Enter the Void
Diese Kritik ist direkt nachdem ich den Film gesehen habe entstanden, ohne mich zuvor von jeglichen Interpretationen zu beeinflussen. Auch werde ich meine Kritik so verfassen, dass ich nichts von der Handlung preisgeben werde. Ich werde versuchen besonders auf den Stil des Films einzugehen und dabei seine Wirkung zu beschreiben. Letztendlich folgt ein Versuch einer Interpretation und natürlich ein Schlussurteil.
„Enter the Void“ ist mittlerweile der dritte Film nach „Menschenfeind“ und „Irreversibel“, den ich von Gaspar Noé gesehen habe. Man kann also behaupten, dass mir der Stil von Noé mittlerweile vertraut ist. Denn Stil ist genau das Stichwort bei diesem Film.
Stil
Wer bereits das Plakat oder ein Cover des Films kennt kann sich bereits ein kleines Bild machen, was ihn erwartet. Der Einsatz von leuchtenden Neonfarben – vornehmlich in den Farbtönen: rot, gelb, grün und blau – hält über die ganze Dauer des Films an und ist der prägende Stil dieses Trips. Denn soviel sei verraten: der Film hat u.a. etwas mit Drogen zu tun.
Der Anfang beginnt typisch für Noé mit den Credits in großen und bedrohlichen Buchstaben, die hier in einer hektischen Abfolge und in bunten Farben nahezu epileptisch an einem vorbei rasen.
Eine Gefahr für Epileptiker muss ich an dieser Stelle wirklich aussprechen, denn beim gewöhnlichen Einsatz der Neonfarben bleibt es nicht. Oft kommt es vor, dass der gesamte Bildschirm in Farbe getaucht ist und dieser heftig anfängt zu flackern. Wer bereits vorherige Werke von Noé kennt, wird dieses Stilmittel wieder erkennen. Auch verschwimmen oft Farben vor den Augen bei spektakulären Kamerafahrten, als ob man selbst diesen Trip miterlebt.
Die Kamera ist für diesen Trip nicht ganz unschuldig. Vornehmlich gibt es nur drei Kameraeinstellungen für den gesamten Film. Eine sehr gelungene Egoperspektive, eine „über die Schulter“-Perspektive und eine sehr nahe Vogelperspektive, die nicht davor scheut auf Reisen zu gehen, um eine neue Situation zu beobachten.
Dieser ganze Mix entfacht einen psychedelischen Trip, den ich so zuvor in keinem Film gesehen habe. Trotz der bisherigen Beschreibungen kann man den ganzen Effekten eine gewisse Ästhetik nicht von der Hand weisen, die überraschenderweise dennoch Ruhe ausstrahlt. Diese Ruhe ist vor allen den langen Einstellungen zu verdanken und den wenigen Schnitten, mit denen der Film auskommt.
Style over Substance?
Wer sich nun meine Ausführungen über den Stil bis hier hin durchgelesen hat, könnte auf die Frage kommen, ob diese ganze (extreme) Effekthascherei nun wirklich dem Film dienlich ist, oder ob der Regisseur versucht eine inhaltliche Leere zu füllen. Ich habe entschieden, dass diese Effekte den Film und seine Aussage unterstützen, denn in meinen (mittlerweile geschundenen) Augen versucht der Film besonders über seine Optik eine spezielle Aussage zu treffen (siehe Absicht/Intention). Man kann sich sicher denken, dass ein solcher Stil bewusst die Darstellung eines Trips unterstütz. Doch sei an dieser Stelle gesagt, dass es hier nur zum Teil Drogen eine Rolle spielen. Eine inhaltliche Leere kann ich den Film mit Sicherheit nicht ankreiden. Jeder muss für sich selbst entscheiden, was er dem Film abgewinnt.
Absicht/Intention
Gaspar Noés Regiearbeit ist dafür bekannt, dass gewisse Schmerzgrenzen erreicht oder überschritten werden. Die Provokation ist mit ihm.
Überraschenderweise empfand ich seine vorherigen Werke (Menschenfeind und Irreversibel) um einige Grad härter und provokanter als „Enter the Void“. Das hängt unter anderem mit der ästhetischeren Darstellungsweise zusammen, die manche provokante Szene einem geradezu euphorisch darlegt. Aber ist das nicht wiederum eine neue Art der Provokation? Etwas, was von mir als schockierend empfunden werden sollte, erfreut mich plötzlich.
Der Stil birgt für mich eine weitere Provokation, die auf einer Metaebene zu betrachten ist. Wie zu Beginn erwähnt, suggerieren die Plakate oder Covers eine gewisse „Farben-Frohheit“. So etwas bleibt nicht unbeachtet. Wie schon einst in den 60ern, als „2001 – Odyssee im Weltraum“ anlief, lockte der Film Scharenweise „Junkies“ in das Kino. Ich behaupte nun das Noé sich diesen Trend bewusst war und sein Film unter anderem darauf auslegte, mit dem Wissen, das dies einen Drogentrend auslösen könnte. Denn unbewusst besaß der Film nicht wirklich eine Anti-Drogen-Botschaft, wie beispielsweise „Requiem for a Dream“.
Nach wie vor konnte mich auch dieser Film nicht dazu verleiten Drogen zu konsumieren, doch bin ich gerne auf diesen filmischen Trip eingegangen.
Fazit
„Enter the Void“ ist trotz des einzigartigen Looks und gewissen „Härte“ überraschend zugänglich gestaltet. Wer vorher nicht viel mit Noés vorherigen Werken anfangen konnte und trotz alledem nicht zart besaitet ist, könnte mit diesem Film sicherlich einen besseren Zugang finden. Für Liebhaber (wie ich es einer bin) könnte dieser Film zu „mainstreamig“ daherkommen, zumal es keine Seltenheit mehr ist Farbfilter oder ähnliches einzusetzen. Für mich ist es auch nicht Noés bester Film, doch hat dieser dennoch seine Stärken und er war für mich alles andere als schlecht.
Es gab viele kleine Details, die noch offen für viele Interpretation sind. Wobei die Rahmenhandlung relativ offensichtlich gestaltet wurde. Sein volles Potential habe ich mit Sicherheit noch nicht erfasst, denn so oft passiert es, dass eine weitere Sichtung neue Sichtweisen auf den Film eröffnen. Ich bin begeistert und wurde mitgenommen auf einen Trip der nur auf den ersten Blick für Leute Noé-Kenner gewöhnlich wirken könnte.
Wer aus meinen Worten nicht schlau wurde, oder keine Lust hatte sie zu lesen:
Hier die Kurzfassung
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