicht glauben kann, den man hinterfragen und eigenständig verstehen muss. Folglich geht es dem Charakter Travis Bickle und dem Film an die Substanz, wenn man diese Frage beantworten müsste. Ich geb zusätzlich zu Travis' exakter Erklärung nochmal ein paar Anhaltspunkte, die er eventuell so beglaubigen oder ausführen kann, falls Interesse besteht und das den Rahmen nicht sprengt:

-Vorher die Kurzfassung: Er macht Palantine als Symbol für sein Leid verantwortlich. Wie es dazu kommt, versuch ich kurz zu erklären:

-Erstmal müsste euch ja aufgefallen sein, dass der Film aus zwei Hälften besteht, deren Übergang die Wandlung des Charakters festsetzt. Anfangs ist er eher "Travis", der sich nach Vietnam -trotz seines Hasses auf den Dreck in der Stadt- "anpassen" möchte, der sein Plätzchen sucht, ausgedrückt in seiner "Liebe" (oder was auch immer) zu Betsy. Danach ist er eher "Bickle", der seine imaginäre Mission erfüllen will. Die "Liebe" zu Betsy verwandelt sich in Hass. Dementsprechend natürlich auch die Zustimmung für Palantine, die sich in Ablehnung verwandelt. Das nenne ich den psychologischen Ansatz. Diese Widersprüchlichkeit, die sich in dem Namen "Travis Bickle" schon zeigt, wird ständig symbolisch aufgegriffen und in der Handlung selbst auch deutlich: Anfangs gegen Waffen, danach waffenfanatisch, anfangs "Mir macht es nichts aus, Nigger zu fahren", später offensichtlich rassistisch. Nicht zu vergessen Bernard Herrmanns Score mit seinem Dualismus Melancholie/Sehnsucht <=> Gefahr/Aggression.

-Dann gibt es den religiös angehauchten, den politischen, und den das amerikanische Kino reflektierenden Ansatz, bei dem es nicht rational nur um Travis' Psyche geht, sondern um das, wofür seine Psyche steht. Kurz gesagt: Anfangs geht es ihm um seine Erfüllung im Diesseits, also Anpassung an bestehende Formen, danach um seine Erlösung von den Qualen des Diesseits, die Erfüllung im Jenseits, und damit verbunden der Hass auf die bestehenden Formen, die Erlösung, indem er die Sünde in Gewalt "reinwäscht". Die bestehende Form = Charles Palantine.
Hinsichtlich Politik und amerikanisches Kino kann man schwer trennen. Hier kann man gut Betsy zitieren, die im Restaurant Kristoffersen zitiert: "He's partly true, partly fiction". Natürlich meinen sie und der Film Travis. Es geht darum, dass dieser "reale" Charakter, der in Vietnam für sein Land getötet hat und sich seiner Heimat verbunden fühlt ("Eine Kommune ist nichts für mich", er will schließlich nicht weg), und dieser fiktionale Charakter, der in so vielen Filmen bereits zelebriert wurde, dort aber in die Version von Amerika gepasst hat, hier im realen Amerika der Gegenwart nicht nur das Retten im Sinn haben kann, sondern das Zerstören. Palantine ist ein Bild von Amerika und Travis ist es auch, und beide streben den Status als fiktionale Figur an: Der Politiker sowieso, der sich zum Retter erkoren hat, ebenso Travis, der das gleiche tut. Das muss schiefgehen. Was also im Mordversuch von Travis an Palantine ausgedrückt wird, ist der Übergang des Privatens ins Politische und des fiktionalen Amerika ins Reale, und beides kann nur mit Gewalt geschehen.

-Außerdem muss noch erwähnt werden, dass sein Amoklauf im Puff quasi ein "alternatives Ende" von Travis selbsterdachter Mission ist. Das macht den versuchten Mord an Palantine nochmal zusätzlich interessant. Denn: Aus einem Charakter, der einen Zuhälter, seinen Assistenten und einen Freier abknallt, um ein kleines Mädchen zu retten, hätte man eine Heldengeschichte machen können. Wir hätten sie auch alle angenommen. Heutzutage kann sowas sogar Familienunterhaltung sein. Sowas wäre im klassischen Western mit pathetischer Musik, sogar mit Slapstickeinlagen realisiert werden können. Hier ist es brutal, und dass er vorher etwas plante, und zwar den Mord am Präsidenten, das Staatsverbrechen schlechthin, das moralisch nicht hätte rechtfertigt werden können, gibt dem ganzen nochmal die radikale Würze, nicht zu vergessen, dass die Presse aus dem Amoklauf tatsächlich eine Heldentat gemacht hat.
Weiterhin sollte man mal diese beiden "Missionen" vergleichen: In Travis' Psyche sind sie ein und dasselbe. Oder noch radikaler: Für ihn ist zum Zeitpunkt seiner Gewaltpläne Betsy die Hure, nicht Iris, sie ist das verlorene Kind. Und wenn Betsy die Hure ist, dann ist Palantine ihr Zuhälter (Man verweise auf den Anfang, als Travis in Betsys Büro auf ihren Tisch zeigt und sagt "All of this means nothing to you": Er sah in ihr das unschuldige Mädchen, das in Gefangenschaft ist, exakt das, was er später bei Iris sieht).

Travis (unser Travis, nicht der im Film, verdammt ist das ein Durcheinander) könnte sicherlich noch Seiten dazu schreiben. Zu erwähnen bleibt für mich natürlich: Alles subjektiv und ohne Gewähr.
 

Travis

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AW: Taxi Driver

Beitrag von deadlyfriend:

Tja, und somit ist eine Diskussion kaum noch möglich. Man wagt kaum einen Widerspruch anzusetzen, da man direkt das Gefühl bekommt eine Stradivari als Brennholz für den Kamin zu mißbrauchen. Das Problem ist aber ein völlig anderes: Mir fällt nichts ein was ich entgegnen könnte. Der Film ist und bleibt Oberklasse. Ein Meisterwerk. Da Ihr mit wunderbaren Worten den Film gewürdigt habt, kann ich nichts beisteuern sondern nur beipflichten. Ich hoffe es kommt aber einer der sich der hetzenden Meute selbst zum Fraß ausliefert..........
 
T

Turrican

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AW: Taxi Driver

Wird echt mal zeit das ich mir den Kaufe.
Man hört ja nur gutes über den Film und dann noch mit DeNiro da kann man eigendlich nix falsch machen.
 

Darkknight666

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AW: Taxi Driver

Ich muss auch sagen ich kenne ihn noch nicht, also muss ich ihn mir mal kaufen, da jetzt im April die Blu Ray angesagt ist werde ich mir die kaufen.
 

Blonder

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Taxi Driver (OTon) 9/10


Immer wieder genial. Das Finale ist an Härte und Intensität kaum zu überbieten. Robert de Niro spielt so unglaublich gut und Scorcese's Regie ist meisterhaft. Es reicht nicht ganz zur 10, aber Taxi Driver ist nah dran.


Ich habe zwar eine Vermutung aber bin mir nicht sicher warum...

...er erst den Politiker erschießen wollte. Was war der Grund?
 
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