Engel in Amerika
Unter der Regie von Mike Nichols entstand im Jahre 2003 die sechsteilige Miniserie Angels in America. Diese basiert auf dem Theaterstück von Tony Kushner, der auch für das Drehbuch der Serie verantwortlich zeichnet.
Die Serie spielt Mitte der 80er Jahre also zurzeit der Regan-Ära in Amerika. Im Verlauf der Serie werden mehrere Schicksale verschiedner Menschen miteinander verwoben.
Da wäre einmal das homosexuelle Paar Prior Walter und Louis. Prior Walter ist an Aids erkrankt und sein Freund Louis kommt damit nicht zurecht und sucht einen Weg aus der Beziehung. Währendessen kümmert sich Belize um Prior Walter, dieser ist schon seit Jahren sein bester Freund.
Außerdem gibt es noch den Handlungsstrang mit Joe Pitt, der mit Harper verheiratet ist, aber bei sich homosexuelle Neigungen entdeckt. Als er diese gegenüber seiner Mutter erwähnt, kommt diese von Salt Lake City nach New York geflogen.
Als letztes gibt es den Handlungsstrang mit dem sehr einflussreichen Anwalt Roy Cohn, der auch an Aids erkrankt ist, aber ihn als Leberkrebs bezeichnet.
Auch wenn es jetzt auf den ersten Blick ein wenig konfus oder kompliziert wirkt, kommt man als Zuschauer sofort gut mit.
Denn nach dem Intro, welches mit einem gefühlvollen und sehr guten Thema von Thomas Newman unterlegt ist kommt man direkt ins Geschehen.
Sofort am Anfang wird klar, dass diese Serie sich mit dem Thema Tod auseinandersetzt, da die ersten Szenen Louis und Prior auf einer Beerdigung zeigen. Doch dass zentrale Motiv der Serie ist das Thema Homosexualität und Aids, wodurch das Thema Tod auch in den Mittelpunkt gerückt wird. Obwohl die Serie in den 80er angesiedelt ist und nicht in der heutigen Zeit sieht man eigentlich kaum Unterschiede zum Thema Homosexualität und wie es aufgefasst wird. Denn als die Mutter von Joe Pitt, erfährt dass ihr Sohn schwul sei reagiert sie empörend doch genauso ist es heute auch noch zum großen Teil. Des weiteren kann man auch das Verhalten von dem Anwalt Roy Cohn noch nachvollziehen, da es auch in der heutigen Zeit nicht ungewöhnlich ist, sich nicht zur eigenen Homosexualität zu bekennen.
Auch wenn Filme wie Brokeback Mountain oder Serien wie Six Feet Under über das Thema Homosexualität aufklären, ist die Situation nicht viel anders wie in den 80er-Jahren, was eigentlich schockierend ist.
Doch die Serie sticht nicht unbedingt von ihrer Handlung hervor, sondern vielmehr durch die Schauspieler. Denn die Leistungen sind durchweg phänomenal.
Da wäre einmal Al Pacino als grauhaariger Anwalt, welcher so ein unsympathisches Arschloch spielt, aber trotzdem die Zuschauer für sich gewinnt. Joe Pitt wird sehr gutgläubig von Patrick Wilson dargestellt, der diese innere Angst vor der Zuneigung zu anderen Männer für den Zuschauer nach außen kehrt. Sein Frau Harper wird von der wundevollen Marry Louise Parker verkörpert, diese bringt die Verwirrung und die emotionalen Probleme von Harper sehr gut rüber. Justin Kirk und Ben Shenkman verkörpern das homosexuelle Paar Prior und Louise und ihre Gefühle hätten sie nicht besser zeigen können.
Zu Meryl Streep muss man eigentlich gar nichts mehr sagen, aber zu Jeffrey Wright, denn dieser hat den besten Freund von Prior so was von authentisch dargestellt, dass ich ihn erst gar nicht erkannt habe, da man so welche Rollen von ihm gar nicht kannte.
Doch kommen wir zu der Engelsthematik, welche natürlich auch ein roter Faden, der Geschichte darstellt, denn sonst würde sie bestimmt nicht den Titel der Serie bestimmen.
