AW: Hobo with a shotgun
Hobo with a shotgun
Im kleinen Städtchen Hope Town gibt es wenig Hoffnung. Und noch weniger Recht und Ordnung, denn der durchgeknallte Drake nebst noch durchgeknallteren Söhnen führt „seine“ Stadt wie ein Schlachthaus und macht gemeinsame Sache mit der Polizei, die nicht viel Ähnlichkeiten mit Freunden & Helfern hat. In dieser Stadt springt ein Obdachloser vom Zug, ein Hobo eben, die unterste soziale Stufe. Rasch wird klar, dass es Pennern und Schwachen in Hope Town an den Kragen geht. Hobo kauft von seinem letzten Geld eine Schrotflinte und nimmt das Gesetz in eigene Hände.
Nach dem eher mäßig brauchbaren „Machete“, ist „Hobo with a shotgun“ der zweite Fake-Trailer des Rodriguez/Tarantino-Grindhouse-Projekts, der es zu einem richtigen Film brachte. Regie-Neuling Jason Eisener inszenierte bereits den Trailer und darf diesmal einen eigenen Film in Angriff nehmen. Vielleicht deshalb wirkt der Film so frisch und respektlos und schreckt vor buchstäblich keiner Geschmacklosigkeit zurück; Eisener traut sich, was man sich sonst nicht mehr traut, weil er noch unverbraucht daherkommt und ganz offensichtlich nur eines im Sinn hat: Spaß haben und Blutfontänen en masse verspritzen. Beides gelingt ihm hervorragend, zumal er sich mit Rutger Hauer einen tollen Schauspieler für die Hauptrolle geangelt hat, der den völlig heruntergekommenen Hobo mit ganz, ganz großer Spielfreude darstellt und sichtliches Vergnügen an den schrägen Einfällen hat, mit denen sich sein Tramp durch Heerscharen von Bad Guys metzelt (da versteckt man sich auch schon mal in den Überresten eines soeben zerbröselten Drecksacks, um dem Mob zu entgehen).
Neben dem blonden Holländer gibt es mit Brian Downey eigentlich nur noch ein anderes halbwegs bekanntes Gesicht (mir zumindest), während der Rest des Casts aus völligem Frischfleisch besteht. Das ist angenehm und weicht wohltuend von den Kollegen Rodriguez und Tarantino ab, die stets allerlei Hollywood-Prominenz in den kleinsten Nebenrollen abladen, als wollten sie sagen: „Hey, mein Film ist Trash, aber Robert DeNiro macht mit!“
„Hobo…“ hat so etwas nicht (und kann es sich angesichts des ganz offensichtlichen Mini-Budgets auch gar nicht leisten), aber dafür scheißt der Film auch auf alle Konventionen und geht über Berge von Leichen, die allesamt sehr zerfleddert und vor laufender Kamera genüsslich und detailfreudig in matschige Pampe verwandelt werden, dass man als Zuschauer teilweise nicht glauben mag, was man eben gesehen hat.
Dabei ist „Hobo…“ so knallbunt wie ein Kinderfilm. Die Farben sind grell und kräftig, die deftigen Splattereffekte sind handgemacht und schauen toll aus (falls dies ein angemessenes Attribut für die wirklich extreme Gewaltdarstellung ist, die dem menschlichen Körper hier angetan wird), untermalt von einem gelungenen Soundtrack, der teilweise aus passenden Songs, aber auch aus „echter“ Musik besteht, die bisweilen stark an John Carpenters Arbeiten aus den 80ern erinnert.
Über allem jedoch thront ein stark gealteter Rutger Hauer, dessen zerfurchtes Gesicht Bände spricht und von einem Leben zu berichten weiß, in dem viel passiert sein muß.
Fazit: „Hobo with a shotgun“ ist ein trashiges Filmvergnügen, das vor kaum einer Geschmacklosigkeit zurückschreckt und teilweise schon einen starken Magen verlangt, denn die Gewalt ist extrem und explizit. Hauptdarsteller Rutger Hauer ist glänzend aufgelegt und holt aus der dünnen Story allerhand raus. Ich bin gespannt, ob man von Jason Eisener in Zukunft noch etwas hören wird und ob seine Filme die unverbrauchte Leichtigkeit und allgemeine „Leckt mich“-Stimmung beibehalten können, die er mit „Hobo…“ auf die Beine gestellt hat.