Manhunter

Dwayne Hicks

Filmgott
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
7.327
Filmkritiken
26

Blutmond


Manhunter, Baujahr 1986, ist die erste Verfilmung des Romans "Roter Drache"....Regie führte hier Michael Mann.

Der Film ist Mann typisch eher ein ruhigerer Film, seine Handschrift ist aber hier bereits deutlich zu erkennen.
Gelungene nächtliche Aufnahmen, teils surrealistische Bilder und vorallem gegen Ende gabs einige sehr geniale Momente auch dank der Musik.
Ja die Musik hat wieder dieses hypnotische, teils mystische oder auch melancholische, erinnert vieles Stark an Vangelis.

Generell hatte Mann hier schon ein wunderbares gespür für Musik im richtigen Moment bei der richtigen Szene.
Einfach genial als Tom Noonan eine Frau in einer lage sieht, wie er sie nicht sehen will und dementsprechend reagiert.
Ebenfalls der Showdown wurde perfekt unterlegt mit dem Iron Butterfly Klassiker "In A Gadda Da Vida"
Auch wurde hier schon gegen den Mainstream experimentiert und setze vorallem sehr aprupte Schnitte ein die für heutige sehgewohnheiten absolut ungewöhnlich sind.

Aber im großen und ganzen muss man sagen das dies kein einfacher Film ist.
Sympathie oder sonstige Identifikationsfiguren findet man in den Film nirgends.
William "CSI Las Vegas" Peterson ist wie schon bei "Leben und sterben in LA" ein Charakter an dem irgendwie kein rankommen ist.
Das gilt auch für die restlichen Darsteller wie z.B. Dennis Farina oder Ronny Cox der hier den Hannibal Lecter gibt und leider nur wenig Screentime hat.

Ironischerweise ist es Tom Noonan, der hier den gesuchten Mörder spielt, welcher zwischendurch sowas wie Sympathien beim Zuschauer weckt.

Auch sonst ist die Atmosphäre recht kühl und trostlos.
Wer schon deswegen bei Public Enemies große problem hatte sollte möglicherweise um diesen Film einen Bogen machen.

Ich selbst weiß nicht was ich von dem Film halten soll, er hat defintiv seine Momente, aber ich kann ihn nicht bewerten, ich kann nur sagen das mir in sachen "Mann Frühwerke" sein "The Thief" mit James Caan mehr zusagte, ohne die beiden jetzt vergleichen zu wollen.

Genre und Michael Mann Fans sollten ihn denoch mal gesehen hab :)

??/10
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

Russel Faraday

Filmvisionaer
Registriert
23 Juni 2008
Beiträge
11.439
Ort
Gilead
Filmkritiken
35

Blutmond


interessante einschätzung. ich hab den film in den frühen 90ern mal im TV gesehen, als er im "schweigen der lämmer"-fieber wieder ausgegraben worden war, und ich war hin und weg. daß sich mal ein solcher kult um Hannibal Lecter bilden würde, war damals noch nicht abzusehen (wenn ich mich recht entsinne, kam "blutmond" bzw. "manhunter" damals sogar wieder ins kino).

damals hatte ich auch keine ahnung, wer Michael Mann ist, sondern hab einfach nur als jungspund einen verflucht spannenden, sehr ästhetischen film gesehen, der seitdem regelmäßig gesichtet wurde, weil ich ihm noch immer sehr viel abgewinnen kann.

heute würde ich sagen, daß es vor allem die perfekte symbiose als bild und ton ist, die den film so interessant für mich macht. manchmal ist es fast so, als hätte Michael Mann hier (neben Slys "Rocky IV" :D) einfach nur ein überlanges musikvideo gedreht und der öffentlichkeit als spielfilm untergejubelt. dazu die kräftigen farben, wunderschön anzusehende szenen (der narkotisierte tiger zum beispiel, was kameramann Dante Spinotti nicht nur umwerfend in szene gesetzt, sondern in "roter drache", den er ebenfalls filmte, nochmal 1:1 wiederholt hat) und einer der besten filmbösewichte überhaupt: Tom Noonan als Francis Dolarhyde, der sich nicht nur durch sein ungewöhnliches/imposantes äußeres gegen alle seine kollegen durchsetzt und hier (leider) vor allem William Petersen mächtig alt aussehen läßt.

wie du schon richtig schreibst, ist es ironischerweise seine figur, die das meiste interesse und sogar sympathien wecken kann.

was Ronnie Cox aus seinem Hannibal holt, ist in der tat zu vernachlässigen. vom genialen, psychopathischen und zutiefst gestörten kannibalen ist bei ihm nicht viel zu spüren, auch Dennis Farina kommt eher als gutmütiger kumpel denn als großer FBI-chef daher. da hat Michael Mann in der besetzung wahrlich kein gutes händchen bewiesen.

dafür ist der rest umso stimmiger, manche szenen imho einfach nur toll: die schon erwähnte tiger-szene, der nächtliche jogger, Dolarhydes aussetzer im van und natürlich das komplette finale - "in a gadda da vida".

trotz einiger schwächen, vor allem bei der auswahl der darsteller, ist mir der film im laufe der jahre einfach sehr ans herz gewachsen. ein filmisches unikum, von der romanvorlage so weit entfernt wie nur was, aber in sich gesehen dennoch unbedingt sehenswert.

nach "heat" mein liebling von Michael Mann.

musikalisch würde ich ihn übrigens eher bei "Tangerine Dream" denn Vangelis einordnen.
 

