AW: Planet der Affen
Planet der Affen - Prevolution
Der originale „Planet der Affen“ von 1968 atmete mit seinem überraschenden Schlusstwist noch einmal den Geist des reißerischen 50er-Jahre-Science-Fiction-Kinos nach. Erst die im jährlichen Abstand gedrehten Fortsetzungen griffen den typischen wissenschaftlichen Rationalismus der 70er Jahre auf und sponnen das enthüllte Parallelweltenkonstrukt mit tüchtiger Hilfe der biologischen Lehre weiter.
Der aktuelle Neustart behandelt Tim Burtons fehlgeschlagene Auftragsarbeit von 2001 als evolutionären Ausrutscher. Auch sonst präsentiert er sich als umfassendes Modell zweier evolutionsbiologischer Strömungen – des Darwinismus, der unter anderem eine langsame Veränderung von Organismen über einen langen Zeitraum behauptet, und des Punktualismus, der von sprunghafter Entwicklung ausgeht, die sich mit längeren Zeiträumen der „Stasis“ abwechselt. Da auch während der „Stasis“ geringfügige Entwicklungen stattfinden, müssen sich beide Strömungen nicht zwangsläufig ausschließen – wie auch „Rise Of The Planet Of The Apes“ beweist.
Als gerade mal 106 Minuten langer Film, dessen Story sich von der gegenwärtigen Realität (Affen als Unterhaltung in Zoos und als Experimentierobjekte in Labors) bis zur vorübergehenden Übernahme des Planeten (oder zumindest San Franciscos) durch Primaten schwingt, muss er selbstverständlich Elemente des Punktualismus in sich tragen. Alles andere wäre Sache einer ausschweifenden TV-Serie gewesen. So arbeitet Rupert Wyatt mit Zeitsprüngen und nimmt auch logische Ungereimtheiten in Kauf, um dem Publikum eine Abkehr von der vertrauten Sicherheit der Zivilisation präsentieren und selbige von etwas Menschenähnlichem überrennen zu lassen, das der Mensch selbst geschaffen hat. Nicht nur hier versteht sich der Film als Sprössling der 70er Jahre, wenn er sich den Mechanismen Romero’scher Zombieapokalypsen anschließt, beginnend in sterilen Labors, endend in weit schweifenden Panoramabildern einer zum Niedergang verdammten Skyline, einem Sinnbild für technischen Fortschritt und Zivilisation.
So ist sicher auch der Vorwurf legitim, dass manchmal doch recht einfache Mittel verwendet werden, ein junger Zoowärter ohne Respekt vor den Tieren etwa, wobei auch Genrekonventionen nicht kategorisch ausgeschlagen werden. Das führt dazu, dass der Rahmen relativ vorhersehbar und überraschungsarm bleibt. Hat man alle verfügbaren Trailer vorab gesehen, erahnt man bereits, wohin sich der Film bewegt.
Im Umkehrschluss weiß der Regisseur die Handlung mit einfachsten Mitteln immer dann voranzutreiben, wenn sie zu stagnieren beginnt. Kaum hinterfragt man den Sinn hinter den Amok laufenden Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans, die sich nach einer gewissen Zeit im Kreis zu drehen scheinen, wird mit einem kurzen Satz der Erkenntnis – „Sie wollen in die Wälder!“ ein einfaches Ziel von höchster evolutionstechnischer Wahrheit ausformuliert und die Evolution hat erneut einen Sprung gemacht. „Rise Of The Planet Of The Apes“ ist voll von diesen Momenten, lanciert in der Mitte der Handlung sogar einen schier unglaublichen Aha-Effekt, der nicht nur stellvertretend für die Theorie der sprunghaften Evolution steht, sondern in seiner Wirkung auch Gänsehaut erzeugen kann.
In erster Linie jedoch handelt es sich um einen Film der Nuancen. Die Darwin’sche Evolutionslehre spiegelt sich in den Protagonisten wider, CGI-Affen, die Zeugnis eines neuerlichen Triumphes der Computeranimationskunst sind. Wenngleich die im actionreichen Enddrittel immer wichtiger werdenden Bewegungen, angetrieben von den Modellvorgaben des Motion-Capture-Spezialisten und Hauptdarstellers Andy Serkis, noch von echten Bewegungen klar unterscheidbar sind, so zerfließen die Grenzen bei der Animation der Gesichtszüge immer mehr, bis zwischen Realität und Illusion kaum mehr unterschieden werden kann. Die Kamera fängt fortlaufend Close-Ups voller Feinheiten ein, in denen die Evolution der Intelligenz nahezu greifbar wird. Welch zweischneidiges Schwert die Entscheidung für CGI und gegen Masken war, muss angesichts solcher Kandidaten wie „Beowulf“ nicht mehr betont werden. Wer im Vorfeld „Trash“ schrie, wird hier aber eines Besseren belehrt. So groß der Unterhaltungswert dank der flotten Erzählweise auch sein mag: Seine eigentlichen Qualitäten entfaltet „Rise Of The Planet Of The Apes“ in der Frame-für-Frame-Analyse der Affengesichter, in denen Unmengen an Informationen verborgen liegen, die zumeist mit reichlich Suspense unterfüttert sind.
Möchte man da noch auf den wiederkäuenden Prequel-Charakter schimpfen, auf die Unterentwicklung der menschlichen Seite, aus denen eigentlich nur John Lithgow schauspielerisch herausragt, darauf, dass sich die ungemein temporeiche Laufzeit von nicht einmal zwei Stunden so anfühlt wie aus drei Stunden zusammengepresst? Nicht, wenn man sieht, mit welcher Liebe zum Detail der Fokus auf die Affen gelegt wurde, und wie die Gesichtsanimationen, die so sehr nach Sisyphusarbeit anmuteten, am Ende einen so deutlichen Sieg davontragen. Die Konsequenz, mit welcher der Fokus auf das Resultat menschlicher Handlungen ausgelegt wird und die Menschen selbst ausgeblendet werden, ist bemerkenswert.
8/10