Für einige können die Engel teilweise grotesk oder kitschig wirken, aber sie sind auch nicht allseits präsent in der Serie. Sie treten eigentlich recht selten auf und zwar in den Träumen von Prior Walten. Oder sind es vielleicht keine Träume? Sind sie echt? Oder sind es auch nur seine Halluzinationen? Auf diese Fragen gibt es auf jeden Fall Antworten in der Serie, aber eigentlich sind es auch nicht so zentrale Fragen. Viel wichtiger sind die Auseinandersetzungen zwischen den Engel und Prior und ihren teilweise philosophisch angehauchten Themen wie z.B. ob Gott die Menschheit im Stich gelassen hat. Das dieses Thema aufkommt bei dem Thema Aids und Tod ist eigentlich nicht sehr verwunderlich, denn als Mensch, der an Aids erkrankt ist kann man sich durchaus diese Fragen auch stellen. „Hat Gott mich im stich gelassen?“.
Und wie immer kann man nur sagen, dass die Wege des Herren unergründlich sind.
Wie ich oben schon geschrieben habe, kann das Aussehen der Engel für manche zu kitschig wirken, aber für mich entsprach es nur der klassischen Optik.
Die Serie wurde sehr gut konzipiert, denn auch die Inszenierung ist sehr gelungen.
Obwohl die Serie in New York spielt haben es die Macher geschafft viele neue Gegenden zu filmen, welche man von New York noch nicht aus dem Kino kannte. Und auch bei der Beleuchtung und den Schnitte fällt auf, dass sie sehr genau gewählt wurden. Nichols arbeitet an vielen stellen mit Schatten und es passt sich immer sehr homogen der Situation an.
In einer Situation unterhalten sich Prior und Louis und die Schnitte wechseln zwischen den beiden Gesichtern hin und her, auffallend ist dabei das von einem die rechte Seite des Gesichts durch Schatten verdeckt ist und beim anderen die Linke. Dieses kann man auf verschiedene Weise deuten, einmal, dass sie wie ein Puzzlestück zusammen passen, sodass das Gesicht komplett im hellen oder komplett im dunklen ist, aber es kann auch bedeuten, dass sie sich einfach nur fremd geworden sind. Durch diese Einstellung beweist Nichols auf jeden Fall sein Können als Regisseur und der aufmerksame Zuschauer wird zum nachdenken angeregt.
Da Angels in America nicht die einzige Serie ist, welche sich mit den Themen Homosexualität, Aids und Tod auseinandersetzt, kann man sie durchaus mit der Serie Six Feet Under, in der es hauptsächlich um Tod und auch um Homosexualität geht, oder mit dem Film Philadelphia, in dem Tom Hanks einen homosexuellen Aidskranken spielt, vergleichen.
Doch beide Vergleiche hält Angels in America nicht stand, das liegt zum einem daran, dass Six Feet Under in jedem Aspekt besser ist und da ich diese Serie als das Non plus ultra sehe. Six Feet Under zeigt jeden Aspekt in ihren insgesamt fünf Staffeln intensiver, ob es die verschiedenen Problematiken von Homosexualität oder Tod ist. Sie ist dramatischer, spannender und besitzt mehr schwarzen Humor.
Doch man muss auch sehen, dass Angels in America nur eine Miniserie ist und lange nicht an die Laufzeit von Six Feet Under erreicht. Deswegen kann man sie eher mit dem Film Philadelphia vergleichen. Wobei dieses auch schwer ist, denn in Philadelphia geht es nur um ein Einzelschicksal und Tom Hanks spielt dieses Einzelschicksal grandios, doch über weite Strecken sieht man im Film mehr die Gerichtsverhandlungen und wie das Thema die Öffentlichkeit spaltet. Auch wenn man Angels in America und Philadelphia nicht unbedingt vergleichen sollte oder kann, wäre bei mir Philadelphia der Sieger, da dass Einzelschicksal besser ausgearbeitet wurde wie die einzelnen Schicksale in Mike Nichols Miniserie.
Auch wenn es zum Schluss in meiner Kritik recht negativ klingt, dieses liegt vor allem daran, dass ich die Serie mit zwei Meisterwerke verglichen haben, sollte keiner diese Miniserie verpassen.
Denn HBO hat mit dieser Serie mal wieder bewiesen, dass die heutigen Fernsehserien auf gleichem Niveau wie große Kinoproduktionen liegen.