BladeRunner2007

Filmvisionaer
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
11.608
Ort
Monroeville Mall
Filmkritiken
50

Blutmond


Manhunter ist einer dieser Filme, die mich viele Jahre lang überhaupt nicht interessiert haben. Dafür gibt es exakt 3 Gründe:

1. Hannibal Lecter wird nicht von Anthony Hopkins verkörpert.
2. Ich wusste nicht, dass es sich um einen Michael Mann Film handelt und der Titel Blutmond klang sehr nichts sagend.
3. Ich wusste nicht, dass Manhunter chronologisch gesehen vor Das Schweigen der Lämmer spielt.

Nun habe ich ihn heute zum ersten Mal gesehen und bin sehr beeindruckt von Mann's Frühwerk. Optisch mag der Film zwar deutlich in den 80ern angesiedelt sein (Miami Vice) und dementsprechend leicht veraltet wirken, Mann's Inszenierung hingegen ist zeitlos. Seine Regie ist sowas von innovativ und einzigartig, einfach unverkennbar Mann. Die Kameraführung ist phänomenal und jede Einstellung sieht aus wie aus einem perfekten Gemälde genommen. Der Score ist sowas von intensiv und bedrohlich, dass er wahrlich unter die Haut geht und perfekt mit den Bildern verschmilzt. Dazu noch William Petersen's erschreckend überzeugend gute Performance. All dies sorgt für eine Atmosphäre, wie ich sie in noch keinem anderen Thriller erlebt habe. Überhaupt ist der Film mit seinen 120 Minuten doch sehr langsam und ruhig inszeniert, was mir ausgesprochen gut gefallen hat. Kaum Action, aber wenn es soweit kommt, hätte es nicht besser sein können. Der Schowdown mit In-A-Gadda-Da-Vida zählt zu den stärksten Szenen des Films.

Doch es gibt auch ein paar Sachen, die mich nicht ganz überzeugen konnten. Da wäre zum einen Tom Noonan in der Rolle der Zahnfee. Ich fand ihn leider total fehlbesetzt. Er hat einfach das falsche Aussehen für diese Rolle und sein Herangehen an den Charakter fand ich auch unangemessen. Ich dachte der Punkt seines Charakters sei der, dass er sich total hässlich fühlt, in Wirklichkeit aber ganz normal aussieht und überhaupt nicht hässlich ist. Hier bekommen wir einen 2 Meter Lulatsch mit Halbglatze und einem total irren Blick vorgesetzt. Da hat mir Ralph Fiennes in Roter Drache deutlich mehr zugesagt. Überhaupt wird die Zahnfee in Manhunter deutlich zu spät eingeführt. Somit kommt sein Handlungsstrang mit Reba viel zu kurz und unglaubwürdig daher. Roter Drache hat das viel besser und ausgewogener hinbekommen. Dort hatten die beiden mehrere Szenen, in denen sie sich näher gekommen sind und in denen Reba ihm von ihren Wünschen erzählt hat etc. Erst dann hat Francis sie zum Tiger gebracht. In Manhunter wird der Inhalt von diesen Szenen in bloß einer einzigen Szene untergebracht und das auch noch in ihrer allerersten. Somit wirkt die Szene sehr unglaubwürdig und alles, was danach noch folgt. Die Tiger Szene ist sehr schön gefilmt, ergibt aber keinen Sinn. Überhaupt fand ich Joan Allen's Darstellung von Reba sehr schlecht. Das ist aber auch schon alles, was ich dem Film wirklich negativ ankreide.

Brian Cox ist ein toller Schauspieler, keine Frage, aber er erreicht zu keiner Sekunde Anthony Hopkins' Intensität. Den Killer nehme ich ihn ab, aber nicht den hoch intelligenten, brillianten Psychiater. Aber er hat ohnehin nur sehr wenige Szenen in Manhunter und erscheint wirklich nur in einer Nebenrolle, die mehr oder weniger als Mittel zum Zweck dient. Leider versäumt der Film zu erwähnen, dass Hannibal ein Kannibale ist. Das ist doch praktisch DAS Markenzeichen von Lecter. Unverständlich.

Apropos unverständlich. Wenn man Roter Drache nicht gelesen oder die Neuverfilmung nicht gesehen hat, könnte Manhunter für den Laien doch recht wirr und zusammenhangslos wirken. Bei diesem Film muss man sich als Zuschauer vieles dazu denken. Imo keine schlechte Eigenschaft. So bleibt die Spannung erhalten, die Charaktere interessant und es entsteht ein hoher Wiederanschauungswert. Jedoch dürfte das nicht jedem schmecken. Kein Wunder also, dass der Film damals floppte. Aber er erlang schnell Kultstatus und das zu Recht.

Letztendlich bleibt zu sagen, dass ich Manhunter für einen sehr starken Thriller halte, der nur wenig falsch macht und imo einer der besten Genrevertreter überhaupt ist. Und zu der immer wieder aufkommenden Frage: "Welcher Film ist besser, Manhunter oder Roter Drache?" Meine Antwort lautet: "Beide!" Sie haben beide ihre Stärken und Schwächen, doch bei beiden überwiegt klar der positive Anteil. Manhunter hat einen besseren Score, bessere Regie, eine intensivere Atmosphäre, eine schönere Kameraführung und Petersen gibt einen besseren Graham ab. Roter Drache ist näher am Buch (ergibt mehr Sinn, ist weniger zusammenhangslos), Hopkins gibt den besseren Lecter ab, Fiennes ist die bessere Zahnfee, Emily Watson die bessere Reba und das Ende gefällt mir ein klein wenig besser.
 
Oben